Meuterei unterm Schutzschirm

Handel Europa versucht, sich gegen die amerikanischen Iran-Sanktionen zu stellen. Die USA aber haben die besseren Druckmittel, nicht zuletzt ihren Dollar
Ausgabe 21/2018
Rot-Grün-Schwäche
Rot-Grün-Schwäche

Foto: Carlos Barria/AFP/Getty Images

Die Zeichen zwischen den USA, Iran und der EU stehen auf Sturm. Nach der Kündigung des Atomabkommens hat nun US-Außenminister Mike Pompeo einen Forderungskatalog an Iran gerichtet, der einer völlig unrealistischen Wunschliste gleicht.

Derweil fordert die EU die heimische Wirtschaft auf, sich an gültige Geschäfte mit Iran zu halten. Doch die Unternehmen werden sich nicht zweimal überlegen, wem ihre Loyalität gilt – die Zahlen sprechen für sich: Die Importe der EU aus Iran, zu mehr als 75 Prozent Öl und andere Treibstoffe, haben sich seit Lockerung der Sanktionen zwar fast verdoppelt und lagen 2017 bei 10,1 Milliarden Euro; doch den Exporten der EU nach Iran von 10,8 Milliarden Euro steht Exportvolumen von 435 Milliarden Dollar in die USA gegenüber, über ein Viertel davon erzielte die deutsche Wirtschaft.

Der Versicherungskonzern Allianz hat bereits erklärt, das Portfolio mit Iran herunterzufahren – die Wirtschaftsbeziehungen seien ohnehin minimal. Dem Willen Washingtons wollen sich auch der französische Ölkonzern Total sowie die weltweit größte Containerschiffsreederei Maersk aus Dänemark beugen. Andernfalls könnten die Unternehmen auf eine Art schwarze Liste geraten, die USA könnten direkte Handelsbeziehungen einstellen. Im Falle des europäischen Flugzeugbauers Airbus drängt Teheran auf eine Entscheidung: Nur drei der per Kaufvertrag vorgesehenen 100 Flugzeuge hat Airbus bisher geliefert. Dass der Konzern die Beziehungen zu den USA aufs Spiel setzen wird, scheint zweifelhaft.

Überhaupt: Mit dem Dollar halten die USA die Trumpfkarte in der Hand. Denn der indirekte Hebel durch den Greenback ist gewaltig. Sämtliche Rohstoffe werden in US-Dollar berechnet. Wer international Finanztransaktionen durchführen und finanzieren will, kommt am Dollar nicht vorbei. Zwar gibt es immer wieder Versuche, die Dominanz des Dollars zu brechen. Doch bisher sind diese kläglich gescheitert. Gemütlich haben sich die Europäer unter dem Schutzschirm der USA eingerichtet.

Mit der Aufkündigung der Weltordnung der vergangenen Jahrzehnte durch Donald Trumps Regierung wird der Ruf nach mehr Unabhängigkeit von den USA lauter. Doch kurzfristig lässt sich wenig ändern. Ende des 4. Quartals 2017 beliefen sich die weltweiten Devisenreserven auf 11,4 Billionen Dollar. Knapp 6,3 Billionen Dollar liefen auf Dollar-, rund zwei Billionen auf Eurobasis. Der chinesische Renminbi brachte es nur auf 123 Milliarden Dollar.

Zölle und Suppe

EU-Kreise diskutieren nun, iranisches Öl nicht mehr in Dollar, sondern in Euro zu berechnen. Das wäre denkbar. Doch welchen Unterschied würde das machen? Seit der Lockerung der Sanktionen vor rund zwei Jahren wurde die Ölproduktion in Iran von 2,8 auf 3,8 Millionen Barrel pro Tag ausgebaut – die globale Produktion beläuft sich auf rund 90 Millionen Barrel. Die USA werden 2018 voraussichtlich an Russland und Saudi Arabien vorbeiziehen und zum größten Ölproduzenten der Welt aufsteigen. Zudem laufen die Versicherungskontrakte für Containerschiffe und Tanker überwiegend in Dollar.

Der Iran-Streit kommt in einer brisanten Phase: Bis 1. Juni hatte die US-Regierung den Europäern Aufschub gewährt und Stahl- und Aluminiumimporte aus Europa vorerst von Strafzöllen ausgenommen. US-Unternehmen wie Deere, der Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen, oder der Anbieter von Fertiggerichten, Campbell Soup, warnen vor steigenden Kosten, wenn die Zölle erhoben werden. Der US-Agrarsektor fürchtet, der Handelsstreit mit China könnte doch noch eskalieren; 2017 hatte China Hirse im Wert von über einer Milliarde Dollar aus den USA importiert.

Die EU wirkt in ihrem Bestreben, den Atomvertrag zu retten, überfordert. Die Idee, ein Blocking Statute aus den 1990er Jahren wiederzubeleben, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus: Danach soll es europäischen Firmen verboten werden, die Sanktionen einzuhalten. Angedacht ist, dass europäische Unternehmen von der EU entschädigt werden, wenn ihnen dadurch Geschäfte mit den USA entgehen. Anders formuliert: Europäische Steuerzahler würden die Iran-Sanktionen des US-Präsidenten gegenfinanzieren. Das kann kaum eine Lösung sein – auch nicht auf Eurobasis.

Jens Korte ist Wirtschaftskorrespondent in New York. Für den Freitag schrieb er bis 2015 die Kolumne „Das eine Prozent“

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