Mit AK47 und Laptop

Kongo Die M23-Bewegung versammelt eine neue Generation von Rebellen, die auch die Medien zu beherrschen wissen
In Goma heißt es, Tausende Soldaten der regulären Armee seien zur M23 übergelaufen, in der sich eine neue Rebellengeneration gefunden hat
In Goma heißt es, Tausende Soldaten der regulären Armee seien zur M23 übergelaufen, in der sich eine neue Rebellengeneration gefunden hat

Foto: Phil Moore/AFP/Getty Images

Vielleicht war der Einmarsch in Goma, der Hauptstadt der kongolesischen Provinz Nord-Kivu, eine Nummer zu groß für die Heißsporne der M23 (Bewegung 23. März). Erwartungsgemäß verurteilte der Sicherheitsrat den Vormarsch, erwartungsgemäß lästerten die Rebellen, was die UNO sage, interessiere sie nicht. Dann aber stellten die Staatschefs aus der Region der Großen Seen ein Ultimatum: Die Eroberer sollten bis zum 26. November auf eine Linie 20 Kilometer vor Goma zurück und nicht länger den Sturz der kongolesischen Regierung proklamieren. Die M23 blieb vorerst, wo sie war.

Wieder, schon wieder Krieg und Gewalt im Ostkongo. Die Bilder von panisch flüchtenden Menschen, von graugesichtigen Kindern, von Leichen am Wegesrand sind nur allzu bekannt. Ob es stimmt, was die Vereinten Nationen behaupten – dass die M23 Gegner hinrichten lässt und erneut Kindersoldaten rekrutiert, das muss die Aufarbeitung dieser Tage zeigen.

Nach einem großen Meeting der Rebellen, zu dem Massen von Menschen strömten und viel Beifall klatschten, herrscht in Goma wieder Ruhe. „Es ist vorbei. Die Rebellen haben ihre Puste verbraucht“, glaubt der amerikanische Filmemacher Tim Freccia, der seit Jahren im Südkongo dreht. Es sei für jeden ersichtlich, dass es den Aufständischen an militärischer Kapazität fehle. Dies gelte erst recht für den angekündigten Marsch bis Kinshasa, bei dem 2.000 Kilometer zu bewältigen wären.

Ruanda 1994

Alles heiße Luft also? Nein, eher ein weiteres Kapitel der kongolesischen Selbstzerfleischung, die wann begann? Während des Kolonialismus, in der Regierungszeit des gierigen Diktators Mobutu, mit dem Wirtschaftskollaps in den neunziger Jahren? Damals kam es zu ersten Kämpfen unter den Volksgruppen. Die blutige Fehde hatte 1994 durch den Völkermord in Ruanda ihre Bartholomäusnacht. Deren Ausläufer griffen auf Süd-Kivu über. Die Grenzen des Kongos waren stets durchlässig für alles: Konflikte, Waffen, Schmuggelware, Massenmörder. Die Hutu massakrierten in Ruanda das Volk der Tutsi und beide – erst die Opfer, dann die Täter – flüchteten in den Süd-Kivu, wo sie sich bis heute gegenüberstehen. Eine rohstoffreiche Region ist das, es gibt Gold und Coltan. Die Vorkommen könnten ein Segen sein und den Kongo aus der ökonomischen Depression holen. Doch wird das Gebiet von Ruanda und Uganda begehrt und durch ausländische Konzerne ausgebeutet, die sich Rebellen halten, um ihre Pfründe zu sichern.

Zehn Millionen Menschen leben in beiden Kivu-Provinzen, viele in unzugänglichen Dörfern im tiefsten Urwald. Auch sie werden aufgespürt, ausgeraubt, gefoltert und verbrannt. Keine Scheußlichkeit, die im Kivu nicht geschehen wäre. Wer soll sie verhindern? Die Nationalarmee des Kongos ist ein zusammengewürfelter Haufen ehemaliger Milizen mit gewalttätiger Vergangenheit, die nach dem Friedensvertrag von 2002 rekrutiert wurden. Unterbezahlt und hungrig ziehen sie oft als Plünderer durchs Land. Die Soldaten der UN-Mission MONUSCO dürfen nicht mit Waffen eingreifen und stammen zudem aus Staaten Afrikas, die sich untereinander nicht grün sind.

Soldaten werden Plünderer

Da kommt eine neue Rebellengruppe gerade recht. In Goma heißt es, Tausende Soldaten der regulären Armee seien zur M23 übergelaufen, in der sich eine neue Rebellengeneration gefunden hat. Gleich seit der Gründung im März 2011 – der Name steht für das Gründungsdatum – wurden M23-Botschaften über soziale Netzwerke verbreitet. Es gab eigene Facebook-Seiten, es wurde gechattet, auf geposteten Fotos waren alte Kämpfer aus dem einstigen Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes (CNDP) zu sehen, der als M23-Vorläufer gilt. Die aus Tutsi bestehende CNDP-Guerilla existierte bis zur Verhaftung ihres Führers Laurent Nkunda im April 2009 und vertrat ähnliche Ziele wie die M23 heute. Auch der CNDP wollte den Kongo befreien. Nach Nkundas Gefangennahme wurden seine Anhänger in die reguläre Armee integriert. Wer desertierte, stieß zur M23, die auch junge Kongolesen anzog, die im Ausland studiert hatten und sich der Macht neuer Medien bewusst waren. Zur omnipräsenten AK47 kam nun der Laptop hinzu.

Ruanda und Uganda wurden jüngst von der UNO beschuldigt, die M23 mit Waffen auszurüsten. Der wahre Herrscher über die Rebellen soll der ruandische Verteidigungsminister James Kabarebe sein, der 2008 in einem Interview mit dem Freitag meinte, Kongo-Präsident Kabila sei viel zu schwach, um seinem Land dienen zu können.

Andrea Jeska hat die Region mehrfach bereist

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