Mit den Waffen einer Frau

US-Wahlkampf Sarah Palin punktet als Mutter und sexy Karrierefrau bei US-Wählerinnen - eine Katastrophe für die Rechte der Frauen

Heiße Tussis wählen republikanisch", so steht es auf den rosaroten Buttons ihrer Anhänger. Die von John McCain gewählte Vizekandidatin und Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, sprengt höchst ambitioniert die herkömmlichen politischen Kategorien. Immer wieder wird darauf gepocht, dass sie, die Republikanerin, Mutter von fünf Kindern und Karrierefrau zugleich, die Sorgen und Hoffnungen der amerikanischen Durchschnittsfrauen am besten verstehe. Und ohne Frage gibt die Kombination ihrer aufreizenden Aufmachung und ihrer furchtlosen Handhabe von Schusswaffen der republikanischen Partei genau jenen Sexappeal, den sie so dringend nötig hatte.

Ohne jede Spur von Verärgerung darüber, dass man sie auf so plumpe Weise mit einer weiblichen Kandidatin ködert, laufen bisher politisch unentschiedene Frauen jubelnd zur McCain-Seite über. Bei weißen Müttern, deren Kinder noch zu Hause wohnen, liegt die Zustimmungsrate für Palin bei 80 Prozent. Gerade die besondere Verquickung traditioneller und moderner Werte hat Palin zu einem Superstar gemacht. Sie hat Marihuana geraucht und sie trägt knallrote Hackenschuhe. Sie kann mit einem Blackberry effizient umgehen und sie glaubt daran, dass der Einsatz der US-Soldaten im Irak von Gott in Auftrag gegeben ist. Sie trägt ihren kleinsten Sohn wie eine Hippiemama im Tragetuch und schmeißt zugleich die bundesstaatlichen Regierungsgeschäfte. Es ist kein Zufall, dass eine Zuschauerin den Rummel bei einem von Palins Auftritten - ihrer erzkonservativen Meinung zu allen politischen Themen zum Trotz - mit großen Augen so beschreibt: "Es war wie Woodstock."

Selbst die Tatsache, dass Palin vehemente Abtreibungsgegnerin ist, wird ihr als "frauenfreundlicher" Pluspunkt zugerechnet. So schwärmte eine Frau gegenüber der Washing­ton Post: Palin sei "das perfekte Beispiel einer wirklichen Feministin. Sie ist Lebensschützerin, Familienbefürworterin, sie füttert ihr Baby mit der Brust." Palin profitiert nun von der Ausdauer und Cleverness, mit der Rechtsradikale über das vergangene Jahrzehnt hinweg Liberale völlig in die Defensive gedrängt haben. Die Positionen in der US-amerikanischen Debatte um Reproduktionsrechte und Feminismus sind gründlich auf den Kopf gestellt. Denn die Rechten haben gelernt, sexualkonservative Argumente nicht mit Bibelzitaten zu untermauern, sondern in die therapeutische Sprache der Psychohygiene zu verpacken.

Und die Gerichte und Legislativen machen mit. 2007 hat der Supreme Court zum ersten Mal seit "Roe v. Wade" (der Entscheidung, die seit 1973 das Abtreibungsrecht garantiert) eine Methode des Schwangerschaftsabbruchs kriminalisiert. Zur Begründung zog der Oberste Gerichtshof das neueste Argument konservativer Aktivisten heran, dass Abtreibungen bei Frauen "Depressionen" auslösen und das "Selbstwertgefühl mindern" könnten. Andererseits wird der Hebel "Religionsfreiheit" bedient. So schützen manche Bundesstaaten das "Recht" von Apothekern, nicht verheirateten Frauen Verhütungsmittel vorzuenthalten, falls außerehelicher Sex mit ihrem "Gewissen" in Konflikt stehe. Zugleich bedient man sich scheinwissenschaftlicher Argumente. Momentan arbeitet die Bush-Regierung daran, in einer Gesetzesregelung Pille und Spirale als Abtreibungsmethoden zu definieren - unter dem Vorwand, sie würden die Einnistung eines befruchteten Eis verhindern.

Wenn Roe v. Wade gekippt würde - und Sarah Palin sagt deutlich, dies sei ihr Ziel - haben bereits 19 Bundesstaaten fertige Gesetze in der Schublade, die von einem Tag auf den anderen Abbrüche verbieten würden. Wenn zusätzlich Verhütungsmittel als Abbruchsformen gelten, kann man sich den daraus resultierenden Alptraum für Frauen ausmalen. Sarah Palin als US-Vizepräsidentin ist eine Katastrophe für Frauenrechte.

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