Mit Gandhi nach Bagdad

Widerstand im Irak Der Streit um die Rede von Arundhati Roy in Mumbai offenbart das Unvermögen der Kriegsgegner, auf die US-Besatzung mit einer gemeinsamen Position zu reagieren

Die Aufregung war groß, als Arundhati Roy vor Tausenden Globalisierungskritikern auf dem jüngsten Weltsozialforum zum Widerstand gegen die Besatzung im Irak aufrief. Vor allem in Freiburg. Der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Jürgen Grässlin, zeigte sich "enttäuscht, dass gerade Arundhati Roy als Inderin auf Sprengstoffattentate und Heckenschützen setzt". Schließlich habe der gewaltfreie Widerstand von Mahatma Gandhi gezeigt, wie eine Kolonialmacht mit zivilen Mitteln aus dem Land getrieben werden könne.

Dass sich die indische Autorin ob ihrer Nationalität von deutschen Kriegsgegnern politische Ansichten diktieren lässt, sei dahingestellt - Tatsache ist, dass Roy schon am nächsten Tag von ihrer Position abrückte, die sich besonders mit dem Satz manifestiert hatte: "Wenn wir gegen Imperialismus und Neoliberalismus sind, dann müssen wir den Widerstand im Irak nicht nur unterstützen, dann müssen wir zum Widerstand im Irak werden." Das habe sie zwar gesagt, aber nicht so gemeint. Ihr sei es vielmehr um die in ihrem Redemanuskript verzeichnete Aussage gegangen, wonach die Kriegsgegner aufgefordert seien, "der globale Widerstand gegen die Besatzung" zu werden.

Dass die Roy-Rede im Lager der Kriegsgegner - der Ausdruck sei erlaubt - gewissermaßen wie eine Bombe einschlug, deutet auf das Unvermögen, gemeinsam politische Schlussfolgerungen aus dem andauernden zweiten Krieg der USA gegen Irak zu ziehen. Zwar charakterisiert auch Grässlin das US-Regime als "völkerrechtswidrige Besatzung", meint dann aber, der dürfe allein mit "gewaltfreien Blockaden bis hin zu Generalstreiks" entgegengetreten werden. Was darüber hinausgehe, könne dazu führen, "die Mittel religiös verblendeter Islamisten oder gar Terroristen zu legitimieren".

Eine nahezu entgegengesetzte Position bezieht die österreichische Kampagne "Zehn Euro für den irakischen Widerstand", der sich auch deutsche Gegner des US-Feldzuges angeschlossen haben. Die Spendengelder würden der "Patriotischen Allianz" im Irak übergeben, erklären die Organisatoren der Antiimperialistischen Koordination in Wien. Man überlasse es bewusst den Mitgliedern des laizistischen Widerstandsnetzwerkes, über den Gebrauch des Geldes zu bestimmen, das nach Meinung der Organisatoren "ohnehin mehr symbolische Wirkung" habe. Politisch beruft sich die Kampagne auf Artikel 51 der UN-Charta, der bei Angriffen auf einen Staat das Recht auf "individuelle und kollektive Selbstverteidigung" zugesteht.

Höchst aufschlussreich ist in dieser Kontroverse, inwieweit sich die linke Kriegskritik - trotz all ihrer Heterogenität - von einer "psychologischen Kriegführung" des politischen Mainstreams zu lösen vermag, wie sie kürzlich Jürgen Rose im Freitag beschrieben hat. Während der DFG-VK-Sprecher Grässlin bereits den "Übergang zu einer vom irakischen Volk gewählten Regierung" sieht, zeigt sich die Wiener Kampagne nicht im Geringsten davon überzeugt, "dass die USA eine wirklich demokratische Wahl zulassen würden". Nur eine Niederlage der Amerikaner und eine Schwächung ihrer globalen Hegemonie könnten dem Weltfrieden dienlich sein.

Dass gewaltfreie Blockaden und Generalstreiks auch mittelfristig kaum zu den Methoden der Besatzungsgegner vor Ort gehören dürften, gestand die CIA in einem Bericht ein, der Anfang November verfasst und wenig später gezielt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Der Lagebeurteilung des Geheimdienstes war zu entnehmen, dass der irakische Widerstand nach der Festnahme Saddam Husseins eher noch virulenter werden dürfte. Die Zahl seiner Kombattanten schätzte man auf 50.000. Und auch eine Umfrage des Gallup-Institutes im Irak förderte weder für die DFG-VK noch das Weiße Haus Erfreuliches zutage: Nur fünf Prozent der Befragten zeigten sich überzeugt, dass die USA interveniert hätten, "um das irakische Volk zu unterstützen". Nur ein Prozent glaubte an die bevorstehende Einführung der Demokratie.

Diesen Eindruck teilt der renommierte britische Irak-Reporter, Robert Fisk, der das Zweistromland nach dem Sturz Saddams mehrfach bereiste. "Der Grund dafür ist einfach", sagt er im Gespräch mit dem Freitag. Die Kurden seien von den Besatzern enttäuscht, weil sie auf einen eigenen Staat gehofft hatten. Die Schiiten seien enttäuscht, weil ihnen Wahlen verweigert würden. Und die Sunniten seien enttäuscht, weil sie sich von den beiden anderen übervorteilt fühlten. Alle zusammen seien sie nun gegen die Amerikaner.


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