Mit Referenden gut versorgt

Kommentar Venezuela stets auf Tuchfühlung mit der Demokratie

Über vier Millionen Unterschriften haben Anhänger von Präsident Chávez für eine Volksabstimmung gegen 37 oppositionelle Abgeordnete der Nationalversammlung gesammelt. Sollte das Votum vom Nationalen Wahlrat (CNE) bestätigt werden, müsste es spätestens im März 2004 zu einem Referendum über den weiteren Verbleib aller 37 Abgeordneten im Parlament kommen. Zweifel am Erfolg gibt es kaum. Auch wenn sich einige der Unterschriften - die mit Personalausweis und Daumenabdruck bestätigt werden mussten - als gefälscht herausstellen sollten, wird dies kaum etwas ändern, bei allen Parlamentariern wurde die notwendige Zahl der Unterschriften um bis zu 150 Prozent übertroffen. Ihnen wird größtenteils vorgeworfen, als Kandidaten der Pro-Chávez-Allianz angetreten und gewählt worden zu sein, dann aber die Seiten gewechselt und sich der Opposition angeschlossen zu haben.

Warum rang sich das Präsidentenlager zu dieser Aktion durch, von der angenommen werden kann, dass dadurch die Konfrontation mit den Regierungsgegnern verschärft wird? Soviel steht außer Frage, Hugo Chávez muss bemüht sein, die mit der Zeit in der Nationalversammlung immer mehr zusammengeschmolzene Mehrheit wieder auszubauen. Und ein Stimmungstest unter der eigenen Anhängerschaft ist die Unterschriftenaktion allemal, nachdem auch das Oppositionslager durch parallele Aktionen selbst weiter Unterschriften sammelt, um ihrerseits dem Ziel eines Referendums näher zu kommen, das über eine mögliche Abwahl von Chávez entscheiden soll. Die Oppositionsallianz Coordinación Democratica gibt sich in dieser Hinsicht recht siegessicher, so dass die Regierung nicht ungern andeuten mag, welches Gewicht sie nach wie vor in die Waagschale werfen kann. Im Übrigen ist jeder Beleg für eine verfassungskonforme Amtsführung - und Referenden stellen einem Land in der Regel ein demokratisches Reifezeugnis aus - ein wertvoller Beitrag, um das Klima im Verhältnis zu diversen internationalen Beobachtern zu pflegen, die Venezuelas Regierung unablässig evaluieren. Das gilt für Missionen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wie des Carter Centers, die seit dem versuchten Generalstreik der Opposition vor einem Jahr zwischen den Konfliktparteien vermitteln sollen. Sie beobachteten auf die Bitte des Nationalen Wahlrates (CNE) hin die Unterschriftensammlungen der letzten Wochen und zeigten sich beeindruckt vom "zivilen Klima", in dem das Ganze ablief. Dabei hatten Abgeordnete der Regierungsparteien mehrmals Videos und Aufzeichnungen von Telefonaten vorgelegt, die darauf schließen ließen, dass Teile der Opposition die Lage nutzen wollten, um Unruhen sowie Instabilität zu provozieren und möglicherweise zu einem neuen Staatsstreich auszuholen. Die Gefahr, dass es dazu kommt, ist auch deshalb nicht auszuschließen, weil es der Anti-Chávez-Fronde bisher misslungen ist, das Präsidentenlager ernsthaft zu schwächen.


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