Ein Gen-Keks gefällig? "Was iss´n das?" fragt die Rockerlady. "Ist lecker, greifen´se zu", antwortet Jens Katzek. Wie er da im Edelanzug in der Magdeburger Innenstadt steht, mit Schlips und Denkerbrille, könnte man meinen, er ist Versicherungsvertreter. Doch Jens Katzek ist Lobbyist für den Anbau genveränderter Pflanzen. In dem Bastkörbchen, das er in seiner rechten Hand hält, liegen Plätzchen - gebacken aus genmanipuliertem Mais. Katzek spricht lieber von "genveredeltem Mais". Er verteilt die Plätzchen an Passanten. Basisarbeit nennt das der 40-Jährige. Er will den Leuten die Angst nehmen - frei nach dem Motto, wer einmal Genfood gegessen hat und nicht gleich tot umgefallen ist, wird immer wieder Genfood essen.
Wenn doch einmal das Un
mal das Unwort "Langzeit-Risiko" fällt, das die Gentech-Industrie gar nicht gern hört, beruhigt Jens Katzek: "Ehe ein genverändertes Lebensmittel in Europa auf den Markt kommt, prüfen 50 Behörden dessen Sicherheit." Doch ist das eine Garantie? "Sicher", sagt Katzek. Zumindest sei weltweit kein Fall bekannt, dass je ein Mensch durch ein genverändertes Nahrungsmittel zu Schaden gekommen ist. Katzek, sonst eher der ruhige Typ, kommt in Fahrt. Seine Stimme gewinnt an Schärfe, sein Gesicht wird seltsam rot. Er scheint sich zu ärgern, spricht von selbsternannten Verbraucherschützern, die hierzulande die Weiterentwicklung der Pflanzengentechnik blockierten. Er meint die Umweltverbände, die Ökobauern und vermutlich auch das grüne Verbraucherschutzministerium in Berlin: "Die bevormunden die Verbraucher. Jeder sollte selbst entscheiden dürfen, was er essen will." Die Rockerlady neben Katzek entscheidet sich für einen Genkeks aus dem Bastkörbchen. "Schmeckt gar nicht schlecht", sagt sie - grinst und verschwindet in den Straßen Magdeburgs. Sie hat nicht mal gefragt, was für Gene in Katzeks Keksen stecken.Sollte jemand mehr wissen wollen, wäre der Lobbyist um eine Antwort nicht verlegen. Fall nötig, würde Katzek darauf hinweisen, dass in seinem Werbegeschenk Proteinreste des Bacillus thuringiensis enthalten sind, eines für Fraßinsekten giftigen Proteins, das aber für Menschen völlig ungefährlich sei. Wie zum Beweis hätte er den ökologischen Landbau angeführt. Denn dort wird das Bakterium seit 80 Jahren als biologisch abbaubares Pflanzenschutzmittel verwendet. "Nein, das glaub ich nicht", hätte der Passant ihm dann geantwortet, um dann, nach Katzeks entschiedenem "doch, doch", vielleicht einzusehen: "Wenn selbst die Ökos mit diesem - wie heißt der doch gleich - Bacillus thuringiensis arbeiten, dann kann ich ja gleich Genfood essen." "Genau", hätte Katzek gerufen und zufrieden gelächelt. Stolz wäre er gewesen, einen Genskeptiker zum Genfood-Esser bekehrt zu haben. Für Jens Katzek wäre ein solches Gespräch der Idealfall. In Wirklichkeit beißt er sich als Gentechnik-Missionar die Zähne aus. Die Phalanx der Gentechnikgegner steht. "Was der Jens da erzählt, stimmt einfach nicht", sagt Oliver Wendenkampf, der für den BUND in Sachsen-Anhalt das Zepter hochhält. Dass ist die Umweltorganisation, die auf ihrer Internetseite warnt: "Die Risiken von Gen-Food sind nicht abzusehen." Der Mann mit der grünen Allwetterjacke und den schwarz getönten Haaren glaubt ein schlagendes Argument gegen Katzeks Bacillus-thuringiensis-Theorie zu haben: "Im ökologischen Landbau wird das Bakterium von außen auf die Pflanze aufgebracht. Wenn nun beispielsweise Kartoffelkäfer das Bakterium fressen, setzt es im Darm der Tiere ein tödliches Toxin frei. Die Schädlinge sterben, die Pflanze aber gedeiht weiter. Bis zur Ernte sind die Reste des Bakteriums biologisch abgebaut. Bei der Gentechnik aber serviere ich ihnen das, was ich vorher dem Kartoffelkäfer serviert habe - ein Toxin, das durch Gentechnik in die Pflanze eingebaut wurde. Und das ist ein gravierender Unterschied zum Ökolandbau." Das leuchtet ein.Doch Jens Katzek hält dagegen. Die BT-Proteine seien harmlos für Menschen und nützliche Insekten, sagt er. Oliver Wendenkampf widerspricht: "Der Stoff steht im Verdacht, Allergien auszulösen." Argument und Gegenargument jagen einander. Für Katzek ist die Gentechnik ein Heilsbringer, der Krankheiten heilen und den Welthunger stillen könnte, für Wendenkamp hingegen ist die Gentechnik eine teuflische Erfindung, die Menschen krank und Großkonzerne reich machen werde.Katzek und Wendenkampf sind sich nicht grün. Dabei waren sie einst Weggefährten. Wendenkampf lernte Katzek kennen, als der noch überzeugter Gentechnik-Gegner beim BUND war und seine Brötchen als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Edelgard Bulmahn (SPD) verdiente, die damals noch Bundestagsabgeordnete war und seit 1998 Bundesforschungsministerin ist. Wendenkampf profitierte vom Fachwissen des promovierten Biochemikers Katzek. Beide kämpften für die gleichen Ziele. Sie hätten Freunde werden können. Doch dann wechselte Katzek das Lager, ging zur "Industrievereinigung Biotechnologie". Für Wendenkampf, der Katzek konsequent duzt, gibt es keinen Zweifel: "Der Jens hat sich von der Industrie kaufen lassen." Natürlich hat Katzek eine ganz andere Erklärung parat: "Ich bin gegangen, weil ich mit dem Fundamentalismus der Umweltschützer nichts mehr anfangen kann. Das Geld war es jedenfalls nicht. Ich hätte Staatssekretär werden können, da hätte ich weitaus mehr verdient." Den Entschluss, das Lager zu wechseln, fasste Katzek Mitte der neunziger Jahre, kurz nachdem er genetisch veränderte Enzyme in Waschmitteln als ökologische Errungenschaft gepriesen hatte, weil man mit ihnen angeblich nicht mehr so heiß waschen muss. Katzeks Äußerung kam bei seinen Ökofreunden gar nicht gut an. Es kam zum Eklat. Die Industrie stellte Katzek daraufhin mit Kusshand ein. Seit einem Jahr ist er nun Geschäftsführer der BIO-Mitteldeutschland GmbH, die von Firmen wie Hexal, Sungene und Bayer finanziert wird und die für Sachsen-Anhalts CDU/ FDP-Landesregierung eine Biotechnologieoffensive inszeniert. Was, wenn man an die Kekse denkt, zunächst wie eine PR-Aktion mit "biologischen Waffen" aussieht, ist in Wirklichkeit ein millionenschweres Förderprogramm für Bio-Tech-Firmen. Die Regierenden des wirtschaftlich schwachen Bundeslandes wollen die Branche in den nächsten fünf Jahren mit 150 Millionen Euro fördern. Sachsen-Anhalt soll zum Vorzeigeland für Biotechnologieprodukte werden, mit einem national wie international erstklassigen Ruf. Und Jens Katzek bastelt maßgeblich mit an diesem Ruf. Derzeit plant er seinen größten Coup. Im Schulterschluss mit der Landesregierung und sechs Großkonzernen, darunter BASF und Bayer, will er das erste Mal in Deutschland großflächig Genmais anbauen - auf den fruchtbaren Böden der Altmark und der Magdeburger Börde. "Wir haben die Genehmigung für 1.000 Hektar", sagt Katzek, als er mit einem schwarzen Aktenkoffer in der Hand den Raum der Landespressekonferenz im Magdeburger Landtag betritt. Er ist als Zuschauer gekommen, nicht als Redner. Vorn im Podium sitzen die Gegner - Oliver Wendenkampf vom BUND, Carsten Niemann, der Sachsen-Anhalts Ökobauern vertritt, und Maria Wagner, Globalisierungskritikerin von Attac. Die 22-jährige Studentin beginnt: "Ich bin hier, weil ich gegen Gen-Food bin. Ich will kein Dracula-Essen." Oliver Wendenkampf gibt das Motto aus: "Bleib mir vom Acker - kein Genfood in Sachsen-Anhalt." Und der Ökobauer Carsten Niemann sagt: "Wir haben die Mauer, die Deutschland teilte, eingerissen, weil sie ein Irrtum der Geschichte war. Wenn wir uns bei der Gentechnik irren, gibt es kein Zurück mehr." Er meint die Schäden für Mensch und Natur, die entstehen, wenn die Technik auf die Felder kommt und langfristig versagt. Sie alle fordern einen Stopp des Genmais-Projektes in Sachsen-Anhalt. Sogar einen Volksentscheid regen sie an.Der Bauer Carsten Niemann beschwört die Gefahren für den Ökolandbau, der in Sachsen-Anhalt noch ganz am Anfang steht: "Wenn genmanipulierte Pollen auf unsere Felder fliegen, wäre das der Tod für unsere Betriebe." Er verweist auf das Beispiel Kanada, wo Langnese den Ökobauern keinen Hönig mehr abkaufe, weil die Landwirte dort gentechnisch veränderte Sojabohnen und Maiskolben ernten. Seine Forderung: "Für Verdienstausfälle der Ökobauern und gesundheitliche Langzeitschäden müssen die Produzenten des Gen-Saatgutes haften, aber auch die Landwirte, die ein solches Saatgut in den Verkehr bringen und die Biotechnologiefirmen, die in diesem Bereich forschen." Niemann hofft, dass im neuen Gentechnik-Gesetz der Bundesregierung die Haftungsfrage klar geregelt ist.Jens Katzek hört aufmerksam zu, macht sich Notizen und wird hellhörig, als Maria, die Studentin, meint, 80 Prozent der Deutschen lehnten Gen-Food ab. Als Quelle führt sie das Emnid-Institut an. Die anwesenden Journalisten notieren die Zahl in ihre Notizbücher. Später wird Jens Katzek eine Studie des Allensbach-Instituts in die Redaktionen faxen, das eine zunehmende Akzeptanz genveränderter Lebensmittel festgestellt habe. Das ist effektive Lobbyarbeit, Katzek kennt sein Handwerk. Manchmal allerdings hat er kein glückliches Händchen. Sein Genmais-Projekt machte er bekannt, ohne die Bauernverbände im Land hinreichend darüber zu informieren. Voreilig erklärte er: "Die sind mit im Boot." Tatsächlich reagierten die Bauernverbände mit Empörung. In eilig verfassten Pressemitteilungen äußerten sie "große Sorge" über die Initiative der Landesregierung und der beteiligten Unternehmen. Und dann ist da noch Katzeks Ton, der ihn angreifbar macht: Er wirft den Umweltverbänden Dogmatismus und Demagogie vor, spricht von einer Ökodiktatur, die Deutschland kaputt mache. Als er jüngst von Heike Moldenhauer, Gentechnikexpertin beim BUND, gefragt wurde, wo genau die Felder seien, auf denen der so genannte transgene BT-Mais angebaut werden soll, habe Katzek ihr unterstellt, sie wolle das nur wissen, um die Pflanzen wieder rauszurupfen. Katzek verteufele alle anderen als Ideologen und merke nicht, dass er oft selbst zum Ideologen werde, sagen die Weggefährten von einst. Oliver Wendenkampf, der Mann mit dem BUND-Marienkäfer am Revers, freut sich jedenfalls, wenn Katzek als Elefant im Porzellanladen daherkommt. "Dass Jens die Bauern gegen sich hat, weil er sie zu spät informierte, war wirklich nett von ihm", sagt Wendenkampf. Denn ohne die Bauern werde die Gen-Tech-Lobby in Sachsen-Anhalt langfristig keinen Erfolg haben.
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