Musketier vom Weichselstrand

Polen im Irak Osteuropas Run auf die Neue Weltordnung

Noch herzhafter hätte die Antwort der Bush-Administration auf die kerneuropäische Selbstertüchtigung des Viererbundes (Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg) nach dem Pralinen-Gipfel von Brüssel kaum ausfallen können. Dass bei der Aufspaltung des Irak in Besatzungszonen die Republik Polen von den Amerikanern als Besatzungsmacht nominiert wird, zielt mehr auf die Teilung Europas als auf eine Befriedung des Kriegsschauplatzes. Auch andere aus der "Koalition der Willigen" empfehlen sich für vergleichbare Ehren, aber keiner garantiert einen solch gleißenden außenpolitischen Effekt, wie er dieser Mandatierung Warschaus eigen ist. Dabei fiel das polnische Engagement während des Irak-Feldzuges eher bescheiden aus. Lediglich eine 200 Mann starke Kommandoeinheit stand Briten und Amerikanern zur Seite, um Ölförderanlagen am Golf zu sichern. Doch auch wenn bisher kein einziger polnischer Soldat irakischen Boden betreten hätte, Polen wäre in den Augen der USA auf jeden Fall der osteuropäische Musketier mit dem größten atlantischen Pflichtgefühl.

Präsident Kwasniewski und Premier Miller ließen an ihrer ergebenen Treue zur Supermacht nie den Hauch eines Zweifels. Wird dieses Muster an Pro-Amerikanismus demnächst in die Union der Europäer implantiert, drängt sich der Eindruck auf, dass dank der Polen auch die Amerikaner mit am Brüsseler Ausziehtisch der 25 sitzen und dafür sorgen könnten, dass eine gemeinsame Sicherheitspolitik der EU nach jüngsten Schlägen in die Magengegend schön am Boden bleibt. Was US-Interessen zuwiderläuft, wird das EU-Mitglied Polen zu reklamieren wissen, auf dass die transatlantischen Brücken nicht in neuen Stürmen zu schwanken beginnen.

Einen solchen Pfahl im Fleisch haben sich die Alt- und Kerneuropäer mit ihrem unbändigen Erweiterungsdrang nach Osten nicht träumen lassen, aber redlich verdient. Sie glaubten an die Realität Europa, wo bestenfalls von einer Vision die Rede sein konnte. Doch in Zeiten Neuer Weltordnungen sind Visionen ein teurer Luxus. Zu teuer für eine Mehrheit der Osteuropäer, die das mehrheitlich schnell begriffen haben und ostentativ die Nähe zu den USA suchen. Deutschland und Frankreich sehen sich eingezwängt in das Korsett der Atlantiker aus den eigenen Reihen - vom Westen her zieht Großbritannien an den Schnüren, vom Osten her Polen, mit verhaltener Kraft Ungarn und mit vereinten Kräften das baltische Dreigestirn (auch Litauen will mit Truppen im Irak dabei sein). Je weiter der Irak-Krieg zurückliegt, desto tiefer und sichtbarer werden die Risse im europäischen Fundament. Man muss kein Prophet sein, um anzunehmen, dass mit der Koalition der Besatzer eines jener Ad-Hoc-Bündnisse Kontur gewinnt, die eine NATO bestenfalls noch als luftigen Baldachin brauchen.

Wenn etablierte EU-Mitglieder jetzt derart von forschen EU-Debütanten aus dem Osten düpiert werden, offenbart das einmal mehr, welche Zäsur die Aggression im Irak heraufbeschworen hat. Rasend schnell, fast über Nacht, bekommt das Europäische Haus antiquierte Züge und bleibt nur eine irrlichternde Erinnerung an eine Welt von gestern.

Polen lässt sich im Übrigen seine willige Kameradschaft mit Bush durch ein Rüstungsgeschenk honorieren, das in der Geschichte der NATO-Osterweiterung seinesgleichen sucht. Die polnische Luftwaffe erhält 48 Kampfjets des Typs F-16, deren Preis von 3,5 Milliarden Dollar durch eine Zusage von US-Firmen kompensiert wird, schon bis 2005 sechs Milliarden Dollar an Investitionen nach Polen fließen zu lassen. Außerdem werden die F-16-Maschinen zunächst mit einem Kredit der US-Regierung beglichen, dessen Tilgung erst 2011 (!) beginnen soll. Im Klartext: Der amerikanische Steuerzahler und das die US-Wirtschaft speisende Auslandskapital bezahlen Polens Aufrüstung. Dieser Verbündete muss George Bush einiges wert sein.

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