Bisher galten die Portugiesen als Musterknaben. Sie sparten so schön, ihr Haushaltsdefizit sank schneller als geplant. Im Juli herrschte eitel Freude bei den Troika-Gewaltigen, denn nach zweieinhalb Jahren der Rezession gab es endlich wieder Wachstum in Portugal. Zwar verbuchte man nur ein Plus von 1,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal, während die portugiesische Ökonomie im Jahresvergleich um zwei Prozent geschrumpft war, aber das tat dem amtlichen Jubel keinen Abbruch.
Nun aber hat das Verfassungsgericht der spareifrigen Mitte-Rechts-Exekutive in die Suppe gespuckt – zum zweiten Mal. Wie im April wurde ein Sparplan von Premier Passos Coelho, der 890 Millionen Euro umfasste, für verfassungswidrig erklärt – ein Schlag ins Kontor für die Kommissare der Troika. Die Regierung wollte, wie es das neoliberale Credo verlangt, den Staatsapparat gesundschrumpfen und Tausende von Beamten hinauswerfen. Sie sollten weniger verdienen, umgeschult und – falls sich keine neue Verwendung fand – entlassen werden. Das ging dem Gericht zu weit, obwohl es die Option begründeter Kündigungen für diese Klientel nicht ausschloss.
Passos Coelho muss nun nach anderen Wegen suchen, um kreditwürdig zu bleiben. Niemand in Portugal glaube, jetzt sei eine „Reform gescheitert“, wiegelt die FAZ ab und übersieht, dass die Portugiesen selbstverständlich das Recht haben, rechtswidrige Zumutungen der Troika abzuweisen, auch mit richterlicher Hilfe. Zumal Gehaltsschnitte und Massenentlassungen angesichts der Lage im Land heillos sind. Immerhin stieg die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau von gut 18 Prozent (unter 24-Jährige: 42 Prozent), sodass die Verarmung, allen vom Internationalen Währungsfonds frisierten Statistiken zum Trotz, über ein Drittel der Bevölkerung erfasst.
Die Regierung sieht sich nach dem Veto der Richter mit einer Sparlücke von 2,2 Milliarden Euro konfrontiert. Woher
nehmen, wenn sich die Bürger nichts mehr stehlen lassen
wollen? Passos Coelho weiß Rat und signalisiert der EU: Werde Sparwut durch höhere Gewalt gebremst, brauche er ein zweites Hilfspaket, oder es drohe der Staatsbankrott – das griechische Muster.
AUSGABE
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 36/13 vom 05.09.2013
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