Mut zum großen Wagnis

USA Der American Rescue Plan zeigt vielen im Land: Die Regierung ist ihr Freund, nicht der Teufel
Ausgabe 11/2021
Nach nicht einmal 100 Tagen im Amt weckt der Präsident bei vielen US-Amerikanern Hoffnung, auch dank üppiger Konjunkturprogramme
Nach nicht einmal 100 Tagen im Amt weckt der Präsident bei vielen US-Amerikanern Hoffnung, auch dank üppiger Konjunkturprogramme

Foto: Oliver Contreras/Pool/Getty Images

Das häufig überstrapazierte „historisch“ trifft zu auf Joe Bidens 1,9-Billionen-Dollar-Corona-Paket. Auch Paradigmenwechsel, ein vom Präsidenten selbst gebrauchter Begriff, ist nicht falsch. Was der US-Kongress beschlossen hat ohne eine einzige Stimme der republikanischen Opposition, verbessert das Leben von vielen Millionen binnen kurzer Zeit. Familien mit Kindern bekommen de facto ein gesichertes Grundeinkommen, wie es „üblich ist in anderen reichen Ländern“, so ein Kommentar in der New York Times. Ein Bernie-Sanders-Zitat bietet sich an: Der „Amerikanische Rettungsplan“, wie Bidens Konzept heißt, sei „das bedeutendste Gesetz zugunsten arbeitender Menschen in der modernen Geschichte dieser Nation“. Ein Rückgang der Kinderarmut um die Hälfte und der Armutsrate um beinahe ein Drittel scheint möglich. Biden hat seinen Ex-Rivalen namentlich erwähnt nach der Unterzeichnung: Sanders’ Lob für den „transformativen Inhalt“ habe viele demokratische Abgeordnete zum Ja bewogen.

In Schlagzeilen liest man vornehmlich von den 1.400 Dollar, die US-Amerikaner mit Jahreseinkommen von weniger als 75.000 Dollar bekommen, also die meisten. Weitergehendes steckt in der Reform des Child Tax Credit, einer Steuerbegünstigung für Eltern. Bisher lag die im Jahr bei maximal 2.000 Dollar pro Kind. Der Rettungsplan erhöht auf bis zu 3.600. Wer zu wenig versteuerbares Einkommen hat, bekommt das Geld ausgezahlt.

Vieles mehr ist in dem Paket. Die wegen der Pandemie erhöhte Arbeitslosenhilfe bleibt vorläufig erhalten. Impf- und Gesundheitsprogramme werden mit 176 Milliarden Dollar finanziert. 350 Milliarden fließen an Bundesstaaten und Kommunen, um Corona-bedingte Auslagen zu decken. 178 Milliarden flankieren das Eröffnen der Schulen. 25 Milliarden sollen Restaurants helfen. Manche Mieter bekommen Zuschüsse. Es gab die üblichen Vorbehalte der Republikaner. Zu viel Geld. Das Defizit! Die Empfänger würden gar nicht mehr arbeiten gehen wollen. Statt 1,9 Billionen Dollar schlug eine republikanische Arbeitsgruppe 618 Milliarden vor. Biden sagte Nein. Er dürfte sich an das Hickhack 2009 bei Barack Obamas Konjunkturprogramm zur Finanzkrise erinnert haben, als die Demokraten Zugeständnisse machten und später von Wählern abgestraft wurden.

Beim jetzigen Hilfspaket drängen sich Vergleiche mit dem demokratischen Präsidenten Franklin Roosevelt auf, der in den 1930er Jahren die wirtschaftliche Depression eindämmen wollte. Damals wie heute sind viele Maßnahmen zeitlich begrenzt. Ein Grundeinkommen für Familien müsste ein weiteres Gesetz regeln, auch hat es der 15-Dollar-Mindestlohn nicht ins Rettungsgesetz geschafft. Eine Steuerreform steht an, ebenso ein Wahlrechtsgesetz, das die in republikanisch regierten Staaten geplanten Restriktionen stoppen soll.

US-Bürger aus den unteren und mittleren Einkommensgruppen erfahren auf ihren Bankkonten, dass die Regierung ein „Freund“ sein kann und nicht der an die Wand gemalte Teufel. Als Nächstes wird Bidens Infrastrukturprojekt erwartet. Nach nicht einmal 100 Tagen im Amt weckt der Präsident bei vielen Hoffnung. Bereits elf Prozent der Bevölkerung waren zuletzt vollständig geimpft gegen das Coronavirus. 21 Prozent oder 70 Millionen Amerikaner hatten mindestens eine Dosis erhalten.

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