Mutmaßungen über Lia

Identität als Mosaik Christina Viraghs kunstvoll verschlungene Geschichte eines Verschwindens: »Pilatus«
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Von Pontius Pilatus, dem Statthalter römischer Macht, der einst das Todesurteil über einen gewissen Jesus von Nazareth legitimierte, ist ein schauderhaftes Ende überliefert. Als Exilant in der Innerschweiz, so berichtet eine der zahlreichen Pilatussagen, soll er Suizid begangen haben, indem er sich in den Vierwaldstätter See stürzte. Dieses Zeichen des Unglücks hat sich in die Geschichte des nach Pilatus benannten Berges eingeschrieben, den die in Rom lebende Schriftstellerin Christina Viragh als Schauplatz ihres vierten Romans gewählt hat. An einem Oktobertag verschwindet hier die Protagonistin des Buches auf unerklärliche Weise »unterhalb der Granitzinnen des Pilatus«, nachdem sie mit ihrer Tochter Jolan zu einem seltsam ziellosen Bergaus