Nach knapp sechs Jahren ist die revidierte "Wehrmachtsausstellung" wieder in München. Keine Schlangestehen mehr, doch sehr gut besucht. Demonstrationen der Rechten sind an allen Orten, mehr oder weniger große, auf der Tagesordnung, so auch am letzten Samstag. Keine besonderen Vorkommnisse, bis auf einige Gewahrsamnahmen. Die Gerichte hatten strenge Auflagen erteilt. An einigen Ausstellungsorten haben die Konservativen noch nicht kapiert, dass die neukonzipierte "Wehrmachtsausstellung" vielleicht nicht an Brisanz, aber an geschichtspolitischer Gefährlichkeit verloren hat. Sogar die Münchner CSU hat, im Gegensatz zu 1996/97 als sie den Politskandal maßgeblich beförderte, nun gemeinsam mit der Stadtratsmehrheit aus SPD und Grünen einer Resolution zugestimmt,
mt, in der es heißt: "Mitschuld von Teilen der Wehrmacht, vor allem der Führung, an Verbrechen des Nationalsozialismus kann und darf nicht geleugnet werden." Das heißt, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur Neueröffnung in Berlin im November 2001 erleichtert titelte: "Die Wehrmacht war keine Mörderbande", mit der Folge, dass die Wehrmachtssoldaten doch "ehrenhaft", "pflichtbewusst" ihren Dienst an der Waffe erfüllt haben?Zahlreich waren die alten Kameraden der Wehrmacht und der Bundeswehr zur Münchener Podiumsdiskussion "Mythos Wehrmacht" erschienen, um "Ihren" Oberst a.D., ehemaliger Chef des Stabes Wehrbereichskommando VI/1, Gebirgsdivision zu unterstützen. Die Bundeswehr fühlte sich bei diesem Thema - wie es in einer Nachricht des Presse- und Informationsstabes hieß - allerdings nicht angesprochen. Sie stehe, heißt es da, "nicht in der Tradition der Wehrmacht". Sie betrachte sich "vielmehr als eine Neuschöpfung des demokratischen Nachkriegsdeutschlands, die keine institutionellen Bindungen zur Wehrmacht pflegt".Abgesehen davon, dass man dann auch völlig ungezwungen die Sicht "der" Bundeswehr in die Diskussion hätte einbringen können, ist spürbar, wie heikel die "Angelegenheit" immer noch ist. Und das, obwohl die neue Ausstellung die historiographischen Koordinaten neu vermessen hat: Das zentrale Thema der Ausstellung ist nicht mehr der Anteil der Wehrmacht am Judenmord - ungefähr ein Drittel der europäischen Juden ist nicht in den Vernichtungslagern ermordet worden, sondern von SS, Wehrmacht, Polizeieinheiten und kollaborierenden Hilfstruppen. Die Verantwortung für diese Verbrechen wird der Wehrmachtsführung zur Last gelegt, was leichter akzeptiert werden kann, weil es Distanz zwischen Täterschaft und eigenem Erleben in der Wehrmacht schafft. Und das "Verschwinden der Täter" aus dem Bild sollte entschärfen, was 1995 zugespitzt als Frage in den Raum der Deutschen gestellt worden war: "Vater, wo warst du?"Die Kampagne gegen die erste "Wehrmachtsausstellung", gegen Jan Philipp Reemtsma und Hannes Heer brachte noch in einer anderen Weise eine Revision: Der historisch eindeutig belegbare Bezug des Fortwirkens von Wehrmachtstraditionen nach 1945 beim Aufbau einer westdeutschen Armee und der späteren Bundeswehr, der mit der Legende von der "sauberen Wehrmacht" angesprochen war, ist nicht mehr zu finden. Die neue "Wehrmachtsausstellung" endet mit der "Stunde Null" - auch wenn sie die Auseinandersetzung ihrer Vorgängerin ausschnitthaft darstellt. In eine erneute Wehrmachtsdebatte durfte keinesfalls die Bundeswehr hineingezogen werden. Womit wir Zeitzeuge des wahrhaft makabren Schauspiels werden, die Bundeswehr habe nichts mit Wehrmachtstraditionen zu tun und schon gar nichts mit der Legende von der "sauberen Wehrmacht". Gegen diese erneute Tabuisierung sprechen historische Fakten. Beim Aufbau der Bundeswehr ahnte niemand etwas davon, dass die neue westdeutsche Armee einem Plan folgte, der nicht nur auf personelle Kontinuität zur Wehrmacht setzte, sondern auch auf den Traditionalismus, der die Demokratie eigentlich widerwillig hinnahm, weil es gerade nicht anders ging. Bis heute wirken falsche Vorbilder in der Militärgeschichte fort, tragen Kasernen Namen von Generalen und Offizieren, die nicht von unbelasteter Vergangenheit zeugen, militärische Leistungen aber mythisieren, wird von Wehrbeauftragten der Stand der politischen Bildung in der Bundeswehr als bedenklich kritisiert. Der Mythos Wehrmacht wirkt nicht nur fort über Kontinuitäten und Traditionen, sondern er hat auch ein neues Gesicht im Neotraditionalismus, der in der Bundeswehr heute gepflegt wird. Doch mit dieser Thematik hat die neukonzipierte "Wehrmachtsausstellung" nichts mehr zu tun. Sie zeigt ein Geschichtsbild, mit dem die Berliner Republik gut leben kann.