Nach Aust

Linksbündig "Spiegel" - neuer Chef gleich altes "Leitmedium"?

Mathias Müller von Blumencron wird es nicht, Gabor Steingart ebenfalls nicht, auch Thomas Kleine-Brockhoff und Giovanni di Lorenzo werden wohl nicht Nachfolger von Stefan Aust beim Spiegel. Es gilt die alte Regel, dass zuerst genannte Namen nicht in Frage kommen, ja, dass sie nur ausgerufen werden, um die Verhandlungen mit den ernst gemeinten Nachfolgekandidaten ungestörter verlaufen zu lassen.

Stefan Aust, dem noch amtierenden Spiegel-Chefredakteur wurde jüngst mitgeteilt, dass sein bis Ende 2008 laufender Vertrag nicht mehr verlängert wird. Nun ist beim Hamburger Nachrichtenmagazin allerlei unklar. Nicht nur, wer Aust folgt, weiß keiner. Auch, ob Austs Tätigkeit für den Spiegel wirklich erst im Dezember 2008 endet, kann niemand sagen. Vielleicht setzt er sich in den anstehenden Machtkämpfen durch und bleibt noch länger im Amt.

Die Personalie Aust steht zunächst für den ungewöhnlichen Umstand, dass die Gesellschafter eines Verlags den Chefredakteur feuern möchten, obwohl der es geschafft hat, gegen den Branchentrend die Auflage und die Anzeigenerlöse hochzuhalten. Die Entlassung Austs, wenn sie denn eine solche wäre, stünde für den Willen der Gesellschafter, deren Mehrheit die Mitarbeiter KG bildet, aus dem Spiegel wieder das deutsche "Leitmedium" zu machen.

Aber die Entlassung ist eben keine Entlassung, sie ist die Nichtverlängerung eines Vertrages, der noch 13 Monate läuft. Der Machtkampf, der nun eröffnet wird, ist also erstmal auf 13 Monate beziehungsweise auf über 50 Spiegel-Ausgaben angesetzt. Solange könnte Aust, wenn er denn wollte, beweisen, dass er das doch kann, was seine Kritiker gerne hätten: Wichtige Themen gut recherchiert so im Blatt zu präsentieren, dass danach ganz Deutschland darüber spricht.

Aust wird kaum wollen, schließlich hat er 13 Jahre lang nicht gewollt, aber 13 Jahre lang die Auflage an der Millionengrenze gehalten. Ein Nachfolger Austs hingegen muss wohl versuchen, aus dem Spiegel dieses ominöse "Leitmedium" zu machen, von dem Franziska Augstein, die Tochter des Blattgründers Rudolf Augstein, schon vor Jahren sprach und das, leider, leider, mittlerweile die "Süddeutsche Zeitung" sei.

Doch das wird auch Austs Nachfolger vermutlich nicht gelingen. Und zwar nicht, wie die Frankfurter Allgemeine vermutet, weil es in Deutschland kein Leitmedium mehr geben könne, denn die Zeit der sensationellen, enthüllenden Recherchen sei vorbei. Es gelingt vielmehr nicht, weil dieser neue Chefredakteur der Nachfolger von Stefan Aust wird, Nachfolger eines wirtschaftlich erfolgreichen Blattmachers also.

Dass der Spiegel in der Vor-Aust-Ära, wie es manches getrübte Gedächtnis möchte, einmal ein linkes Blatt gewesen wäre, lässt sich auch bei großem Wohlwollen nicht behaupten. Dass er aber einmal für gut recherchierte Geschichten stand, die neben den Gehältern auch das soziale Renommee der Redakteure anwachsen ließen, ist jedoch richtig. Und dass Aust nicht mehr für dieses Renommee stand auch. Aust setzte inhaltlich auf eine neue Beliebigkeit und bediente sich dabei formal paternalistischer Methoden: der herrische Chefredakteur, dessen Interessen von RAF bis Pferdesport reichen und der eine Geschichte über die Vorteile der Windkraft kippt, weil er die hässlichen Masten nicht rund um seinen Pferdehof stehen haben möchte.

Dass der Spiegel in der wohl irgendwann beginnenden Nach-Aust-Zeit ein besseres, womöglich gar kritisches Blatt würde, braucht man nicht zu erwarten. Er wird wohl ein moderner, also weniger herrisch und autoritär geführtes Blatt. Gewiss gelänge es einem wie auch immer heißenden Aust-Nachfolger, die eine oder andere große Geschichte zu platzieren, vielleicht sogar eine, über die ganz Deutschland spricht. Aber das wäre kein Garant für hohe Auflagen. Dass nämlich in Deutschland mit gutem Journalismus und kritischer Haltung nicht unbedingt Traumauflagen gemacht werden, das weiß nicht nur Stefan Aust.

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