Nach der Dürre die Sintflut

Entwurzelt Die Überschwemmungen im Westen und Osten Afrikas zerstören die Existenz ganzer Regionen

Von Senegal im Westen bis Kenia im Osten Afrikas hört der Regen nicht auf. Wie ein Gürtel zieht sich die Wasserkatastrophe quer über den Kontinent - von Mauretanien über Nigeria und Tschad bis nach Äthiopien und Kenia. Die alljährliche Regenzeit, dringend nötig für die Landwirtschaft, erweist sich 2007 nicht als Segen, sondern als Fluch.

Erneut geht ein Spendenaufruf um die Welt, und erneut muss er aus Afrika kommen. Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen wegen der Überschwemmungen 1,5 Millionen Menschen dringend Nahrungsmittelhilfe, mehr als 600.000 sind obdachlos, 250 ums Leben gekommen. Diese Zahlen müssen freilich eine grobe Schätzung bleiben, da viele Gegenden von der Außenwelt abgeschnitten sind und nur mit Hubschraubern erreicht werden können, die kaum verfügbar sind. Ein Kontinent, der sich zum größten Teil von Subsistenz-Landwirtschaft ernährt, ist wieder einmal an seiner empfindlichsten Stelle getroffen.

Vom westlichen bis zum östlichen Ende Afrikas suchen entwurzelte Dorfbewohner in höher gelegenen Gegenden Schutz in Schulen, Kirchen und unter Plastikplanen. Schulkinder waten mit ihren Büchern auf den Köpfen durch überschwemmte Felder, Tierkadaver schwimmen in Flüssen, die einmal Pisten und Wege waren. Erwachsene suchen in den schlammigen Überresten ihrer Häuser nach vermissten Familienmitgliedern. Mit dem Zusammenbruch von Trinkwasser- und Sanitäranlagen wächst die Gefahr von Cholera, Durchfall, Atemwegserkrankungen und Malaria rapide.

In Westafrika zählen Burkina Faso, Ghana, Mali, Mauretanien, Nigeria und Togo zu den am schwersten betroffenen Ländern. Hervorzuheben ist der Norden Ghanas, wo der Fluss White Volta nach Tagen sintflutartiger Regenfälle sein Bett durchbrochen und weite Flächen Ackerlands überschwemmt hat - und das kurz vor der Ernte. Dieselben Bauern, deren Felder nun unter Wasser stehen, hatten noch vor wenigen Wochen unter Trockenheit zu leiden hatten.

Im Osten des Kontinents befindet sich besonders Uganda in einer prekären Lage. Die Regierung in Kampala gibt an, dass mindestens 300.000 Menschen im Osten und Norden des Landes, in der Mehrheit Frauen und Kinder, dringend Hilfe benötigen, nachdem die Überschwemmungen Straßen, Brücken, Häuser und Ernten vernichtet haben. Die UNO spricht mit Blick auf Uganda von den schlimmsten Regenfällen seit 35 Jahren. Bei vielen der Betroffenen handelt es sich um so genannte Binnenflüchtlinge, die der seit 1986 köchelnde Krieg zwischen der Regierungsarmee und der Rebellenbewegung Lord´s Resistance Army (Widerstandsarmee des Herrn) entwurzelt hat. Andere wiederum waren gerade erst aus Flüchtlingscamps in ihre Dörfer zurückgekehrt, als der Regen kam. Auch im Osten des Tschad verstärkt die Naturkatastrophe eine Flüchtlingstragödie: Die Wasserflut erschwert es zusehends, Zehntausenden von Flüchtlingen aus dem sudanesischen Darfur die unverzichtbare Hilfe zu geben.

Laut Wettervorhersage könnten die Niederschläge nicht nur bis November andauern, sondern noch heftiger werden.

Eine direkte Verbindung zwischen einem einzelnen Wetterereignis und dem vieldiskutierten Klimawandel will Louis Verchot indes nicht ziehen. Der Wissenschaftler ist Leiter des Klima-Programms beim Internationalen Forschungszentrum für Feldforstwirtschaft (ICRAF) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. "Eine stärkere Variabilität des Niederschlags ist etwas, das wir von einem Klimawandel erwarten würden", sagt er vorsichtig. "Historische Aufzeichnungen zeigen, dass Regenfälle in Ostafrika während des vergangenen Jahrhunderts zugenommen haben. Kenia, Uganda und Tansania scheinen also feuchter zu werden."

Während es in Afrika weiter regnet, haben sich die 190 Unterzeichnerstaaten des Montreal-Protokolls am 22. September in Kanada darauf geeinigt, die Produktion von teilhalogeniertem FluorChlorKohlenwasserstoff (H-FCKW) schneller als ursprünglich geplant einzufrieren beziehungsweise abzuschaffen. Die Substanz gilt als Mitverursacher der globalen Erwärmung. Vor 20 Jahren wurde das Montreal-Abkommen zum Abschluss gebracht, um die Ozonschicht der Erde vor bestimmten chemischen Stoffen zu schützen. Der neue Beschluss sieht nun vor, dass die Herstellung von H-FCKW bis 2013 auf dem Niveau von 2010 eingefroren werden soll. Entwickelte Länder sollen darüber hinaus die Produktion bis 2020 und damit zehn Jahre früher als geplant einstellen; Entwicklungsländern wird eine Frist bis 2030 eingeräumt.


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