Nach der Schlacht

KOMMENTAR Mannesmann ist nur der Anfang

Unmittelbar verändert sich wenig, und doch könnte dieser spezielle Fall langfristig das Land verändern. Auch wenn 0172 nicht deutsch bleibt, der Name Mannesmann verschwindet und der neue Konzern aus England gesteuert wird, die direkten Folgen sind minimal. Die teuerste Übernahmeschlacht der Geschichte kennt deshalb im Moment nur Sieger. Vodafone hat gewonnen, der Vorstand des Konkurrenten auch, weil er für seine Aktionäre alles herausgeholt hat. Und selbst die Beschäftigten haben wenig zu befürchten. Deshalb konnte auch der im Mannesmann-Aufsichtsrat vertretene IG Metall-Chef Klaus Zwickel dem Deal schließlich zustimmen. Ende der nationalistisch gefärbten Rhetorik? Alles total normal?

Ganz so unspektakulär ist der Fall Mannesmann nicht. Dass erstmals ein deutscher Großkonzern, noch dazu einer der erfolgreichsten, zum Fusionsobjekt wurde, wird auch hierzulande das Verhalten von Unternehmensvorständen nachhaltig verändern. Nicht nur in Absichtserklärungen für Analysten, sondern in kräftigen Taten entwickelt sich künftig die Börsenkapitalisierung, der gehandelte Unternehmenswert, zur strategischen Größe, die ständig zu pflegen ist, wenn man sich verteidigen oder selbst Angriffe starten will. Bisher sind viele deutsche Konzerne, die im internationalen Vergleich unterbewertet sind und somit Übernahmekandidaten wären, noch durch die großen Aktienpakete vor allem von Banken und Versicherungen geschützt. Dieser künstliche Zaun wird ab 2001 durchlässig, wenn Kapitalgesellschaften ihre Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften steuerfrei veräußern dürfen. Die normative Kraft des Faktischen, die von den Mobilfunkern ausgeht, ergänzt somit auf wundersame Weise die rot-grüne Steuerbotschaft: entflechten, neu ordnen, frischer Wind für die verkrustete deutsche Unternehmenslandschaft. Vorstände werden nolens volens selbstständiger und kursbewusster handeln. Wer aber den Unternehmenswert nachhaltig steigern will, muss die Gewinne um 50, 100, besser 200 Prozent steigern, sich von alten Produktlinien trennen und mit Innovationen in Wachstumsbranchen etablieren. Ein solcher strikt renditeorientierter Strukturwandel nach angelsächsischen Muster aber kollidiert frontal mit den kooperativen Beziehungen, die das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit in Deutschland immer noch prägen. Wie wär's, wenn Gewerkschaften mal darüber nachdenken, wie sie dieses Dilemma der Unternehmen für neue Formen der Interessenvertretung nutzen statt immer nur Arbeitsplätze zu verteidigen, die auf Dauer nicht haltbar sind? Wie wär's, wenn Reformparteien den Verlierern des Strukturwandels verlässliche, einklagbare Bildungsangebote und auf dieser Basis neue Jobperspektiven unterbreiten statt die Betroffenen nur sozialstaatlich zu verwalten? Wie wär's, wenn die Linke mal ihr kulturelles und wissenschaftliches Potenzial nutzt, um in den Zukunftsbranchen auch unternehmerisch kräftig mitzumischen? Ideen, Wissen, Geist - diesen Rohstoff der neuen Gesellschaft muss man nicht den Plusmachern überlassen.

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