Nach New Labour: New Feminism?

FRAUEN / FEMINISMUS Die britische Autorin und Journalistin Melissa Benn über Feminismus auf einer Insel, die neuerdings politisch Trendsetter ist

FREITAG: »New Labour«, proklamiert Tony Blair, entrümpelt »Labour« vom lästigen sozialen Gewissen und macht den Blick frei für die individuelle Karriere. Tritt der »New Feminism«, der im vergangenen Jahr plötzlich in den britischen Medien auftauchte, in die gleichen Fußstapfen? Hat der jung-dynamische Modernisierer auch die Feministinnen im Griff?

MELISSA BENN: Die Diskussion um den »New Feminism« hängt zusammen mit dem gleichnamigen Buch von Natasha Walter, das Anfang 1998 herauskam. »New Feminism« steht dort für eine jüngere Generation von Frauen, die sich dem Postfeminismus zurechnen und noch einen Schritt weiter gehen wollen. Das Buch löste allerdings eher eine Debatte aus, als daß es sie reflektierte. Kurz gesagt: Es hat den gleichen Duktus wie die Blair-Reden. Frauen seien auf dem richtigen Weg. Sie sollten stolz sein auf das Erreichte. Vor allem aber argumentiert die Autorin, es müsse Schluß sein mit dem Ineinssetzen von Persönlichem und Politischem. Natasha Walter vollzieht damit eine radikale Abkehr vom Feminismus der sechziger und siebziger Jahre. Was eine Frau anziehe, ob sie im Alltag fürs Kaffeekochen zuständig sei, ihre Rolle in der Sexualität - all das sei allein ihre Sache. Da solle niemand 'reinreden. Stattdessen sollten Frauen sich auf den öffentlichen Bereich konzentrieren. Der »New Feminism« spaltet das Privatleben vom sozialen und öffentlichen Leben ab. Damit gibt er die zentrale Neuerung des Feminismus auf.

Wir sollten allerdings den Einfluß des »New Feminism« nicht überschätzen. Oft stürzt sich die gesamte Medienlandschaft beim Erscheinen eines Buchs auf das vermeintlich attraktive Neue. Dabei wußte er oder sie sich nur gut zu verkaufen.

Aber irgendeinen Nerv hat das Buch doch getroffen?

Ja, plötzlich hieß es, das Buch drücke aus, was junge Frauen fühlten. Und es teilt mit »New Labour« den Bruch zwischen dem Privaten und dem Politischen. Dennoch würden die beiden sich nicht unbedingt als Verbündete betrachten. Inzwischen ist übrigens auch ein neues Buch von Germaine Greer auf dem Markt, The whole woman. Greer behauptet darin das Gegenteil von Walters, nämlich daß Frauen weiterhin Sklavinnen seien, von Männern gehaßt würden et cetera.

Sie selbst haben auch mit einem Buch in die Debatte eingegriffen.

Ja, es heißt Madonna and Child. Towards a new politics of motherhood. Ich schreibe darin über Frauen, die mit Mitte oder Ende dreißig erstmals Kinder bekommen.

In Deutschland löste der Feminismus der sogenannten »neuen Mütter« vor Jahren erhebliche Polemik aus. Deren »Müttermanifest« sah die Mutterschaft als einen ganz besonderen Wert ...

... ich würde dieses Zelebrieren der Mutterschaft kulturellen Feminismus nennen. Darum geht es mir allerdings nicht. Ich befasse mich mit dem Thema, wie Frauen wirtschaftlich und beruflich vorankommen, Macht erlangen und gleichzeitig gute und präsente Eltern sein können. Auch das ist schließlich ein Aspekt des Zusammenwirkens von Privatem und Politischem. Diese Debatte wird heute von Frauen geführt, die das Kinderkriegen wegen ihres Berufs hinausgezögert haben und jetzt feststellen, daß sie auch heute noch nicht beides gleichzeitig »gut« machen können. Wobei das Problem eher von der Gesellschaft als von der Mutter verursacht wird.

Blairs Frauenministerin ist eine Baronin. Wieviel soziales Bewußtsein hat die britische Regierung in Bezug auf Frauen?

Baroness Jay ist Nachfolgerin von Harriet Harman, einer ausgewiesenen Feministin, die relativ schnell den Hut nehmen mußte. Als Baroness Jay ernannt wurde, sagte sie ausdrücklich, sie sei keine Feministin, was ziemlich seltsam ist für eine Frauenministerin. Sie gehört zur Labour-Aristokratie. Ihr Vater, James Callaghan, war in den siebziger Jahren Premierminister. Sie selbst ist gleichzeitig Leader of the government of the House of Lords. Ich würde sie als sehr »patrizische« Politikerin bezeichnen. Eine außergewöhnlich privilegierte Frau. Ich bezweifle, daß viele Frauen, die solche Privilegien genießen wie Baroness Jay, in der Lage sind zu verstehen, was die Mehrheit der britischen Frauen will.

Hat die Blair-Regierung frauenpolitisch Erfolge vorzuweisen?

Ja, im ersten Jahr sicherlich. Bei der Kinderbetreuung und Unterstützung von Eltern ist zunächst einmal viel geschehen. Zudem wurden viele Frauen gewählt, die sich für Frauen einsetzen. Da schienen sich spannende Perspektiven zu eröffnen, gerade auch in feministischer Hinsicht. Manche Leute sagen, Blair habe mehr für Frauen getan als irgendeine Regierung vor ihm. Da ist etwas dran. Aber alle Maßnahmen konzentrieren sich nur darauf, Frauen in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Beide Elternteile sollen sich als Individuen auf dem Arbeitsmarkt behaupten. Nur das steht letztlich hinter den Angeboten für Kinderbetreuung. Es geht darum, möglichst viele Erziehende aus der Liste der Unterstützungsberechtigten streichen zu können. Nicht etwa darum, das Familienleben angenehmer zu machen oder Frauen die Wahl zu geben, sich für einen Beruf zu entscheiden. Alle sollen fit für das Erwerbsleben werden. Egal, ob es sich dabei um miese Jobs handelt. Wenn man genauer hinsieht, sind es nämlich Niedriglohnjobs in irgendwelchen Dienstleistungsbereichen, in die Blair heute die Frauen hineinstecken will. Der Feminismus trat mit anderen Ideen an. Da ging es nicht darum, irgendwo zu kellnern, um zu überleben, sondern unter anderem auch um weibliche Selbstverwirklichung, eine andere Gesellschaft. Deswegen zeichnet sich jetzt ab, daß Feminismus und Blairismus allmählich wieder sichtbar auseinanderrücken. Dies geht primär zurück auf die Älteren, die Feministinnen der 70er Jahre, die immer irgendwie am Ball geblieben sind und nun wieder in die Gruppen zurückkehren. Bei der jüngeren Generation ist Feminismus eher eine diffuse Idee. Junge Frauen haben weniger mit einer feministischen Kultur zu tun, sind individualistischer.

Blair war in Europa der wohl heftigste und unerbittlichste Befürworter des Kosovo-Kriegs. Haben Feministinnen in Großbritannien dazu Stellung genommen?

Interessanterweise nicht. Und soweit ich die Lage in den USA überblicke, auch dort nicht, obwohl bei uns wie in den USA die Linke durchaus Position ergriffen hat. Überhaupt habe ich den Eindruck, daß Feministinnen nirgendwo laut interveniert hätten. Ich kann mir das eigentlich nicht schlüssig erklären.

Das Gespräch führte Gaby Küppers

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