Nackenmassage und Eiertanz

Merkel bei Bush Viel Einigkeit über die Weite der texanischen Landschaft

George Bush hat ein gutes Verhältnis zu Frauen. In ihrer Nähe fühlt er sich besonders wohl und sicher. Er scheint überzeugt, dass ihn umgekehrt Frauen mögen und ein Gebaren tolerieren, das man normalerweise von einem Staatschef nicht erwartet - sich etwa an ein weibliches Regierungsoberhaupt, das man zuvor höchstens dreimal getroffen hat, bei einem Gipfeltreffen von hinten heranzuschleichen und überfallartig mit einer nicht abgesprochenen Nackenmassage zu beglücken. Unter Psychologen nennt man das "Grenzverletzung", und eigentlich gehört ein Mensch, der so etwas tut, in eine Therapiegruppe.

George Bush ist natürlich nach wie vor Präsident, wenn auch inzwischen in einer wenig beneidenswerten Lage. Verstrickt in einen von ihm begonnenen Krieg, den gut zwei Drittel der eigenen Bevölkerung inklusive des Militärs so schnell wie möglich beenden wollen. Von einigen Historikern als vermutlich schlechtester Präsident bezeichnet, den die USA in ihrer über 230-jährigen Geschichte je hatten, bleibt ihm nichts weiter übrig, als den Rest seiner Amtszeit damit zu verbringen, möglichst keinen weiteren Schaden anzurichten, damit die Republikaner bei den Wahlen 2008 so wenig Schaden wie möglich nehmen. In der politischen Sprache der USA nennt man das "a lame duck" - eine lahme Ente.

Da ist jeder Zuspruch willkommen, weshalb der Merkel-Besuch auf Bushs Farm in Crawford/Texas vorrangig unter der Rubrik persönliche Barmherzigkeit zu verbuchen wäre. Die Einladung gab es schon lange, und die Kanzlerin fand wohl, dass sich ein knappes Jahr vor der US-Präsidentenwahl ein geeigneter Zeitpunkt fand, Bush diesen Gefallen zu tun, ohne in Verdacht zu geraten, zugunsten der Republikaner in den Wahlkampf eingreifen zu wollen. Das wäre wenig ratsam angesichts eines möglichen Sieges der Demokraten und eines Politikwechsel, der so oder so kommen muss.

So hat Frau Merkel auf der Ranch die plumpen Schmeicheleien ihres Gastgebers mit unbewegtem Gesicht ertragen und bei ihren Statements wirklich Positives nur über die "Weite" der texanischen Landschaft geäußert. Man wertet es allenthalben als ihren Erfolg, dass George Bush mit Blick auf den Iran nicht weiter ungerührt von einem denkbaren "Dritten Weltkrieg" gesprochen, sondern eine "diplomatische Beilegung des Atomstreits" (was für ein blöder Euphemismus für den unbeirrten Versuch, in einem fremden Land um jeden Preis einen politischen Umsturz herbeizuführen!) mit Teheran in Aussicht gestellt hat.

Wirklich ein "Erfolg"? Tatsächlich wurde kein einziges der im wesentlichen von den USA zu verantwortenden Weltprobleme auch nur ansatzweise einer Lösung näher gebracht. Insofern sollte man Merkel eines nicht durchgehen lassen: Das progressive Amerika hoffte wieder einmal vergebens, dass "die Europäer" - in diesem Fall die Deutschen - es wagen könnten, demonstrative Zeichen von Kritik und Kooperationsverweigerung mit einer aggressiven US-Politik zu setzen. Merkel hielt es stattdessen für angebracht, ihre nachhaltige Verbundenheit mit Bush zu zelebrieren, auch wenn sie bemüht blieb, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Die Süddeutsche Zeitung erkennt darin "ein kompliziertes Spiel zwischen Nähe und Distanz". Offenbar ist das staatsfraulich. Man könnte es auch als überflüssigen Eiertanz bezeichnen. Die Zeiten, da Westeuropa befürchten musste, der Himmel würde einstürzen, falls der große Bruder erzürnt wird, sind längst vorbei. Die zurückliegenden vier Jahre seit dem Irak-Feldzug haben gezeigt, dass es dringend geboten ist, allein der Nahost-Politik des Verbündeten Nr. 1 so klar wie möglich zu widersprechen. Wozu soll die angestrebte EU-Großmacht sonst gut sein, wenn nicht dazu, den amerikanischen Freunden gelegentlich einen wirklichen Freundschaftsdienst zu erweisen?

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