Sicherheitsorgane, Abstauben von Polizeimonturen oder als stumme Vermittler in brenzligen Situationen. Beim G8-Protest 2007 in Heiligendamm bezichtigte die zornig gewordene Polizei Clowns, eine säureartige Substanz verspritzt zu haben – ohne Beweise. Tobias PrüwerCCoulrophobie Man mag es kaum glauben, aber es gibt tatsächlich eine zwanghafte Angst vor Clowns: die sogenannte Coulrophobie. Von Betroffenen wird sie als panische Angst vor unmenschlich geschminkten Gesichtern und starren puppenhaften Larven beschrieben. Wissenschaftlich dezidiert erfasst ist diese Krankheit – sofern sie klinisch gesehen wirklich existiert – jedoch noch nicht. Naturgemäß sind auch die Ursachen für die Störung nicht klar. Traumatische Zirkusbesuche werden herangezogen, und womöglich ist ja auch Pogo der Clown (➝Killer) mitverantwortlich. Nur war der Clown an sich noch nie nur ein friedensliebender Grimassenschneider. Vielen gilt das Horrorgenre als Ursprungsort der Phobie. Und für dieses war Pennywise stilprägend, jener todbringende Clown aus Stephen Kings Roman Es. Orangefarbenes Haar und Silberdollar statt Augen sind die Markenzeichen dieser Luftballon offerierenden Manifestation des Bösen, die die Kinder holt.Handfest, aggressiv und verstörend zeigten sich im Oktober 2011 auch zwei Clowns bei einem Volksfest in Nürnberg. Bei einem Streit um den besten Standplatz schlug einer der beiden Kostümierten dem anderen mit der Faust die Nase blutig. Neben Körperverletzung ermittelte die Polizei wegen Diebstahls: Der Sieger des Duells klaute dem anderen auch noch die Luftballons. Von Schocks bei den Umstehenden wurde nichts berichtet. TPEEcho Steinbrücks „Clowns”-Äußerungen lösten in Italien scharfen Protest aus. Sie seien „arrogant und politisch wenig intelligent“. Der deutsche Kanzlerkandidat habe damit die italienischen Wähler „in schwachköpfiger Weise“ behandelt, schimpfte Komiker Beppe Grillo, einer der Adressaten. Der Mann verstand wohl nicht, dass er gerade ein Kompliment bekommen hatte. Also hat ihm das ein Literatur-Nobelpreisträger erklärt. Dario Fo sagte einem Fernsehsender auf die Frage, was er über Steinbrücks Worte denke: „Clown ist ein ehrenwerter Beruf und ein Synonym für Intelligenz, Geschick und Kreativität. Der Clown wird von allen auf der Bühne oder in der Kunst respektiert.“ Offenbar auch von den italienischen Wählern. Oder sind Steinbrücks Worte doch eine Beleidigung für das Metier Clown? Sein zweiter Adressat heißt Berlusconi. Dario Fo, selbst ernannter „Flegel“, ist für Mistero Buffo berühmt, eine Oper um einen mittelalterlichen Clown: Der Grammelot spricht eine Kunstsprache. Aber, Mistero Peer, mit dieser erreicht er das Volk. Maxi LeinkaufHHarlekin War der Vorläufer des Clowns ein stolzer Anarchist oder doch nur ein feiger Spaßmacher, der sich hinter seinem Flickenkostüm versteckte und derbe Zoten riss? Wahrscheinlich von beidem etwas. Der Harlekin ist eine Figur aus der Commedia dell’arte, diesem Volkstheater aus dem 16. Jahrhundert, in dem es keine feststehenden Handlungen gab, sondern nur Charaktere mit einem bestimmten Repertoire.Heute würde man den Harlekin vielleicht Stand-up-Comedian (➝Zeitgeist) nennen. Seine Gags mussten immer so wirken, als seien sie ihm gerade eingefallen. Eine seiner Hauptnummern war der Purzelbaum. Der Harlekin war die Figur eines Herumtreibers, immer auf dem Sprung, auch in erotischer Hinsicht. Er hatte Narrenfreiheit. Kein Wunder, dass in der Aufklärung kein Platz für einen Charakter wie ihn war. Gottsched, einer ihrer frühen Vordenker, hasste diesen „kleinen Teufel“ – zu unberechenbar und zu obszön. Der Harlekin kehrte in der Romantik dann zwar wieder, das Gefährliche und Dämonische jedoch hatte er für immer verloren. Mark StöhrKKiller Als gar nicht niedlicher Clown ging der Serienmörder John Wayne Gacy (1942–94) in die Geschichte ein. Weil er 33 Jungen und junge Männer vergewaltigt und getötet hatte, wurde der US-Amerikaner als Killer-Clown bekannt. In Chicago geboren, wurde er als 26-Jähriger wegen eines sexuellen Übergriffs in Iowa, wo er eine Hähnchen-Braterei managte, wegen Kindesmissbrauchs schuldig gesprochen. Seine Frau trennte sich, er kam nach 18 Monaten frei. Zurück in Chicago und mit neuer Frau avancierte Gacy mit einem Heimwerkerunternehmen zum lokal geachteten Geschäftsmann und wurde Bezirksleiter der Demokraten. Den ersten Mord verübte der als Pogo der Clown im selbst genähten Spaßmacherdress auf Straßenfesten auftretende Gacy 1972. Sechs Jahre später wurde er verhaftet, zu 21-mal lebenslänglich und zwölfmal Todesstrafe verurteilt und 1994 hingerichtet. Seine letzten Worte sollen Kiss my ass! gelautet haben. TPKrusty Ein sympathischer Kerl, dieser Krusty, bekannt als Krusty der Clown in der Zeichentrickserie Die Simpsons. Für die Kinder in Springfield ist er ein Superstar. Bart Simpson liebt ihn über alles. Krusty, der mit bürgerlichem Namen Herschel Krustofski heißt, ist Republikaner und Analphabet. Er ist starker Raucher und hat mehrere Suchtprobleme, darunter das Wettspiel. 1986 erlitt er eine Herzattacke und trägt seither einen Herzschrittmacher. Die Operationsnarbe ist eines seiner Erkennungsmerkmale, neben einer dritten Brustwarze und seiner Clownsschminke natürlich, die er niemals abwischt.Krusty ist Kapitalist. Er besitzt unter anderem die Fastfood-Kette Krusty-Burger und vertreibt Fanartikel, die meist miese Qualität haben. Bart besitzt sie trotzdem fast alle. Er hilft Krusty immer mal wieder aus der Patsche und bekam dafür noch nie einen Dank. Krusty ist damit der Prototyp des scheinheiligen Entertainers – ein trauriger Clown des modernen Showbiz. MS LLiedermacher Aus dem Liedertheater Karls Enkel ging 1985 das Duo Wenzel und Mensching hervor, sie erfanden die Clownsfiguren Weh und Meh. Zu diesem Narren-Gemisch in der DDR kamen die Leute, um von den Maskierten zu hören, was offiziell niemand sagt – versteckte Wahrheiten, vulgär oder philosophisch, immer ambivalent. Nach der Wende brauchten die Clowns ihre Masken nicht mehr und die Leute keine Clowns, die als Hofnarren ausgedient hatten. So verloren sich die Kabarettisten ein bisschen im Niemandsland. Aber sind Liedermacher nicht immer ein bisschen zerrissen? Es ist ihr Wesen. „Man sagt: Ich bin ein Spinner, ein ganz übler Grübler, ein Sänger, ein Clown – ein Quälgeist, ich weiß es selbst nicht ...“, singt Herman van Veen in „Was man tut und wo man steht“. Aber ein Clown muss ja nicht immer so enden wie in Bölls Roman Ansichten eines Clowns, darin geht die Hauptfigur emotional und finanziell kaputt. MLMMythologie Die Clownsfigur fußt auf einer langen Historie, die bis in die antike Mythologie zurückreicht. Ungefähr ab dem 16. Jahrhundert, zur Zeit von Shakespeare, erschien die Figur zuerst als Pausenfüller beim Theater. Der Clown hat sich aus dem klassischen Trickster-Motiv in verschiedenen Mythen entwickelt. Jenseits von Gut und Böse stehend, treibt er seinen Schabernack vor allem mit den Mächtigen.Loki etwa, ein Gott der nordischen Welterklärungsgeschichten, bringt den Menschenbeschützer Thor regelmäßig zur Weißglut, wenn er ihn in Gestalt des Feuers beim Wettfressen besiegt oder ein von diesem zu leerendes Trinkhorn magisch mit den gesamten Weltmeeren füllt. Der hinkende und hässliche griechische Schmiedegott Hephaistos bringt allein durch seine Erscheinung den auf Schönheit ausgerichteten Götterhimmel durcheinander. Im Mythos verkörpern die Trickster den Modell-Schauspieler. Denn diese clownesken Typen unterhalten die einfachen Menschen aufs Vortrefflichste. Und sie sprechen als durch vermeintliche Torheit geschützte Charaktere jene Wahrheiten aus, für die andere bestraft würden. Das macht die anhaltende Begeisterung für diese Unruhestifter aus, die sich bis heute in Figuren wie dem Narr, dem Harlekin und eben dem Clown ausdiversifizierten. TPPPoet Wenn schon Clown, dann Oleg Popow. Er ist der „beste Clown der Welt“ oder der „Vater aller Clowns“. Solche und andere Superlative wurden dem russischen Humorartisten im Laufe seines mittlerweile mehr als 80-jährigen Lebens zugeordnet. Anders als die meisten seiner Berufskollegen kommt er ohne große Gesten und Mimiken aus, ohne plakative Gags, die auf Lachsalven aus dem Publikum abzielen. Popow pflegt eine eher stille Kunst, voller Poesie.In einer seiner Nummern fing er mal Sonnenstrahlen in der Manege ein und schüttete sie im Publikum aus. Ist das nicht schön? Angst vor Kitsch kennt der Clown nicht. Er denkt und arbeitet ohne Zynismus. Seine Figur mit der karierten Mütze und den blonden Haaren ist an die russische Märchengestalt Iwanuschka angelehnt. Sie entspricht unserem Hans im Glück. Mit 14 Jahren ging Popow zur Moskauer Zirkusschule und lernte Jonglieren, Akrobatik und Seiltanz. 1954 wurde er Hauptclown im Russischen Staatszirkus. Er lebt heute mit seiner deutschen Frau in der Nähe von Nürnberg – und ist immer noch Clown. Dem Spiegel sagte er mal: „Ich arbeite sechs Monate im Jahr, den Rest der Zeit betrachte ich die Vögel.“ MSZZeitgeist Wo begegnet man heute noch Clowns? Im Zirkus. Aber wer geht noch in den Zirkus? Manchmal stolpert man im Fernsehen über eine Vorstellung. Zum festen Repertoire gehört die Nummer mit dem strengen Weißclown und dem dummen August. Aber lacht noch jemand darüber, wenn einer stolpert oder gegen einen Pfosten läuft? Sogar Kinder finden Clowns, das haben Studien ergeben, fremd und merkwürdig (➝Coulrophobie). Sie haben oft Angst vor ihnen. Komisch – oder gerade nicht komisch – ist es daher, dass Clowns zur Unterhaltung in Kliniken eingesetzt werden, auf Kinderstationen. Messbare Erfolge feiern sie eigentlich nur in dem Bereich eines Krankenhauses, der dem Kindermachen dient. In einer israelischen Klinik wurde beobachtet, dass In-vitro-Fertilisationen durch den Besuch von Clowndoktoren häufiger klappten.Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Clown heute als allseits akzeptierter Sachverständiger für Humor weitgehend ausgedient hat. Komik funktioniert nicht mehr über wortlose Grimassen, sondern vor allem über Sprüche der Comedians. Das macht die Sache allerdings nicht unbedingt komischer. MS