Geld ist nicht wirklich das Problem. Es wird hinausgepumpt aus dem Präsidentenpalast in Astana, einer megalomanen Kopie des Weißen Hauses in Washington, noch dazu mit blauer Kuppel und vergoldeter Feldherrenlanze auf der Spitze, jede Woche, jeden Tag. Kasachstans Herrscher lässt sich den auswärtigen Prestigeerfolg etwas kosten. Ein Jahr lang führt sein Staat den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Erstmals übernimmt eine ehemalige Sowjetrepublik diese Mission im 56-Staaten-Bund, der die Ost-West-Welt nach dem Kalten Krieg managen sollte. Die Symbolkraft macht am Wiener OSZE-Sitz manche besoffen, andere zynisch. Die Kasachen könnten ohnehin nicht viel kaputt machen, heißt es bei OSZE-Diplomaten im Blick au
auf die alles lähmende OSZE-Konsens-Regel.Nur der liebe GottPR-Agenturen in Paris, Berlin oder Wien arbeiten seit Jahresbeginn rund um die Uhr, kaufen Werbeplatz in Zeitungen und laden Journalisten zu All-Inclusive-Trips in das größte Land Zentralasiens ein. Es gibt viel zu frisieren und ins rechte Licht zu rücken. In 20 Jahren Unabhängigkeit hat Kasachstan keine halbwegs freie Wahl zustande gebracht. Oppositionspolitiker mussten ins Exil abwandern, es gilt allein das Wort des Staatschefs, des früheren KP-Sekretärs Nursultan Nasarbajew. Seit der Verfassungskorrektur vor drei Jahren kann er endlos wiedergewählt werden. Nur der liebe Gott wird wohl die Amtszeit des mittlerweile 69-Jährigen beenden.Rakhat Alijew – 2007 abgesägter und zwangsgeschiedener Ex-Schwiegersohn des Allmächtigen – erzählt hässliche Geschichten über die Familie, die Kasachstan seit dem Ende der Sowjetunion regiert und sich die Taschen vollstopft. Alijew weiß Bescheid. Sein Milliardärs-Vermögen hilft ihm gerade, sich den Nachstellungen kasachischer Agenten zu entziehen. Alijew, der so ziemlich alles war – Vorstand von Konzernen und Banken, Chef der Finanzpolizei, stellvertretender Geheimdienstchef, Vizeaußenminister und Botschafter Wien – wurde in Abwesenheit zu insgesamt 40 Jahren Haft verurteilt. Die Idee mit dem OSZE-Vorsitz kam eigentlich von ihm.Wirklich begriffen habe Naserbajew die Sache mit der OSZE nie, erzählt Alijew. "Erklär mir das, warum brauchen wir dieses Amt?", habe ihn der Präsident immer wieder gefragt. Im Dezember 2005 – Naserbajew hatte sich von seinem Volk ein weiteres Mal wählen lassen – krakelt der Autokrat zornig auf das Deckblatt eines Geheimdienstberichts: "Die Republik Kasachstan sieht sich nicht verpflichtet, die OSZE-Beobachter im Land zu empfangen." Die Wahlinspektoren hatten einmal mehr Manipulationen bemängelt. Dabei rühmte der kasachische Geheimdienst KNB in seinem Bericht an den Präsidenten "eine Reihe von Aktivitäten im Informationsbereich und bei der operativen Einflussnahme auf internationale Beobachter von OSZE/ODIHR". Das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), eine weitgehend autonome OSZE-Filiale mit Sitz in Warschau, schließt kategorisch aus, dass seine Emissäre in der Vergangenheit Geldgeschenke angenommen haben. Doch internationale Beobachter – Geschäftsleute oder Abgeordnete von Parlamenten –, die auf Ticket von OSZE und Europarat durch die Welt fahren, gibt es viele.Dreieinhalb RevolutionenDie Idee, eine als lästig empfundene Wahlobservierung endlich den Regierungen der OSZE-Mitgliedsländer zu unterstellen, mündet in einen Auftrag, den sich Kasachstan für die Zeit seines Vorsitzes selbst gestellt hat. Dreieinhalb Revolutionen haben zuletzt als Nach-Wahl-Turbulenz durch ehemalige Sowjetrepubliken erschüttert: 2003 in Georgien, 2004 in der Ukraine, 2005 in Kirgisien, im April 2009 ansatzweise in Moldawien, ausgelöst – auch – durch kritische Urteile von OSZE-Inspektoren. Nursultan Naserbajew und mancher Gesinnungsfreund in Zentralasien und Osteuropa ist der Geduldsfaden gerissen. 2006 hatte das Gros der postsowjetischen Staaten unter Federführung des russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Aufruf unterzeichnet, in dem sie der OSZE vorwarfen, bei ihrem Umgang mit dem Osten allein auf Wahlen und Menschenrechte fixiert zu sein. Die Organisation sollte sich mehr auf ihre sonstigen Dimensionen besinnen: Sicherheit und wirtschaftliche Kooperation, Korb eins und zwei der KSZE-Schlussakte. 35 Jahre nach deren Unterzeichnung in Helsinki will Kasachstan nun das Pendel in die andere Richtung schwingen lassen.Unter den Gipfeltreffen und Meetings, die Kasachstans Außenminister Kanat Saudabajew zum Auftakt des Vorsitzes in Wien ankündigte, war deshalb auch eine Feier zum 20. Jahrestag des „Kopenhagen-Dokuments, jener von allen OSZE-Staaten unterzeichneten Erklärung von 1990, mit der garantiert wird, dass alle Mitglieder die Beobachtung von Wahlen zulassen. Sein Land wolle prüfen, wie diese Verpflichtung eingehalten werde, so Saudabajew. Nordamerikaner und EU-Europäer beruhigen, die einst gefundenen Prinzipien würden sich kaum aufweichen lassen, den dafür nötigen Konsens von 56 OSZE-Staaten werde es nicht geben.Kasachstan-Enthusiasten wie Deutschland und Frankreich glauben, der OSZE-Vorsitz werde das zentralasiatische Land bleibend läutern und reformieren. Für sie geht es um Öl und Gas, vorbei am Netz der russischen Giganten Gasprom, während die USA das Transitland Kasachstan brauchen, um den Drogenfluss aus Afghanistan zu drosseln, aber auch den islamistischen Trend in der Region zu zügeln.Dass Nursultan Naserbajew zwar die Agenda der OSZE in diesem Jahr bestimmt, aber zugleich gewisse Spielregeln schlucken muss, zeigte sich Anfang März: Kasachstan gab die Ernennung einer neuen OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit bekannt. Die Bosnierin Dunja Mijatovic hatte sich gegen den russischen Bewerber durchgesetzt. Vermutlich werden die Kasachen mit ihr wenig Freude haben.