Nebeneinanderher

Archivierung Der Kulturrat lässt über die Digitalisierung des Filmerbes diskutieren – überraschend harmonisch
Ausgabe 28/2016
Warten auf die schöne neue Welt der Digitalisierung
Warten auf die schöne neue Welt der Digitalisierung

Foto: Jakob Hoff/Imago

Die Diskussion um die Digitalisierung des deutschen Filmerbes nimmt Fahrt auf. Im Sommer 2015 legte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC) ein Gutachten zur „Kostenabschätzung zur digitalen Sicherung des filmischen Erbes“ vor und errechnete einen Gesamtbedarf von knapp 500 Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre. Seit 2014 fördert die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien, Monika Grütters, die Digitalisierung der filmischen Archivbestände jährlich mit gerade einer Million Euro. Laut Bundeshaushalt wird sie dies auch im nächsten Jahr tun.

Die Sektion Film, Rundfunk und audiovisuelle Medien des Deutschen Kulturrats erarbeitet derzeit eine Stellungnahme zum Themenkomplex. Um dabei möglichst viele Wissensträger und Interessenvertreter einzubinden, lud die Sektion Ende letzter Woche unter dem Titel „Vergangenheit braucht Zukunft“ zu einem Symposium. In drei Panels wurden die grundlegende Bedeutung der Digitalisierung, die Möglichkeiten, das digitalisierte Filmerbe sichtbar zu machen und Strategien und Technologien der Aufbewahrung diskutiert.

Das erste Panel verlief überraschend harmonisch, wenn man die Kontroversen zwischen Anhängern der Digitalisierung und Verfechtern des analogen Films bedenkt. Weiteren Zündstoff hätte die Kritik an der Kassationspraxis des Bundesarchivs für Nitrofilme geboten. Einigkeit wurde gewahrt, weil die Forderung nach analogen Filmkopien mit Verweis auf pragmatische Erwägungen unter den Tisch fiel. Digitalisierung des Filmerbes bedeutet in der deutschen Debatte das Ende der analogen Filmkopie. Die Diskussion über die Kassationspraxis wurde über den Tag hinweg vertagt – und schließlich nie wieder aufgegriffen.

Dabei verweist gerade diese Debatte auf eine entscheidende Frage der Archivierung, die durch die Digitalisierung noch verstärkt wird. Einerseits ist es Aufgabe der Archive, aus der Kulturproduktion das zu Bewahrende auszuwählen. Andererseits sollte diese Auswahl aus möglichst überzeugenden und transparenten Gründen erfolgen. Blickt man in die „Liste der filmhistorisch wertvollen und förderungswürdigen Filme des Deutschen Kinematheksverbunds“, die einen ersten Ausgangspunkt der deutschen Digitalisierungsbemühungen bilden soll, fällt etwa auf, dass sich in der Liste nur wenige Filme weiblicher Filmschaffender finden. Zeichen dafür, dass in der ersten Welle der Digitalisierung also die reale Gefahr, besteht, dass das zugängliche Filmerbe übermäßig kanonisiert wird.

Irritierend war die deutliche Abgrenzung des Leiters des Bundesarchivs, Michael Hollmann, von der Bedeutung filmwissenschaftlicher Arbeit innerhalb des Archivs. Kaum ein deutsches Archiv forscht hausintern zu den eigenen Beständen. Vielmehr werden diese mangels eigener Stellen zumeist von externen Mitarbeitern mit Honorarverträgen erschlossen. Die Grenzen solcher Projektarbeit wurden im zweiten Panel deutlich: Eine Vielzahl von für sich genommen interessanten, teils vorbildlichen Portalen (wie filmportal.de), Projektseiten (wie European Film Gateway 1914 – 1918) und Video-on-demand-Angeboten existieren nebeneinanderher. Eine gemeinsame Strategie publikumswirksamer Vermittlung der digitalisierten Bestände deutscher Filmarchive ist ebenso wenig erkennbar, wie es eine Struktur des Panels war.

Dass auch die technische Seite der Digitalisierung längst nicht abschließend geklärt ist, verdeutlichte das dritte Panel. Der Münchner Filmtechnikhersteller Arri lässt die Weiterentwicklung seines Filmscanners vorerst ruhen, bis die kontinuierliche Arbeit absehbar ist. Die technischen Dienstleister wie Kopierwerke warten mit dem Ausbau ihrer Kapazitäten auf das notwendige Maß. Zugleich hat mit dem Abbau analoger Kopiertechnik und der Entlassung von Mitarbeitern ein nach Abschluss unumkehrbarer Prozess des Abschieds von der analogen Kinotechnik begonnen, ohne dass recht klar ist, wohin die Reise geht. Und ob das Ticket bezahlt ist.

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