Negerkuss

Der Kindergeburtstag wallt im Zimmer nebenan. Und hier, an der Tafel, sitzen die Eltern. Kuchen und Kaffee, vier Mütter, zwei Väter, der Nachmittag ...

Der Kindergeburtstag wallt im Zimmer nebenan. Und hier, an der Tafel, sitzen die Eltern. Kuchen und Kaffee, vier Mütter, zwei Väter, der Nachmittag schaut grau herein, gibt sich keine Mühe; die Kerzen auf dem Tisch flackern gemütlich und schön steht der angeschnittene Kuchen. Alles in Ordnung und Multikulti auch, Sprachen mischen sich, Französisch, Fulla, Deutsch, was macht da schon das bisschen Grau vor dem Fenster. Die Mütter sind aufgekratzt, man sitzt beieinander, die Väter reden über Fußball, Hansa hat verloren und Bayern gewonnen, nicht schön, aber was soll´s, drüben quietschen die Kleinen und irgendwann wird es Abendbrot geben, was sollen da Hansa und der Regen da draußen. Dann kommen die Dickmanns, alle greifen zu, na ja, eigentlich viel zu süß, die Linie, und ich sage, dass die früher Negerküsse hießen. Der Vater neben mir hält inne, die Mütter schauen überrascht, Fou Pax sagt mein Kopf. Die Sprache hat sich geändert, sage ich. DDR, sage ich. Der Vater neben mir isst schweigend weiter, alle essen schweigend Negerküsse, die jetzt Dickmanns heißen, und mir ist wieder einmal ein Wort verloren gegangen. Eins von denen, die wir als Kinder gern gehört haben, die keiner Firma gehörten und keinem Verbot.

Wir hätten darüber lachen sollen, denke ich, als wir gehen. Wann ist schon mal ein Kuss so süß wie dieser.

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