Nein, Bill ist auch nicht schlimmer als Julia

Zwischen Durban und Dakar Andrea Jeska erklärt das Scheitern der Grünen Revolution in Afrika
Ausgabe 25/2021
Eine Bäuerin in Simbabwe begutachtet ihre Sorghumhirse. Das Land ist stark von Dürre betroffen, etwa 32.000 Bäuerinnen und Bauern leiden allein in der Mutoko-Region darunter
Eine Bäuerin in Simbabwe begutachtet ihre Sorghumhirse. Das Land ist stark von Dürre betroffen, etwa 32.000 Bäuerinnen und Bauern leiden allein in der Mutoko-Region darunter

Foto: Jekesai Njikizana/AFP/Getty Images

Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) ist gescheitert. Das ist keine Schlagzeile, mit der man diese Zeitung am Kiosk verkaufen wird, aber dennoch eine Nachricht von einiger Tragweite. Denn AGRA startete im Jahr 2006 mit großen Zielen. Ins Leben gerufen von der Gates- und der Rockefeller-Stiftung, sollten Armut und Hunger bis 2020 halbiert und in 18 afrikanischen Ländern die Erträge und das Einkommen von 30 Millionen Kleinbauern verdoppelt werden. Die Stiftungen erhielten dafür unter anderem von der Bundesregierung eine Milliarde Dollar. Doch 2020 kam, der Hunger blieb. Mehr noch: Der Hunger wurde sogar größer. In einigen AGRA-Ländern gab es 30 Prozent mehr hungernde Menschen als zuvor. Die angekündigte Steigerung der Erträge bei Grundnahrungsmitteln blieb aus. Wie konnte das geschehen?

Es ist ein Lehrstück in „Entwicklungshilfe“: Statt klimaresistente und nährstoffeiche Nahrungsmittel anzubauen, wurden die beteiligten Bauern offenbar gezwungen, hauptsächlich Mais anzubauen und Hybridsaatgut sowie die für dessen Gedeihen erforderlichen Pestizide und synthetischen Düngemittel von Agrarkonzernen zu kaufen. Diese Konzerne wiederum nahmen Einfluss auf die afrikanischen Regierungen, Gesetze zu erlassen, die ihren Interessen förderlich sind. Schon nach der ersten Saison rutschten die meisten Bauern in der Schuldenfalle, manche so arg, dass sie ihr Land verkaufen mussten.

Zu diesen ernüchternden Ergebnissen kommt eine Studie von Umwelt- und Hilfsorganisationen, darunter Brot für die Welt sowie fünf afrikanische Organisationen. Unter dem Titel Falsche Versprechen erstellten sie eine wissenschaftliche Wirkungsanalyse der Agrarallianz. Darin ist zu lesen: Fallstudien aus Kenia, Mali, Sambia und Tansania hätten gezeigt, wie „AGRA systematisch dazu beiträgt, politische Prozesse und Gesetze in diesen Ländern im Sinne der Grünen Revolution und zu Ungunsten“ kleinbäuerlicher Erzeuger*innen „sowie zum Schaden der Umwelt zu verändern“.

Auf der Internetseite von AGRA steht von solch Undingen kein Wort. Hier liest man von Transformation und digitalem Empowerment, es tauchen vor allem Erfolgsgeschichten und -zahlen auf. AGRA investiere „Hunderte von Millionen Dollar, um die kleinbäuerliche Landwirtschaft von einer kräftezehrenden, einsamen Überlebenstätigkeit in eine lohnende, kommerzielle Tätigkeit umzuwandeln … In dieser Hinsicht wurden enorme Fortschritte erzielt.“

Die Studie, die ihr Scheitern aufzeichnet, befindet AGRA als unwissenschaftlich; eine Stellungnahme wird verweigert. Bevor diese Kolumne jedoch Wasser auf die Mühlen von jenen lenkt, die Bill Gates partout üble Machenschaften unterstellen wollen: Auch die Grüne Revolution in Deutschland, die Umstellung des Agrarsektors auf ökologischen, klimafreundlichen, nachhaltigeren Anbau ist bislang nicht groß vorangekommen, auch hier haben Agrarkonzerne die Macht. Daran sind nicht Bill oder Melinda Gates schuld, sondern aktuell eine Dame mit blondem Haar, einem Namen mit K. und einem Parteibuch mit C.

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