Netflix kauft den TV-Markt leer

Medientagebuch Der US-Anbieter für Video on Demand schickt sich an, den deutschen Markt zu erobern. Wann begreifen wir das Ende des Fernsehens, wie wir es kennen, endlich als Chance?
Ausgabe 22/2014
Die Produktionen, die Unternehmen wie Netflix anbieten – oder selbst herstellen, wie zum Beispiel die Serien House of Cards –, sind jederzeit und überall komplett verfügbar
Die Produktionen, die Unternehmen wie Netflix anbieten – oder selbst herstellen, wie zum Beispiel die Serien House of Cards –, sind jederzeit und überall komplett verfügbar

Foto: Justin Sullivan/ AFP/ Getty Images

Es sind magere Zeiten für die Programmeinkäufer deutscher Fernsehsender. Jede Menge spannender Produktionen sind derzeit nicht mehr zu haben – denn Netflix hat die Rechte schon gekauft. Netflix? Seit Monaten wird in der Fernsehlandschaft geraunt und geunkt: Wenn der erfolgreichste amerikanische Anbieter für Video on Demand (VoD) sich anschickt, auch den deutschen Markt zu erobern, wird auf selbigem möglicherweise schon bald nichts mehr sein wie zuvor.

Das Fernsehen übers Internet wird für viele Zuschauer immer interessanter. Und das hat für den Markt gravierende Folgen: Die Produktionen, die Unternehmen wie Netflix anbieten – oder selbst herstellen, wie zum Beispiel die Serien House of Cards und Lilyhammer –, sind jederzeit und überall komplett verfügbar; wer bezahlt hat, kann schauen, wann und wo immer er will. Viele haben sich längst an dieses Prinzip gewöhnt. Aus Konsumentensicht ist es ja auch klasse, der Markt wird demokratisiert, man ist neuerdings frei in seiner Programmgestaltung. Fernsehen für Erwachsene, sozusagen. Das leidige Warten auf die nächste Folge einer Serie, mit dem die meisten Fernsehsender ihre Zuschauer gängeln, ist passé.

Allerdings muss man mal schauen, was Netflix dann tatsächlich zu bieten haben wird. Noch in diesem Jahr will es hierzulande starten. Der Markt fürs VoD-Fernsehen ist hart umkämpft, konkurrierende Anbieter wie Videoload, Watchever, Maxdome und zuletzt auch Amazon Prime bieten aufgewärmte Süppchen knapp jenseits des Haltbarkeitsdatums. Sollte Netflix mehr im Portfolio haben als solche Wiederholungen in Neuntausstrahlung, könnte die Erfolgsgeschichte des Unternehmens auch in Deutschland weitergehen.

Bei vielen Fernsehmachern herrscht deshalb jetzt, so scheint’s, eine gewisse Nervosität. Die Art von Nervosität, genauer gesagt, die sich in beredtem Schweigen äußert. In einem Schweigen, das einen an ein Reh denken lässt, das gebannt im Scheinwerferlicht eines heranrasenden Autos stehen bleibt. Wie sonst ließe sich erklären, dass es nicht längst eine wirklich breite Debatte über die Zukunft des (fiktionalen) Fernsehens im Land gibt?

Digitalisierungsprozesse führen zu monopolisierten Märkten – das sieht man bei Apples iTunes, bei Facebook, bei Google. Würde ein solches Worst-Case-Szenario jetzt auch beim Fernsehen eintreten, blieben möglicherweise für die Großen von heute, für die alten bekannten TV-Sender, in ihrem Kerngeschäft statt süßer Kuchenstücke bloß noch trockene Brotreste.

Ob es dazu kommt, hängt davon ab, wie die Fernsehmacher jetzt reagieren. Welche Mittel und Wege sie finden, sich selbst als erfolgreiche Akteure auf dem Markt der digitalen Verwertung zu positionieren. Und da ist auch die Politk gefragt. Denn absurderweise waren ja sowohl die privaten wie auch die öffentlich-rechtlichen Sender vor zwei, drei Jahren in Sachen Video on Demand noch sehr gut aufgestellt – aber ihre Projekte Amazonas und Germanys Gold wurden aus kartellrechtlichen Gründen ausgebremst. Das führt nun eben dazu, dass einem Unternehmen wie Netflix Tür und Tor geöffnet sind, den Markt zu erobern – und früher oder später womöglich zu monopolisieren.

Aber: Beim Fernsehen arbeiten ja viele kreative und kluge Menschen. Ihnen müsste doch etwas einfallen, um Bambi doch noch aus dem Lichtkegel zu locken, um ihre Jobs zu retten – und aus dem Ende ihres Fernsehens einen Neuanfang zu machen.

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