Neue Rechte richtig verstehen

Diskurspolitik Warum Mathias Brodkorb irrt: Der SPD-Landtagspolitiker geht trotz seiner klugen Unterscheidung zwischen Nazis und Neurechten letzteren in ihrer Opferpose auf den Leim

Mathias Brodkorb beherrscht die Techniken diskurspolitischer Selbstinszenierung perfekt. Seit einigen Jahren ist er in der Rolle des „Neue-Rechte-Verstehers“ zu sehen, der etwa im Fall des Campus-Chefredakteurs Böcker für die Meinungsfreiheit ficht. Sein diskursiver Erfolg basiert darauf, Neonazis von anderen Strömungen der extremen Rechten unterscheiden zu können, was hierzulande selten ist.

Öffentlichkeitswirksamer als alle Politikwissenschaftler hat der Landtagspolitiker Brodkorb mit der Mär aufgeräumt, bei der Neuen Rechten handele es sich um Nazis. Das ist sein Verdienst. Doch Brodkorbs Argumentation geht regelmäßig über eine notwendige Binnendifferenzierung rechter Ideengeschichte hinaus. Seine Inschutznahme neurechter Positionen unter dem Label des Konservatismus wertet ein politisches Milieu auf, in dem einem autoritären Dezisionismus das Wort geredet und die liberale Demokratie als dekadent denunziert wird.

Indem Brodkorb den herrschaftsfreien Diskurs mit der Neuen Rechten einfordert, beglaubigt er dieser, wovon sie seit mehr als 30 Jahren fabuliert – dass ihre Inhalte und Akteure Opfer einer angeblichen Phalanx linksliberaler Meinungsmacher seien. Oder um es im Jargon der Wochenzeitung Junge Freiheit zu sagen: Opfer eines Diktats von „Political Correctness“ seien.

Ende des Diskurses

Das Gegenteil ist der Fall. Die JF hat in den letzten 15 Jahren ihre Auflage steigern können. Der vom Impulsgeber der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, geleitete Verlag Edition Antaios scheint zu prosperieren. Die Ideenwelt der Neue Rechten hat Fürsprecher in den Feuilletons großer Tageszeitungen des Landes. Nirgends ist die Meinungs­freiheit für neurechte Positionen in Gefahr. Brodkorb legitimiert unter der Vorgabe, Debatten zu ermöglichen, anti-universalistische Inhalte. Wie jede politische Strömung unterscheidet die Neue Rechte zwischen einer identitären Binnenkommunikation und eine strategische Außenkommunikation.

Das ist weder ungewöhnlich noch verwerflich, sollte jedoch von jenen, die eine diskursive Interaktion mit der Neue Rechten suchen, berücksichtigt werden. Dafür bedarf es nicht einmal des abgedroschenen Vorwurfs an das neurechte Milieu, es betreibe Mimikry, fresse also Kreide.

Man muss nur lesen können. „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.“ In dankenswerter Offenheit skizziert Autor hier das Ziel seiner „Provokation“ genannten politischen Interventionen.

Gesellschaftliche Anerkennung

Mathias Brodkorbs Interventionen zu gunsten neurechter Publizisten bewirken, worauf alle Bemühungen des Milieus seit langem zielen: diskursive Aufwertung. Seine Stellungnahme in der Causa Böcker macht Netzwerke satisfaktionsfähig, die danach gieren, gesellschaftliche Anerkennung in der politischen Mitte zu erfahren.

Dabei braucht das neurechte Milieu nicht die Fürsprache eines SPD-Politikers. Es findet seinen gesellschaftlichen Resonanzraum ohne dessen Zutun in den Einstellungen einer politischen Mitte, die einem Buch wie Deutschland schafft sich ab zu einer Millionenauflage verholfen hat.


David Begrich ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander e.V. in Magdeburg

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