Der US-Medienkonzern Viacom, dem als bekannteste Marken der Kabelfernsehsender MTV, die Paramount-Filmstudios und die Video-Verleihkette Blockbuster gehören, will CBS, den größten US-Fernsehsender, für rund 37 Milliarden Dollar aufkaufen. Vor der versammelten In- und Auslandspresse prahlte Viacom-Chef Sumner Redstone in New York, das neue Unternehmen werde »in jedem Winkel der Medien- und Unterhaltungsindustrie weltweit führend sein«. Redstones künftiger Stellvertreter, der derzeitige CBS-Präsident Mel Karamazin, legte jovial nach, Viacom entwickle sich »als globales Power-Haus zur Paradefirma des 21. Jahrhunderts«. In Zukunft werde es keine Firma mehr geben, die ausserhalb des Viacom-Imperiums Werbung betreibe. Bei aller typisch amerikanischen Übertreibung: Im medialen Haifischbecken schrumpft die Zahl der Räuber und - mit zunehmendem Gewichtsumfang - werden sie nicht satter und fauler, sondern nur um so gefräßiger.
Offenbar ist der Viacom-Riese, der die gesamte »Wertschöpfungskette der Medienbranche« umfassen wird, der Konkurrenz aus Deutschland zuvorgekommen. Denn der Bertelsmann-Verlag, der massiv auf dem amerikanischen Markt expandiert, hatte bis zuletzt Interesse daran, sich CBS einzuverleiben. Ein Trick sollte US-Gesetze umgehen: Bertelsmann-Chef Middelhoff hatte mit American Online (AOL) vereinbart, dass AOL CBS aufkauft und Bertelsmann anschließend die operativen Geschäfte über lässt. Doch das Unterfangen scheiterte.
Wallstreet-Analysten lobten dagegen die US-interne Übernahmevariante. So ergäbe sich eine Summe aus komplementären Elementen. Die 1927 gegründete CBS erhalte zusätzlich ein großes TV- und Filmstudio, das nun direkt für die Zentrale produzieren könne. Viacom wiederum gewinnt millionenfach Bildschirm-Werbeflächen, auf denen es seine Filme und Shows anpreisen kann. Auch die Kundschaft ergänzt sich: CBS bediente bislang eher die Älteren, zum Beispiel mit der Hintergrundsendung 60 Minutes, während Viacom eher hip auf die Jugend zielte.
Die neue Viacom entwickelt sich nun zum größten TV-Netzwerk der USA (CBS plus 18 der 20 meistgesehenen Fernsehsender). Allein der Viacom-Kanal MTV erreicht bereits jetzt mehr als 100 Millionen Kabelhaushalte in Asien sowie 75 Millionen in Europa. Andere Unternehmen ergänzen die Produktpalette: der Simon Schuster-Verlag (der im letzten Jahr 64 Titel auf der Bestsellerliste der New York Times hatte), fünf Freizeitparks sowie Mehrheitsanteile an der Infinity Broadcasting Corporation, der größten amerikanischen Werbeproduktionsfirma.
Die angekündigte Fusion wird seitens der US-Bundesbehörden kaum auf Widerstand stoßen. Denn der neue Riese ist eine Reaktion auf die Lockerung von Kartellbestimmungen, die von der Medien-Behörde Federal Communications Commission (FCC) im August beschlossen wurden. Danach darf eine Firma wieder mehr als einen Fernsehsender pro US-Stadt betreiben, wenn dort mindestens sieben andere, unabhängige Sender in Betrieb sind. Das große Fressen, dem sich die Medienunternehmen zur Eroberung noch größerer Marktanteile widmen, war damit eingeleitet. Weitere Fusionen im Multimedia-Bereich stehen bevor.
Mit den neuen Kartellrichtlinien erreicht der Deregulierungsprozess in den USA einen vorläufigen Höhepunkt. Bereits 1996 wurden mit dem sogenannten »Telecommunications Act« die Restbestände antimonopolistischer Barrieren im US-Medienmarkt verwässert. Seitdem verringerten mehr als 1.000 Fusionen die Vielfalt der Radio- und Fernsehsender. Eine Resthoffnung bleibt allerdings. Auch wenn die FCC gegen den Viacom/CBS-Deal nichts einzuwenden hat, dann könnte immerhin noch das US-Justizministerium ein Veto einlegen. Das Argument würde in diesem Fall lauten, die Fusion bedrohe den »freien Wettbewerb« und schädige damit die Konsumenten.
Trotzdem gehen Medien-Kritiker in den USA bereits von einem Big-Brother-Szenario aus. Mehr Fusionen auf dem Markt seien nicht zuletzt mangels kritischer Berichterstattung und damit kaum zu erwartender Proteste eine Zwangsläufigkeit, sagt die New Yorker Journalistenorganisation FAIR voraus. Eine Art gleichgeschaltetes Synchron-Programm werde in TV, Radio, Büchern, Filmen, auf Reklametafeln und selbst in Freizeitparks entstehen, warnt FAIR. Eigentlich müssten selbst bei Mainstream-Journalisten die Alarmglocken läuten und Fragen nach Qualität und Diversität der öffentlichen Meinung gestellt werden.
Tatsächlich hat die Presse die Medienfusion keinesfalls ignoriert. Die New York Times beispielsweise berichtete in einer einzigen Ausgabe mit sieben langen Hintergrundartikeln über das Viacom-CBS-Geschäft. Besorgnisse wegen der Machtfülle des neuen Riesen wischte das Blatt jedoch als »ideologische Restbestände aus idyllischen Tagen« vom Tisch.
Viel Persönliches und eine Riesenportion Boulevard umrankte die Berichterstattung zum Medien-Deal. Die Gefühle der Wirtschaftsbosse spielten eine große Rolle. Schließlich sind auch sie Amerikaner. Ihr »Mut« zum »biggest media deal ever« dürfte auch den Internet-Markt stärker in Bewegung bringen. Sowohl Viacom in seiner alten Fassung als auch CBS besitzen und kontrollieren bereits unabhängig voneinander millionenfach konsumierte Webseiten. Viacom zielt beispielsweise mit www.nick.com (Web seite des Kindersenders Nickelodeon) auf ein Familienpublikum, das parallel über die CBS-Website www.jobs.com (ständig aktualisierte Liste mit Stellenangeboten) ansprechbar ist: Bewerbung und Konsum bei derselben Firma.
Auf kurze Sicht, sagen Medienexperten voraus, werden die Veränderungen, die der neue Riese mit sich bringt, unsichtbar bleiben. Doch die Macht, mit der ein Konzern wie Viacom mangels Alternativangeboten langfristig die politische Kultur und die Kulturindustrie beeinflusst, wächst hinter den Kulissen stetig.
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