Nicht nur Gott liebt Uncle Sam

Bush-Bonus In Osteuropa, besonders in Polen, werden die US-Wahlen eher mit Wohlgefallen als mit Bestürzung quittiert

Der Bessere hat gewonnen. Was soll daran so schlimm sein? Egal, ob Medien, Politik oder die sogenannte Straße: Osteuropa ist meilenweit davon entfernt, über die Wiederwahl von George W. Bush erschüttert zu sein. Im Gegenteil: Dass es diesmal nicht so knapp war wie vor vier Jahren, dass Bushs Politik der Härte jetzt besser legitimiert ist als nach dem Florida-Wahlskandal des Jahres 2000, sorgt eher für Wohlgefallen. Wer in Polen unbedingt Bush-Feindliches finden will, der muss schon einschlägige Internetseiten aufsuchen.

Dem Normalbürger ist Bush - relativ - egal, Widerspruch kommt in Warschau ausschließlich von paranoiden Obskuranten, die sich gern Verschwörungstheorien hingeben. Ein schockierender Befund? Es sei nicht vergessen, auch in Polen wünscht die Mehrheit einen Rückzug der eigenen Truppen aus dem Irak und fühlt sich vom imperialen Gehabe in der amerikanischen Außenpolitik abgestoßen. Für den Schluss, all das könnte etwas mit George W. Bush zu tun haben, reicht es allerdings nicht. Genau nach diesem seltsamen Wahrnehmungsraster strickt Polens nominell sozialdemokratischer Präsident Aleksander Kwasniewski seine Außenpolitik. Westorientierung heißt für ihn Bush-Orientierung - trotz EU-Beitritt und europäischer Tradition. Ein Trojanisches Pferd, das die Interessen des Weißen Hauses in Brüssel vertritt, wie sich mancher in der EU-Kommission zuweilen nicht nur halblaut beklagt. Das mag zwar übertrieben sein, hat aber dennoch einen wahren Kern. Zumindest mit Frankreich liegt Polen wegen Bush im diplomatischen Dauerclinch. Der nächste Konflikt nach dem Ausgang der US-Wahl ist bereits programmiert: Der Iran und sein Atomprogramm. Das "alte" Europa wird mehrheitlich für Verhandlungen, das "neue" brav nach US-Vorgabe für Härte und Sanktionen plädieren. Kurzum: Die Wiederwahl von Bush wird die Spannungen zwischen Alt- und Neu-Europäern gewiss nicht mindern.

Um die Sympathien für Washington zu verstehen, bedarf es nicht unbedingt tiefschürfender politischer Analysen - auch ein simpler Blick in jede beliebige Großstadt Ostmitteleuropas ist vielsagend: Hier wird nach US-Muster gelebt. Wer kein Geld hat, dem bleibt zwar nichts anderes übrig, als der postsozialistischen Tristesse zu begegnen - wer sich hingegen im Aufstieg wähnt, der kopiert das amerikanische Muster. Was im Klartext bedeutet: Konsumieren kann man rund um die Uhr. Gekündigt werden auch.

All das erklärt die osteuropäische Begeisterung für George Bush freilich nur halb. Theoretisch wäre es schließlich vorstellbar, auch ein demokratisch regiertes Amerika abgöttisch zu lieben. Doch eben nur theoretisch. Denn im Osten grassiert heute ein doppeltes Amerikabild: Einerseits das gute Amerika des tüchtigen Uncle Sam, des freien Wettbewerbs und der unbegrenzten Möglichkeiten - das Amerika von Ronald Reagan und George W. Bush. Und andererseits das ungeliebte Amerika der Political Correctness, der Affirmative Action und - wie man meint - der jüdisch dominierten Ostküste, das Homeland der Demokraten. Auch wenn es noch so absurd erscheinen mag: Für die postkommunistischen Gesellschaften Osteuropas ist der Mythos American Dream offenbar nur unter republikanischen Vorzeichen vorstellbar.

Das weiß die ortsansässige Politik. Und so erklärt denn der ehemalige kommunistische Jugend- und Sportminister Aleksander Kwasniewski die Wiederwahl von Bush zu einem Glücksfall für Polen. Auch wenn das heikel ist: Denn die polnischen Hoffnungen, bald aus dem Irak abziehen zu können, dürften enttäuscht werden. Es sei denn, Polen würde auf den Tisch hauen und gehen, ohne Washington nach einer Erlaubnis zu fragen. Was jedoch höchst unwahrscheinlich ist.


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