Nichts als Taktik

AfD Die Selbstauflösung des „Flügels“ ist eine politische Inszenierung, die Björn Höcke und seine Anhänger weiter in die Mitte der Partei führen soll
Ausgabe 13/2020
Kann fürs Erste weg: der Flügel. Ein Recycling ist aber zu erwarten
Kann fürs Erste weg: der Flügel. Ein Recycling ist aber zu erwarten

Foto: ZUMA Wire/Imago Images

Zu den erdachten Figuren auf der politischen Bühne der Republik gehören die „Gemäßigten“ in der AfD. Als solche gelten manchem Beobachter auch jene Mitglieder des Bundesvorstands, die jüngst die Auflösung des Netzwerks „der Flügel“ forderten, das von Björn Höcke, Thüringens AfD-Chef, und dessen Kampfgefährten in Brandenburg, Andreas Kalbitz, geführt wird.

Die Einstufung des Flügels als „rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz setzt die AfD unter Druck. Gerade verbeamtete, auf „bürgerliche“ Reputation bedachte Mitglieder befürchten Sanktionen. Für sie könnte ein AfD-Parteibuch zum Risiko werden. Bislang führte etwa Parteichef Jörg Meuthen einen wohlfeilen Kampf gegen das „System Merkel“, welches ihm jedoch seinen Status als Professor sicherte und die Fortzahlung der staatlichen Bezüge gewährleistete. Da diese nun nicht nur für ihn in Gefahr scheinen, wird die Verordnung von parteiinterner Ruhe zur ersten Wutbürgerpflicht. Als selbsterklärte „Widerstandsbewegung“ zeichnete sich der „Flügel“ durch eine überbordende Lust an der Provokation aus. Aber auch Höckes Kampfansagen gegen „Feindzeugen“ in den eigenen Reihen wurden in der AfD mit Missmut aufgenommen; noch jüngst schwadronierte Höcke über illoyale Gegenspieler, die es „auszuschwitzen“ gelte. Ein Persilschein wäre aber weder dem wetterwendigen Höcke-Kritiker Meuthen noch einer Alice Weidel auszustellen, die im Bundestag für demagogische Ausfälle gegen „Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“ berüchtigt ist. „Gemäßigt“ ist an diesem Jargon der Dehumanisierung gar nichts. Die Fixierung auf den „Flügel“ verengt den Blick. Würde die AfD-Führung ihre nach den Attentaten von Hanau verkündete Distanzierung von der Ideologie des Hasses tatsächlich ernst meinen, müsste sie nicht nur Höckes Seilschaft, sondern gleich die gesamte Partei auflösen.

Es zeugt von Ironie, dass Höcke seinen Scheinrückzug nun zuerst im Kampfblatt Sezession erläuterte. Der „Flügel“, so Höcke, durchlaufe längst einen Prozess der „Historisierung“. In der Tat kann er die Akte mit dem Vermerk „Mission erfüllt!“ schließen: Faktisch prägte „der Flügel“ seit seiner Gründung 2015 eine sich stetig radikalisierende AfD. Ihr Ehrenvorsitzender Alexander Gauland agierte vielfach als Höckes Schutzpatron und verortete ihn in der „Mitte der Partei“. Der letzte Parteitag zeigte, dass an Kalbitz und Höcke auch in Abwesenheit des Letzteren kaum jemand vorbeikam. Beide sind aber gerade im Westen schwer vermittelbar. Kalbitz, da ihm Medien eine langjährige Verstrickung mit dem organisierten Neonazismus anlasten; Höcke wirkt ob seiner Neigung zur völkischen Selbstberauschung sogar auf vereinzelte Parteifreunde so, als sei er für die ZDF-Sendung Sketch History gecastet worden. Doch auch der bisweilen als „gemäßigt“ etikettierte nordrhein-westfälische AfD-Chef Rüdiger Lucassen, der sich zuletzt als „Flügel“-Gegner gerierte, wollte in Höxter gemeinsam mit Höcke in den Kommunalwahlkampf einsteigen.

Was Teile der AfD ablehnen, sind die verdächtig machende Tonlage wie die radikale Oppositionshaltung des „Flügels“, weniger aber dessen Positionen. Somit ist Höckes Selbstauflösungsinszenierung kaum mehr als der Ausdruck eines taktischen Rückzugs, der weiter in die Mitte der Partei führen soll.

Richard Gebhardt beschäftigt sich als Autor und Bildungsreferent vor allem mit der extremen Rechten

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