Nichts anderes als Unfug

Bühne Wenn die Schauspieler ausziehen, zieht Rolf Hochhuth ein. In diesem Sommer gibt es im Berliner Ensemble seine "Inselkomödie" zu sehen. Johannes Heesters ist auch dabei

Rolf Hochhuth und seine Inszenierungscrew, angeführt von Regisseur Heiko Stang, der einsprang, weil Mia Kaspari absprang wegen „künstlerischer Differenzen“, feiern den Sommer wahrlich mit einem heißen Stück. Hochhuths Inselkomödie ist spritzig wie Sekt und Coca-Cola. Sex und Crime sind die Stimulanzien dieses sich Musical nennenden Unikums, das nicht besser ist als die auf amüsierlustige Geschäftsleute getrimmten Angebote im Theater des Westens zu Berlin. Größtes Manko der Hochhuth-Komödie: fehlende literarische und musikalische Qualität, was immer das sei. Die Musik von Florian Fries – vorzugsweise Gesangsnummern, begleitet von süffigen Streichern ­– verdient nur Gespött. Das klingt hart.

Aber was da am Freitag im sommerleeren Berliner Ensemble (Hochhuths Holzapfel-Stiftung ist der Besitzer der Immobilie, deshalb darf er in ihr spielen) auf die Bühne kam, war flaue Luft. Wenn das der Brecht gesehen hätte. Oder Eisler. Der Reigen aus Songs und Szenen ist durchgängig geschwätzig, sentimental, infantil und – keineswegs volkstümlich. Volkstümlich allein ist der Wirt und Vater der Lysistrate: Konstantinos Glarakis. Die Rolle gibt der ehemalige Lindenstraße-Darsteller Kostas Papanastasiou. In der Wirtsstube fängt der Alte irgendwann zu tanzen an, nach eigenen griechischen Rhythmen. Da wird das Stück für Sekunden wahr.

Angeblich soll die Inselkomödie oder Lysistrate und die NATO politisches Theater sein. Problempunkt des Stückes: Eine Schar Weiber unter Führung von Frau Dr. Lysi­strate, Mitglied des Parlaments in Athen, verweigert sich ihren Männern, weil die den Bau eines US-Raketenstützpunktes auf ihrer Insel gutheißen, den die Frauen ablehnen. Aber Tingelei und Politik vertragen sich nicht. Sofort vergeht einem die Lust, den renitenten Frauen oben zuzusehen, wie sie kreischen und kriechen, dauernd an ihren Plünnen zerren, Brüste und Schenkel werfen müssen. Und wie fürchterlich banal die Musik ist, die zu singen ihnen aufgetragen ist.

Dremmelei in der Wirtsstube

Diese Inselkomödie ist ohne Schmuddeleien – undenkbar. Kaum, dass der Vorhang oben ist, geht die Dremmelei in der Wirtsstube los. Die Frauen sagen: Wir wollen nicht, wenn ihr nicht wollt, was wir wollen. Die Männer werden immer zorniger und tragen Schilder vor sich her: „Keine Onanie mehr!“ Die Parabel ist Lysi­strata von Aristophanes entlehnt. Bei Hochhuth setzen die Frauen auf den Tourismus statt auf Raketen. Der geistert als Segen durch das Stück, dabei war er schon Fluch, als Hochhuth 1974 das Stück schrieb. Die Bodenspekulation blühte und trieb den massenhaften Bau jener weißen Würfel mit Balkonen und Blick zum Meer voran, Ferienhäuser, die intakte, schöne Landschaften kaputtmachten.

Rolf Hochhuth hat keine Ahnung. Das Stück jetzt und hier auf die Bühne zu bringen, begründete er damit, die NATO würde nun schon 1.000 Kilometer vor Moskau Militärübungen veranstalten und wir könnten froh sein, dass die Bundesrepublik und Frankreich das Spiel nicht mitspielten. Die inszenierte Parabel suggeriert folglich, ein gewitztes Frauenvölkchen könne mit parlamentarischer Hilfe der US-Weltpolizei die Stirn bieten und sie zur Umkehr zwingen.

Das möchte man nicht einmal mehr als Einfalt von gestern bezeichnen, das ist nur Unfug. Genauso wie die Musik der Inselkomödie nichts anderes ist als grober Unfug.

Johannes Heesters, 106, spielt übrigens auch mit.

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