Nie mehr ein Öl-Scheichtum sein

Niederlande Stillgelegte Förderplattformen in der Nordsee helfen, die Energiewende voranzubringen
Ausgabe 12/2019
Eine Ölplattform in der Nordsee. Soll hier künftig Wasserstoff hergestellt werden?
Eine Ölplattform in der Nordsee. Soll hier künftig Wasserstoff hergestellt werden?

Foto: Imago/Imagebroker

Im Anflug auf den Amsterdamer Flughafen kann man die Windparks in der Nordsee wachsen sehen. Kilometerweit reiht sich Windrad an Windrad, im flachen Gewässer vor der Küste ist Platz genug, auf klagende Anwohner braucht man keine Rücksicht zu nehmen. Also geht der Ausbau der Windparks unvermindert weiter, und der Anteil der erneuerbaren Energie nimmt rasch zu, womit die Niederlande einen ehrgeizigen Plan verfolgen: Bis 2050 soll das ganze Land von Erdgas und Erdöl unabhängig sein.

Zwar ist man dank eigener Vorkommen in der Nordsee und an Land ein kleines Öl-Scheichtum eigener Art, doch nicht vergleichbar mit Norwegen oder Schottland. Ohnehin werden die Vorkommen bald erschöpft sein. Schon jetzt führt die Erdgasgewinnung in der Provinz Groningen zu erheblichen Schäden durch versackende Böden bis hin zu kleinen Erdbeben. Insofern liegt die Zukunft bei Wind- und Sonnenenergie, allein für die Windkraft steht in den Küstengewässern eine für die nächsten Jahre noch unerschöpfliche Fläche zur Verfügung. Die Konsequenz: In rasantem Tempo nimmt die Zahl der Windparks in der Nordsee zu.

Wie in anderen EU-Ländern ist der Transport des Stroms ins Binnenland ein gewaltiges Problem. Man braucht Hochspannungsleitungen über Hunderte von Kilometern unter Wasser, was Milliardeninvestitionen verlangt. Gibt es die Leitungen, bleibt der Transit des Stroms teuer und verlustreich. Was erst recht ins Gewicht fällt, wenn in absehbarer Zeit die Leistung der Windparks von jetzt einem auf zwölf Gigawatt hochgefahren wird. Durchaus denkbar, dass dann zusätzliche Leitungen verlegt werden müssen.

Dazu hat nun die niederländische Regierung mit dem Wasserstoffkonsortium North Sea Energy eine Lösung anvisiert. Da immer mehr der Öl- und Gasfelder in der Nordsee erschöpft sind, wächst die Zahl stillgelegter Förderplattformen schneller als die Zahl der neu angelegten. Zum Glück befinden sich viele dieser abgeschalteten Anlagen in der Nähe von Windparks oder den dafür demnächst vorgesehenen Standorten. Diesen Umstand nutzend, will man auf den ausrangierten Plattformen Wasserstoff-Fabriken einrichten. Das heißt, mit Hilfe des Stroms der nahegelegenen Windparks soll Wasserstoff erzeugt werden, der sich in Rohrleitungen schneller und billiger zum Festland leiten lässt als Windstrom über Hochspannungsleitungen. Ein Rohrsystem ist teils schon vorhanden, ganz abgesehen davon, dass die Plattformen auch als Relaisstationen für konventionelle Hochspannungsleitungen genutzt werden können. Das Argument der niederländischen Ingenieure ist schlagend: Es kostet zehnmal weniger, Energie in der Form von Wasserstoff denn als Elektrizität über große Entfernungen zu befördern, es ist hundertmal teurer, Elektroenergie in Batterien zu speichern als Wasserstoff in Tanks.

Brennstoff der Zukunft

Im Moment durchläuft das Projekt ein Versuchsstadium, um zu erkunden, wie gut sich die alten Öl- und Gasplattformen in der Nordsee tatsächlich als Träger von Wasserstoff-Fabriken eignen. Der erste Hydrolyzer soll mit einer Leistung von einigen Megawatt etwa 17 Kilo Wasserstoff pro Minute erzeugen. Und es gibt einen weiteren Vorteil, der in der Kopplung von Windkraftparks und Wasserstoff-Fabriken besteht, mit der die „Dunkelflauten“ – die Perioden von Dunkelheit und Flauten – dank der in Form von Wasserstoff gespeicherten Energie überbrückt werden können. Der erzeugte Wasserstoff kann gleich an Ort und Stelle in großen Tanks im Meeresboden gespeichert und je nach Bedarf zum Festland transportiert werden. Die Niederländer sind überzeugt, dass Wasserstoff der Brennstoff der Zukunft sein wird.

Als Teil der Energiewende ist vorgesehen, dass bis spätestens 2050 auch die Gasheizungen in allen Privatwohnungen durch andere Heizungen, etwa Wärmepumpen, ersetzt worden sein müssen. Die Wasserstoff-Fabriken in der Nordsee passen also in ein Gesamtkonzept, auch wenn die ökologische Gesamtbilanz des Projekts abzuwarten bleibt.

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