Feminismus ist ein Kampf. Nicht ein Kampf von Frauen gegen Männer, sondern ein Kampf gegen die herrschenden gesellschaftlichen Zustände. Bei dem Philosophen Walter Benjamin findet sich der prägnante Satz: „Dass es so weitergeht, das ist die Katastrophe.“ Wer sich davon nicht in gewisser Hinsicht wenigstens teilweise angesprochen fühlt, der oder dem steht es frei, in anderen Texten nach Antworten auf die Frage zu suchen, wie es gelingt, sich im bürgerlichen Status quo noch gemütlicher als ohnehin schon einzurichten, sich gegen Veränderung abzusichern und das eine oder andere zusätzliche Privileg zu erarbeiten.
Dem Feminismus, um den es sich in diesem Text dreht, geht es nicht darum, Tipps zur Selbstoptimierung, zum persönlichen beruflichen Aufstieg oder zur Vereinbarkeit von Sexyness und Professionalität im Office-Look zu geben. Das bedeutet nicht, dass dieser Feminismus als Hilfe zur Anpassung nicht auch seine Berechtigung hätte. Mit dem richtigen Office-Outfit einen Job im Verteidigungsministerium zu landen und sich als Schläferzelle einzuarbeiten, um das Ganze am Ende in den Sand zu setzen, ist als Strategie für besonders talentierte Revolutionärinnen und Revolutionäre sicher eine Option.
Für den Rest aber, für den das langfristige strategische Denken zu anstrengend ist, und für jene, die keine Lust haben, Genuss und Früchte des Kampfes auf später zu verschieben, gibt es andere Formen, dem Status quo, den die amerikanische Autorin, Feministin und Aktivistin Bell Hooks so treffend als imperialist white supremacist capitalist patriarchy (imperialistisches weißes rassistisches kapitalistisches Patriarchat) beschreibt, gefährlich zu werden.
Ein Feminismus, der niemanden verunsichern will, der hier und dort eine kleine Verbesserung erringen will und auf jeder Stufe des Kampfes die harmonische Vereinbarkeit mit den Interessen der Gegner sucht, wird immer nur die Brotkrumen aufsammeln, die die Mächtigen für entbehrlich halten. Die Versicherung, niemandem wehtun, niemanden vom Sockel stoßen und niemanden angreifen zu wollen, führt dazu, dass einem zwar irgendwelche Daddys anerkennend auf die Schulter klopfen. Der sorgfältig argumentierte und von jedem Verdacht der Hysterie und Irrationalität bereinigte Vorschlagskatalog aber in der Schublade mit der Aufschrift „Wäre schön, muss aber nicht sein“ landet.
Den Mann ausknocken
In einem Gedicht aus den 70er Jahren hat die amerikanische Radikalfeministin Jean Tepperman die Paradoxie eines Feminismus light, Reformfeminismus oder bürgerlichen Feminismus auf den Punkt gebracht: „Du bedienst den Mann mit Drinks und Dinner. Und während du dann auf seinem Schoß sitzt, bittest du um die Revolution, nur eine kleine vielleicht, weil du doch so ein braves Mädchen warst.“
Der schöne Effekt des Gedichts im englischen Original ist, dass bei „serving the man“ nicht nur der konkrete Mann (Bruder, Vater, Ehemann, Liebhaber, Sohn, Chef) gemeint sein kann, sondern auch das Unternehmen, der Staat oder das System kapitalistischer Profitmaximierung („working for the man“). Wer an die Kraft moralischer Appelle glaubt, mag meinen, dass der Mann der Bitte nachkommt, am nächsten Tag selbst zu kochen, seinen Drink zu mixen und der Frau eine eigene Sitzgelegenheit zuzugestehen – also die komfortable Situation von selbst aufzugeben, die man ihm gerade ermöglicht hat. Für alle anderen scheint es sinnvoller, etwas in den Drink zu mixen: Während der Mann ausgeknockt ist, eignet sie sich die nötigen Produktionsmittel an und sucht ihr Glück anderswo als auf Daddys Schoß.
In Anlehnung an die US-amerikanische radikalfeministische Schriftstellerin Valerie Solanas, die unter anderem durch ihr Attentat auf den Pop-Art-Star Andy Warhol bekannt geworden ist, kann die paradoxe Haltung gegenüber herrschenden gesellschaftlichen Strukturen als daddyfication bezeichnet werden. Es geht dabei um die Strategie, mittels der immer stärkeren individuellen Anpassung an die patriarchalen und kapitalistischen Gegebenheiten der Gegenwart zur Musterschülerin aufzusteigen und sich sowohl von weiblicher als auch von männlicher Konkurrenz abzugrenzen oder diese gar im Dienste des eigenen Aufstiegs zu instrumentalisieren. Bei dieser Strategie werden die patriarchalen Strukturen zwar für einzelne Frauen, die sich als besonders folgsam und aufopferungsbereit bewiesen haben, geöffnet. Im Großen und Ganzen aber stabilisiert.
Das schönste Beispiel dafür ist die bürgerliche Frauenbewegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Für Teile der bürgerlichen Frauenbewegung war es durchaus legitim, das heute als große Errungenschaft geltende Frauenwahlrecht unter Beibehaltung des Dreiklassenwahlrechts zu fordern. Die Gleichberechtigung der Frauen sollte also im Hinblick auf den Mann ihrer Klasse gelten, nicht aber gegenüber den Frauen anderer Klassen.
Im Ersten Weltkrieg verstiegen sie sich dazu, durch einen hingebungsvollen Kriegsdienst die eigene Unentbehrlichkeit im Rahmen imperialistischer Weltmachtansprüche zu beweisen. Die Geschichte scheint weniger weit weg, als man denkt. So bezieht sich die heutige Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ eher selektiv auf den männlichen Kollegen als auf die Putzkraft, die Kinderbetreuerin, die Altenpflegerin. Oder anders formuliert: Während die Business-Frau Karriere macht, werden ihre Kinder von anderen Frauen betreut, ihre Wohnung wird von anderen Frauen geputzt.
Die Geschichte der Frauenbewegung und der Fakt, dass vor 100 Jahren das Frauenwahlrecht sowie die gleichzeitige Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts nicht durch bürgerliche Reformversuche, sondern in letzter Konsequenz durch die eher marxistische Novemberrevolution erkämpft wurden, sollten nicht vergessen werden. Darin verschüttet liegt die Erinnerung daran, dass die größten Freiheiten für Frauen im Zusammenspiel und unter dem Druck revolutionärer und antikapitalistischer Kämpfe errungen wurden.
Die Strategie, die hier erfolgreich war, bestand darin, den Rahmen des Erlaubten und Seriösen zu verlassen. Oder: Feminismus, der mehr sein will als Karrierecoaching und T-Shirt-Aufdruck, muss die Geschichte der Kämpfe – das heißt auch, die der bedrohlichen, taktlosen und radikalen, ja vielfach verhassten Frauen, die daran beteiligt waren – freilegen. Taktlosigkeit und Rechtswidrigkeit zeichnen auch die in Frankreich initiierte und 1971 von der Illustrierten Stern in Deutschland aufgegriffene Aktion „Wir haben abgetrieben!“ aus. Die abgebildeten und namentlich auftauchenden Frauen, die vielfach im öffentlichen Leben standen, bekannten sich trotz flächendeckender Tabuisierung des Themas und Dämonisierung der Akteurinnen offen zum Rechtsbruch.
Arbeit verweigern
Auch das SCUM Manifesto der Schriftstellerin Valerie Solanas, das sie Ende der 60er Jahre verfasste, erweist sich als Fundgrube für radikalfeministische Strategien.SCUM heißt übersetzt Abschaum, wurde aber vom Verleger mit dem Untertitel „Society for Cutting Up Men“ versehen: Gesellschaft zur Zerstückelung von Männern. Damit wollte er den Skandalwert des Textes nach dem Warhol-Attentat erhöhen.
Spannend daran ist, dass es nicht um die bürgerliche Vision der Gleichheit oder das Erstreiten von Aufstiegschancen innerhalb patriarchal-kapitalistischer Strukturen geht. Der strategische Move besteht vielmehr darin, das reibungslose Funktionieren der herrschenden Ordnung „abzufucken“: „SCUM wird Teil der unwork force (Nichtarbeitskraft), der Fuck-up Force sein“, schreibt Solanas. „SCUM-Büro- und Fabrikarbeiterinnen werden, außer daß sie ihre Arbeit abfucken, heimlich die Betriebseinrichtung zerstören. SCUM wird auf jedem Job so lange nicht arbeiten, bis man sie hinauswirft, und dann einen neuen Job suchen, um auch dort nicht zu arbeiten.“
Dabei handelt es sich gleichzeitig um eine Einladung an das vom Marxismus vorschnell abservierte Lumpenproletariat sowie um eine Verkoppelung mit der proletarischen Frauenbewegung. Denn das absichtliche Abfucken, das Solanas anbietet, kommt den vermeintlich veralteten proletarischen Taktiken des Streiks, der Sabotage, der Meuterei erstaunlich nahe. Es greift aber auch da, wo Frauen von Selbstoptimierungs-, Karrierefrauen- und Supermutterimperativen aufgerieben werden. Statt der Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Karriere heißt es hier: Warum nicht beides abfucken?
Kommentare 15
Frau wird ja wohl noch ein bisschen träumen dürfen. Oder als RAF 4.0 enden.
Gut gedacht, gut geschrieben - Danke!
"Feminismus ist ein Kampf. Nicht ein Kampf von Frauen gegen Männer, sondern ein Kampf gegen die herrschenden gesellschaftlichen Zustände."
ich mußte jetzt mal wegen des attentats auf warhol nachlesen, fand darin:
http://www.spiegel.de/einestages/attentat-auf-andy-warhol-a-947037.html
das:
"Solanas ... hatte ein "S.C.U.M.-Manifesto" verfasst. Darin hieß es: "Heute ist es technisch möglich, sich ohne die Hilfe der Männer [...] zu reproduzieren und ausschließlich Frauen zu produzieren. Wir müssen sofort damit beginnen. Der Mann ist eine biologische Katastrophe: Das männliche y-Gen ist ein unvollständiges weibliches x-Gen, das heißt, es hat eine unvollständige Chromosomstruktur. Mit anderen Worten, der Mann ist eine unvollständige Frau, eine wandelnde Fehlgeburt, die schon im Genstadium verkümmert ist. Mann sein heißt, kaputt sein; Männlichkeit ist eine Mangelkrankheit, und Männer sind seelische Krüppel."
ich sag's nur.
Das Kapital wird Sie schneller "abfucken" als Sie denken können, da Sie potentielle Verbündete konsquent ausschließen. Schade um die Kreativität und Energie. Wer vom Lumpenproletariat wirklich eine positive Veränderung erwartet, kann es noch nicht kennengelernt haben.
Wirklich ein guter Artikel, sowohl in der Analyse als auch in der Schlussfolgerung.
Ich bin mir sicher dass Geschlechtergerechtigkeit im jetzigen System nicht funktionieren _kann_, aber das ist für mich langfristig auch nicht erstrebenswert.
Der oben zitierte "Feminismus als Hilfe zur Anpassung" ist dennoch erstmal wichtig um die krassen Ungerechtigkeiten in den Griff zu kriegen (Gender Pay Gap, Altersarmut, die ja Frauen besonders betrifft, Sexismus und sexuelle Gewalt, usw.). Da dies aber letztendlich systembedingt und -begünstigt ist, ist es wichtig nicht aus den Augen zu verlieren dass das System umgekrempelt werden muss.
Hier passt auch das Zitat: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden."
THX!
Welche Verdrehung, welcher Fake, welcher Verrat an Wirklichkeit und Lesern!
Da ist wohl 'SCUM', Abschaum, - der diametrale Negativ-Abdruck (ein Icon), der den Gegen-Fake, den Gegen-Dreh und den Gegen-Verrat zum rechten Fakeism aufbietet, - und damit die schlechten (patriarchalen) Verhältnisse, die sich ins Sur- u. Ir-Reale bis zur Verrücktheit ("Mad Man" als rationale Taktik) verstiegen haben, nur perpetuiert.
Also Verhältnisse, in denen selbst die Haupt-Bewirtschafter von Problemen, der Journalismus und die Politik, aufgrund ihrer Entfremdungen ihre Gegenstände erfinden müssen. Nicht weil es für ihre "Funktion" keine geeigneten Probleme gäbe, sondern weil ihnen der Zugang zu den wirklichen Skandalen, ja zur Wirklichkeit per se, darunter auch deren eigenes "Selbst", zu weitgehend abhanden gekommen ist, um nicht in ihren Darstellungen, Ableitungen, Deutungen, (Gegen-) Konzepten usw. zwischen 50% und 100% an Un- u. Halbwahrheiten wie die Gegenseite(n) zu servieren.
Wohl nicht ganz zufällig blitzte das Stichwort "Fröhliche Wissenschaft" (ein Signum für die zunehmende - bzw. zunehmende Aufdeckung von - Beliebigkeit und Irrelevanz der W'ten) beim guuucheln von Luise Meier auf.
Also weiterhin "Frohe Fahrt" in die Unterwerfung!
Radikaler Feminismus ist leider nichts anderes als extremer Rassismus einer Bevölkerungsgruppe gegenüber. Ersetzt man das Wort "Mann" durch "Farbiger" in Solanas Pamphlet, wird klar, wie inakzeptabel das ist.
Mit wem wollen Sie denn krempeln? Sie Sie sich wirklich nicht im Klaren darüber, in welcher extremen Minderheitenposition Sie sich befinden?
ich habe mich inzwischen erholt von dem schreck.
hier oben steht ja immerhin auch:
"Oder: Feminismus, der mehr sein will als Karrierecoaching und T-Shirt-Aufdruck, muss die Geschichte der Kämpfe – das heißt auch, die der bedrohlichen, taktlosen und radikalen, ja vielfach verhassten Frauen, die daran beteiligt waren – freilegen."
und das erklärt mir im grunde, was der artikel hier tut, auffächert. ich hatte es erst übersehen.
das falsche an dieser in männerhaß umschlagenden antipatriarchalen attitude (solanas) ist ihmo folgendes. 99% der frauen werden von männern beherrscht (jetzt mal ohne thatcher und merkel gedacht). aber 99% der männer auch. die zahl ohne gewähr, ums verhältnis geht's. ich weiß gar nicht, wie ich es noch erklären soll, wieso ich das so kurz gedacht finde. diesen falschen feind.
" ich weiß gar nicht, wie ich es noch erklären soll, wieso ich das so kurz gedacht finde"
Das liegt vermutlich daran, daß es eben sciuma (ital f. Schaum) bzw. scum/Abschaum ist, den die "Philosophin und Kulturanthropologin" da serviert und den man(n) eben nicht allein/aussschließlich mit einer übersichtlichen Anzahl von Nägeln festkloppen kann.
Solanas SCUM als "Nicht ein Kampf von Frauen gegen Männer, sondern ein Kampf gegen die herrschenden gesellschaftlichen Zustände" auszuloben ohne die von Ihnen aufgezeigten Texte des politisierten Männerhasses Solanas wenigstens irgendwie zu damit zu vermitteln, sondern als "Philosophin und Kulturanthropologin" schlicht zu UNTERSCHLAGEN, ist eben "Abschaum", - so daß diese Textausformung auf's Beste mit dem inhaltlichen Programm kohabitiert, das transportiert werden soll. (vergl. auch den Manierismus, - auch als Phänomen disruptiver Zeiten)
Hinsichtlich der 99% erinnere ich a) daran, daß es bei weitem nichtmehr nur um Merkel, Thatcher & Co. geht, sondern schon um eine breitere Schicht, an deren "Spitze" es eben auch SPD-Genossinnen gibt, die bsplw. als gescheiterte Ethik-Vorständlerin in der Großindustrie nach 13 Monaten Anstellung 12 Millionen Euro mitnehmen, ohne daß irgendwelche Konsequenzen gezogen werden, sowie b) daran, daß solche Felder wie Kinderbetreuung/-erziehung (letztlich bis zum Putzen) ganz massiv durch - oft sich hochemanzipativ, kritisch bis "links" dünkende - Frauen eben fast komplett männerfrei gehalten werden, so daß die Frauen-Klage, es stünden eben keine Männer zur Verringerung von Doppel- u. Dreifach-Lasten zur Verfügung und würden Frauen nicht genügend in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft auftreten, weil sie von solchen Tätigkeitsbereichen - teils pseudonatürlich, teils zwangsweise -, absorbiert würden, seit ca. 40-50 Jahren ('68!) faktisch ins Leere laufen. Seit so langer Zeit habe ich immer wieder Einblicke in die "Teamverhältnisse"/Gruppendynamiken in Kinderheimen, Kindergärten, KiTas, Krabbelgruppen, Grund- u. Hauptschulen usw. gehabt: 4 von 5 bis 9 von 10 Männern scheitern dort, weil sie Männer sind, an den herrschenden Frauen, selbst bei besten Erfolgen bis hin zur großen Beliebtheit bei den Kindern, auch ohne diesen konfliktscheu nach dem Mund zu reden, sondern die es vlt. auch dehalb gab, weil ein Mann das Fahrradfahren der Kinder für eine so wichtige Sache hält, daß er dafür öligen Schmutz bei der Reparatur in Kauf nimmt, statt über 18 Monate gar nichts zu tun, in denen nicht ein einziges, der einst intakt gespendeten, Fahrräder in Betrieb ist, um von der verlorenen Vorbild-/Lernen-Funktion neben der entgangenen, wichtigen Körperübung/-erfahrung noch gar nicht zu reden.
Siehe:
"Während die Business-Frau Karriere macht, werden ihre Kinder von anderen Frauen betreut, ihre Wohnung wird von anderen Frauen geputzt."
p.s. @all:
Was sagt eigentlich Slotti zu Schaum/Abschaum, der Plural davon hat es ja sogar in einen seiner Buchtitel geschafft ... ?
"Feminismus ist ein Kampf. Nicht ein Kampf von Frauen gegen Männer, sondern ein Kampf gegen die herrschenden gesellschaftlichen Zustände."
Da werden sich die Männer aber aufregen, denn am Ende nehmt Ihr denen dann auch noch die Lösung des Hauptwiderspruchs ab. Super - und wenn das dann passiert ist, dann könnt Ihr auf den Schoß der revolutionären Daddys klettern und Euch den Lohn abholen.
Für mich unterscheidet sich der Schaum zunächst von den Blasen durch seine Mikrostruktur an Bläschen.
In der aufgerufenen, stumpf negativierenden/umkehrenden/abdrückenden/iconisierenden also transzendenzfreien Anti-These zum herrschenden Schaum, dem Abschaum, wird die gleiche instrumentelle Technik der Mikrofizierung hier wie dort betrieben, bis alles zu Allerweltsphrasen entstellt ist, und die nichtmal vor W. Benjamin damit haltmacht. Ich bin nun kein besonderer Fan B's. aber diese Mikroschnitzelei mit ihm tut mir schon weh. Es ist eben die von "oben", vom herrschaftlichen Schaum übernommene Arbeitsweise, es sei doch eh drauf geschissen, sei doch eh alles zu "f*cken", die die Autorin - offenbar in beiden Lagern stehend, sicher ist sicher - zur posthum-f*ckenden "Öffnung" B's zum Gebrauch/Einlass von Allem und Jedem führt, denn mit dem komplett dekontextualisierten "Dass es so weitergeht, das ist die Katastrophe" operiert man ja vom Linken bis zum KZ-Komandanten über alle Welt.
Das einzige was bleibt, ist die Kopie der Verweigerung: Wenn die oben so'n Scheiß machen dürfen, dort alles wurscht ist, dann darf das "unten" ja nicht verboten sein, stellt sich ein Befreiungsgefühl von den Lasten der Überwindung/Übersteigung/Transzendenz ein, die mit der Autorität des Seriösen auch massiv ideologisch-politisch bis karrieremäßig bewirtschaftet wird. Diese Packeselei der Untersten, Erratischen, Outsider usw., die die Wenden zum Guten/Besseren tragen sollen, hat im SCUM, im Abschaum ein Ende.
Schaum lässt sich meist zwar nicht "festnageln", aber (dis-) lozieren, was bei Blasen aufgrund ihrer Fragilität kaum, nur unter Vorsicht, klappt.
Der Artikel beschreibt genau die Problematik. Frauen sind die Hälfte der Menschheit. Jeder Mann wurde von einer Frau geboren. Das Patriarchat funktioniert nur, weil es zu viele Frauen gibt, die dieses System stützen, indem sie heiraten und in der Erziehung ihrer männlichen Nachkommen versagen. Im Beruf und Politik setzt sich das Ganze fort. Aber es gehört Mut dazu, und es ist unbequem, sich dem patriarchalischem imperialistischem Kapitalismus zu widersetzen.
mut ist weit häufiger anzutreffen als einsicht in komplizierte
verstrickungen.
auch diese hinweise "philosophischer art",
"vom marxismus vorschnell" abgelehnte "vermeintlich veraltete
taktiken ...der sabotage" zu aktualisieren,
spricht für das holz-schuh(sabot)-werfen in die maschinerie,
statt sich denkend um einsichten zu bemühen.
wenn das die philosophische avantgarde des feminismus
wäre,
ginge die geschichte über sie hinweg wie über die maschinen-stürmer.
aber wir haben ja bessere einsichten als die "philosophin".