Seit eine Steuer auf das Klimagas CO₂ in Deutschland in den Bereich des politisch Möglichen rückt, rechnen meinungsführende Medien aus, was das den Bürger kostet. Der von den Grünen geforderte Preis von 40 Euro je Tonne, so etwa die Süddeutsche Zeitung, würde eine Fahrt München – Berlin um 3,50 Euro verteuern.
Viel ist das nicht – bei 30 bis 40 Cent, die ein Mittelklasse-Pkw pro Kilometer alles in allem kostet, und rund 600 Kilometern Entfernung zwischen den Städten betrüge die „Verteuerung“ 1,5 bis 2 Prozent. Nur halb so viel Mehrkosten wären es bei den 20 Euro pro Tonne, die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ins Spiel gebracht hat. Dennoch tun Unionspolitiker so, als würde eine CO₂-Steuer alle Autonutzer aus dem Fahrersitz fegen.
Seit Jahr und Tag werden vor allem Umweltsteuern mit scharfrichterlichen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit traktiert. Ähnliche Besorgnisse sucht man bei anderen, viel stärker in die Verteilung eingreifenden Steuern wie bei denen auf Erbschaften und Vermögen vergebens. Dass kostenlos über Umweltgüter verfügt werden kann, ist nahezu sakrosankt. Wer das ändern will, holt die „Gelbwesten“ ins Land! Punktum.
Wie sähe aber eine CO₂-Steuer aus, die private Geldbeutel nicht belastet? Offensichtlich müssten dazu alle Einnahmen auf Heller und Pfennig zurückgegeben werden. Dazu wäre es nötig, genau zu wissen, wie viel klimarelevante Emissionen jede Bürgerin oder jeder Haushalt verursacht. Danach wäre die Erstattung zu bemessen: Wer viel CO₂ „erzeugt“, bekäme viel zurück. Wer CO₂-sparsam lebt, entsprechend weniger.
Halt, sagen da gewitzte Ökologen. Die CO₂-Steuer soll ja auch Anreize geben, sich klimafreundlich zu verhalten. Die gibt es aber kaum, erstattet der Fiskus allen ihre Steuer eins zu eins. Vielleicht fahren die Leute weniger Auto, weil dies teurer wird, geben aber ihre Rückzahlung für andere, nicht so klimaverträgliche Dinge aus. An ungerechten sozialen Verhältnissen ändert so eine Art der Erstattung auch nichts.
Also ersann man ein Modell, bei dem die Haushalte, die unterdurchschnittlich CO₂ verursachten, ihre nicht beanspruchten Emissionen an die Haushalte verkaufen können, die über dem Durchschnitt liegen. Weil Haushalte, die wenig CO₂ erzeugen, meist in kleineren Wohnungen leben, kein Auto besitzen und auf Balkonien Urlaub machen müssen, also aus prekären Gründen umweltverträglich leben, könnte solch ein Tauschhandel zwischen Emissionsarmen und -reichen eine Art Umverteilung in Gang setzen. Die faszinierende Idee, durch Umweltsteuern soziale Gerechtigkeit (teilweise) herzustellen, war geboren. Nebenbei hätten die, die dabei draufzahlen, einen Anreiz, künftig weniger Emissionen zu verursachen.
Leider scheitert die Idee an der praktischen Umsetzbarkeit, unter anderem an einem irren bürokratischen Aufwand und dem Datenschutz. Das sahen mit der Zeit auch die Ökologen ein und kamen auf die Idee einer pauschalen Erstattung – wie bei der „Lenkungsabgabe“ in der Schweiz.
Die pauschale Lösung hat den Vorteil, dass Einkommensschwächere oftmals profitieren, vor allem, wenn sie in Energiearmut leben. Aber, Achtung! In der Schweiz werden nur zwei Drittel der Einnahmen aus der CO₂-Abgabe erstattet. Das restliche Drittel geht in die Gebäudesanierung.
Liest man die hiesigen Statements grüner wie nichtgrüner Unterstützer einer CO₂-Steuer, drücken sich alle mehr oder weniger elegant um die Frage herum, ob die Steuer vollständig oder nur anteilig in Geldform zurückgegeben werden soll. In Rede steht dann gern, die Einnahmen über intelligenten Klimaschutz zurückzugeben. Hierbei sind viele sinnvolle Verwendungen vorstellbar.
Dass mit einer CO₂-Steuer zum Beispiel auch Bahntickets teurer würden, hat noch niemand angeprangert. Schließlich fährt die Bahn mit einem Strom, der nur zu 40 Prozent grün ist, und verbrennt jede Menge Diesel. Warum also nicht mit einem Teil der Steuereinnahmen die Bahnpreise senken? 400 Millionen Euro soll ja etwa die angedachte Senkung der Mehrwertsteuer für Fernfahrkarten kosten.
Eine andere Idee: armen Haushalten, die wegen Zahlungsverzug von Stromsperren bedroht oder betroffen sind, anteilig die Stromrechnung zu finanzieren, und den Umstieg auf Ökostrom gleich mit. Oder: Wenn Pendler sich entschließen, ihr Auto abzuschaffen und dafür Car-Sharing mit E-Autos zu nutzen – warum sollte man das nicht mit Hilfe der CO₂-Steuer anschieben? Die könnte gleich doppelt wirken: Das Verbrenner-Auto würde etwas teurer, und der Umstieg auf Elektromobilität würde aus den CO₂-Steuer-Einnahmen bezuschusst.
Ob die CO₂-Steuer als sozial oder unsozial empfunden wird, hängt vom Verhältnis von unmittelbarer geldlicher Rückgabe, bei der die Bezieher sozialer Transfers nicht außen vor bleiben dürfen, und den sonstigen daraus finanzierten Öko-Projekten ab. Muss man jedem 20, 30 oder, wenn es denn reicht, 50 Euro zurückgeben? Und welche Klimaschutz-Ideen sind so intelligent, dass sie einen überzeugenden sozialen Mehrwert haben?
Auf die Antworten der Politik dürfen wir gespannt sein.
Kommentare 5
Herr Staude, ist Ihnen eigentlich klar, dass alles was um uns herum existiert, außer es ist die pure, unveränderte Natur, unter Freisetzung von CO2 entstanden ist, ensteht und laufend erhalten werden muß?
Und ganz toll finde ich die von unseren 14 bis 16jährigen Freitagskids errechnete erforderliche CO2-Steuer inHöhe von 180€/t CO2.
Hier geht es nicht nur um ein paar KWh und Liter Kraftstoff oder ein Kohlekraftwerk, es geht um alles und alles bezahlt am Ende der Endverbraucher, der Bürger. Ob arm oder reich, den einen trifft es existenziell, der andere steckt es lächelnd weg.
Nicht in meinem Namen
Wenn ich - als tatsächlich "Armer" (monatliches Einkommen ca. 900 €, davon gehen noch Miete ab, Strom, Versicherung etc.) - irgendetwas wirklich satt habe, dann ist es meine ständige unfreiwillige Instrumentalisierung durch die Kräfte der Wachstumsfetischisten.
Ich glaube an den menschengemachten Klimawandel. Es gibt für mich keinen Grund, plötzlich an der wissenschaftlichen Integrität einer überwältigenden Mehrheit der nationalen und internationalen Wissenschaftler und Forscher zu zweifeln, selbst wenn meine eigenen naturwissenschaftlichen Kenntnisse zu mangelhaft sind, um die Prozesse en detail zu verstehen.
Und ebenso wenig zweifele ich an den alarmierenden Mahnungen der Forst- und Landwirte.
Auch ich bin bereit zu verzichten, um den Fortbestand eines lebenswerten Planeten unterstützen zu können.
Ich erkläre mich auch ausdrücklich bereit, wesentlich mehr für Paketzustellungen zu bezahlen, nämlich die Summen die notwendig sind, um den Kurierfahren ein Einkommen zu gewährleisten, dass den existentiellen Grundbedürfnissen gemäß Maslow gerecht wird plus eines motivierenden Mehrwertes.
Dies gebieten sowohl meine Erziehung, als auch der Kategorische Imperativ.
Wozu ich mich ausdrücklich nicht bereit erkläre, ist mich in therapeutischer Absicht per fortgesetztem Konsumwahnsinn an der Überwindung von Christian Lindners frühkindlichem Plauzentrauma zu beteiligen, damit dieser seine wahnhaften Minderwertigkeitskomplexe durch infantile Statusspielzeuge kompensieren kann.
Ebenso wenig fühle ich mich für die Erhaltung eines durch und durch gekränkten chauvinistischen Altpartiarchates verantwortlich, dem schon das Rederecht einer sechszehnjährigen Frau die Carotis pochen lässt.
Liebe Lindners, Gaulands, Altmeiers, Tichys, Broders und Konsorten
Wenn ihr den Planeten gegen die Wand fahren wollt, dann tut dies.
Aber nicht in meinem Namen!
Können Sie mir erklären, was Sie gegen Braunkohle haben? Plappern Sie nicht alles nach, wenn andere meinen, dem Mainstream folgen zu müssen. Aller Kohlenstoff aus den fossilen Brennstoffen wird zum CO2, da ist es egal ob die Steinkohle aus Polen, Südafrika oder das Erdgas von Putin kommt. Und was Ihnen so als Wolken aus Braunkohlekraftwerken gezeigt wird, ist kein dreckiges Rauchgas aus dem Schornstein, sondern kondensierender Wasserdampf aus Kühltürmen und der Abdasreinigung.
Übrigens hätte Deutschland im vergangenen Jahr 10% mehr Erdgas verbraucht, nur ein milder Winter hat den realen Verbrauch nicht hochschießen lassen. Wir sind auf dem besten Wege, unseren Klimazielen weiter hinterher zu hecheln.
Es ist nicht mit ein bisschen Fahrradfahren und ein paar weniger Flugreisen, auf die man in der Tat verzichten könnte, getan. Wie ich es weiter oben schon schrieb, ist unser gesamtes Tun hier mit CO2-Emission verbunden.
Sah gestern diesen Vortrag auf YouTube, der sehr erhellend ist:
https://www.youtube.com/watch?v=Yze1YAz_LYM
Die menschgemachte Klimaerwärmung wird darin durchaus bestätigt, doch in einem größeren Kontext wird deutlich, dass unser Klimaalarmismus völlig unverhältnismaßig ist.
In sehr großen Maßstäben befinden wir uns in einer Kaltphase, und in einer wiederum kleineren Zyklus befinden wir uns in einer Abkühlungsphase, und diese Abkühlungsphase passiert nicht so liniear wir vorgesehen durch menschengemachten Einfluss. Allerdings nicht erst seit dem fossilen Zeitalter. Schon als die Menschen begannen Holz zu verbrennen und in großem Stil Reis anzubauen hatte das Auswirkungen auf das Klima.
In 10000er Skalen schreiten wir auf die nächste Eiszeit zu, in 1000er Skalen sind wir gerade in einer Aufwärmphase seit einem Tief um 1600, und die aktuelle Diskussion unter Klimaforschern dreht sich im Grunde darum, um wie viel überproportionaler der momentane Anstieg (der wohlgemerkt ohne menschlichen Einfluss auch da wäre) durch menschlichen Einfluss ausfällt.
Dass die Welt durch unseren Klimaeinfluss untergeht, ist einfach Blödsinn. Das Klima ist immer in Bewegung und es war schon mal viel kälter und schon mal viel wärmer in unseren Breitengraden (Berlin war schon mal tropisch und schon mal vergletschert). Wir befinden uns eher im unteren Bereich mit viel Spielraum nach unten und noch viel mehr Spielraum nach oben.
Oberdrauf kommt noch, dass unsere CO2 Einsparung in Deutschland statistisch so gut wie keinen Einfluss auf die globale CO2 Bilanz hat. Und im Grund zahlen wir bereits durch die Stromumlage eine quasi CO2 Steuer.
Das große Dilemma vieler akueller Diskussion ist, dass man das wichtige nicht mehr vom unwichtigen unterscheiden kann.
Die Antwort, ob man die Bürger in Deutschland mit einer CO2 Steuer belasten sollte, deren Einfluss auf das Weltklima vielleicht die zwanzigste Nachkommastelle der Wahrscheinlichkeit ausmacht, ist ziemlich einfach: Nein
Auf regenerative Energiequellen umzuschwenken ist vollkommen sinnvoll, ebenso Abgase und sonstige Emmissionen zu reduzieren. Doch irgendwelche symbolischen Quatschmaßnahmen sind völlig kontraproduktiv, ja am Ende eher Wasser auf die Mühlen der populistischen Rechten.
Oh, mein gott - lass es hirn regnen! "...ihr Auto abzuschaffen und dafür Car-Sharing mit E-Autos zu nutzen" - was ist denn das für ein schwachsinn?
E-automobile - Herr Staude - sind wesentlich CO2-intensiver als herkömmliche automobile! Nicht car-sharing für den weg zur arbeit ist die lösung, sondern die überwindung des pendelzwangs (verkehrsvermeidung)! Und dann noch CO2-steuern, die nichts steuern sollen!? Was glauben Sie - Herr Staude - wieviele biologische funktionen eines baumes können durch geld, gleich ob 20, 40 oder 180 EUR, ersetzt werden, wieviel co2 binden 180 EUR in 24 std.? und wie schnell wachsen die 180 EUR damit sie demnächst schatten spenden?
Mit geld werden wir die klimakatastrophe niemals aufhalten ... und schon gar nicht ihre begleiterscheinungen "bezahlen" können!