Nix ist’s, Nixen!

Was läuft Jenni Zylka hätte den „Mysterious Mermaids“ mehr Sex gegönnt. Spoiler-Anteil: 27%
Ausgabe 11/2019

Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan. Tatsächlich zieht es uns in diesem Fall eher hinab: In die dunklen Tiefen des Meeres, an dessen Küste das Städtchen Bristol Cove liegt, wo die Tourismusbranche seit Jahrzehnten von einer Meerjungfrauenlegende profitiert. Hier sei, so behauptet die lokale Geschichtsschreiberei, einst eine schöne Nixe an Land gekommen, ein Seemann habe sich in sie verliebt, unglücklich natürlich – das übliche Narrativ, wenn es um das Verhältnis zwischen nautischer und Landbevölkerung geht.

Die Serie Mysterious Mermaids, die bereits im Titel ihr Geheimnis offenbart (im Original heißt sie ähnlich effektiv Siren) hält demzufolge mit ihrem Alleinstellungsmerkmal nicht lange hinterm Berg: Gleich zu Beginn wundern sich ein paar kerlige Seeleute über einen mysteriösen Beifang. Aber bevor sie den riesigen Fisch (?) von dem sie nur die Schwanzflosse sehen, aus dem Netz befreit haben, hat der schon einen der Fischer verletzt, und ist im Unterbau des Kutters verschwunden. In Nullkommanichts steht ein Militärhubschrauber am nächtlichen Himmel, Fischer und Beifang werden eingesammelt und abtransportiert – und die Prämisse ist gesetzt, wegen der Ryn, die Schwester der, wir ahnten es, mitgefangenen Meerjungfrau, etwas später ihren Fischschwanz abwirft und (auf Menschenbeinen) an Land wankt.

Dort stiftet die junge Frau mit den türkisfarbenen Augen tüchtig Verwirrung, vor allem beim Meeresbiologen Ben Pownall, der als schuldbewusster Abkömmling des lokalen Fischereimoguls versucht, den Einwohnern die radikale Überfischung der Meere begreiflich zu machen – und mit seiner Freundin und Kollegin Maddie dabei in Sachen Natur- und Tierschutz auf verlorenem Posten kämpft. Es kommt, wie es kommen muss: Ben ist fasziniert von der geheimnisvollen Ryn, doch auch mit Maddie versteht sich das Wasserwesen, dessen rudimentären Sprachkenntnisse an „Ich Tarzan – du Jane“ erinnern, hervorragend. Wenn da nicht nur der Antagonist in Form eines Forschers im Dienst des Militärs wäre, der Ryns Schwester mit schmerzhaften Experimenten an die Schuppen will...

Es steckt sehr viel Schönes in dieser in ihrem kalten, klaren Look an der Twilight-Trilogie ausgerichteten Mystery-Serie: Wie selbstverständlich sich sämtliche Hautfarben der Erde im Schmelztiegel Bristol Cove mixen, wie hübsch die Vorstellung von (vielleicht lesbischen!?) Meerschwestern auf dem Meeresgrund ist, wie ungewöhnlich Ryns Stärke eingesetzt wird: Meerjungfrauen sind hier keine süßen, rothaarigen Arielles oder sich verführerisch-barbusig auf Felsen räkelnde Sirenen. Sie symbolisieren das Gegenteil – eine animalische weibliche Kraft. Eine Horde weiblicher Raubtiere, die sich an den Menschen für ihre Umweltsünden rächt. Dass ihr Gesang (Hetero)Männern den Kopf verdreht, ist eines der wenigen Zugeständnisse an das klassische Nixen-Motiv. Und dass sie in ihrer Fischform (der Übergang zum mit Rückenstacheln ausgestatteten, spitzzähnigen Wassermonster findet ausschließlich unter Schmerzen im Meer statt) keine Brustwarzen haben, liegt einerseits an der Nippel-Hysterie der US-Gesellschaft, die sich mit diesem albernen Trick selbst zensiert – ist aber andererseits logisch: „Mermaids“ sind eben Fische, keine Säugetiere.

Die Schwäche der von Eric Wald und Dean White ersonnenen Serie ist jedoch ihre Inszenierung, die den vielen guten Ausgangsideen leider kaum mehr als Gähnen entgegensetzt: Immer wieder stehen der lahme Chris (Alex Roe) und seine Gutmenschen-Freundin Maddie (Fola Evans-Akingbola) angespannt herum, und bekommen zu viele Infos über das Handy, immer wieder wird Ryn (Eline Powell) aus der Handlung ausgeschlossen – „zu gefährlich!“, hockt bei der raunenden Buchhändlerin Miss Hawkins, und wird von ihr mit Fisch gefüttert. Aus den Anlagen für eine große Fantasy-Saga, die Märchenklischees bricht, das einseitig erotisch aufgeladene Nixen-Nymphen-Thema durcheinander wirbelt, und auch noch eine Aussage zum ökologischen Stand der Dinge macht, wird ein zu zähes, etwas verworrenes Fang-den-Nöck-Drama. Nicht mal echter Nixensex wird den Beteiligten gegönnt, jedenfalls in der ersten Staffel der momentan auf ProSieben laufenden Serie: Nach einem ersten Kuss zwischen Ryn und Maddie kommt außer ein paar hitzigen Träumen, die Chris ausbrütet, nichts (und niemand) mehr. Dabei hätte man sich so gut hinterher im kalten Wasser abkühlen können.

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