Noch ein Euro-Bestatter

Italien Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU könnte bald um ihre Kreditwürdigkeit auf dem internationalen Finanzmarkt gebracht und für den Euro-Rettungsschirm fällig sein

Ökonomische Spitzennoten wie die Deutschen bekommen die Italiener schon lange nicht mehr. Doch damit kann die siebtgrößte Ökonomie der Welt locker leben. Solange die Finanzmärkte nicht in Hysterie geraten und italienische Banken die Anleihen ihres Staates kaufen, solange lässt sich dessen Schuldenberg verkraften. Seit Anfang der Woche allerdings ist es mit den eingespielten Arragements vorbei – die Rating-Agenturen kanzeln ab, die Anleger flüchten, die Aktien von römischen Großbanken stürzen ab – es gibt Panik an den Börsen. Zinsen, Risikoaufschläge und Renditen für italienische Staatspapiere schießen auf Rekordhöhen. Griechenland, Portugal, Irland – das waren kleine Fische. Ab sofort gerät mit Italien Großwild ins Fadenkreuz der Finanzmärkte.

Gut 1,84 Billionen Euro an italienischen Staatsanleihen sind in Umlauf. Spanien, die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, hat nur 0,65 Billionen Euro zu tragen. Es sind in der Hauptsache italienische Gläubiger, die ihrer Republik Geld geliehen haben. Nur 262 Milliarden Euro, weniger als 15 Prozent dieser Staatsschuld, bevölkern die Portefeuilles ausländischer Banken, unter denen französische Institute mit Papieren im Wert von 98 Milliarden den größten Anteil halten. Deutsche Banken halten weit weniger, gut 36 Milliarden, allerdings ohne die bei Bad Banks geparkten Schrottpapiere. Alles noch kein Grund zur Aufregung.

Allerdings müssen bis Ende 2011 177 Milliarden Euro refinanziert werden, 2012 dann 245 Milliarden und bis Ende 2014 700 Milliarden. Im Blick auf diesen beachtlichen Finanzbedarf muss sich Italiens Finanzminister Tremonti Sorgen machen, wenn die Finanzmärkte verrückt spielen. Zur heftiger Panik gibt es dennoch wenig Grund: Italien wird von keiner Immobilien-, keiner Bankenkrise, auch keiner Überschuldung der Privathaushalte wie in Spanien heimgesucht. Für jede Regierung in Rom, die noch bei Trost ist, müsste die extreme Jugend- arbeitslosigkeit das weitaus gravierendere Problem sein als die Staatsverschuldung.

Das jüngste Sparpaket von Finanzminister Gulio Tremonti – gerade erst vom Kabinett verabschiedet – sieht Einsparungen von 40 Milliarden Euro vor, die jedoch erst nach der nächsten Parlamentswahl 2013 greifen sollen, aber für die Katz sein werden, wenn die Zinsen und Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen weiter so steigen wie in den zurück- liegenden Wochen. Zwar wird Italien seine in den nächsten Monaten fälligen Anleihen garantiert bedienen, doch nur um den Preis eines wieder gen Himmel wachsenden Schuldenberges. Die Steuerbürger Europas können nur hoffen, dass ihre Regenten die Flammen- zeichen an der Wand sehen und begreifen: Die Finanzkrise ist alles andere als vorbei. Seit Italien ins Visier von Gläubigern und Märkten geraten ist, werden die Grenzen aller Rettungsschirme unübersehbar. Der einzig mögliche Befreiungsschlag für die Euroländer liegt auf der Hand: Jetzt müssen Euro-Anleihen her, die den US-Treasury-Bonds wirksam Konkurrenz machen. Die Eurozone braucht eine gemeinsame Finanzpolitik, einen Finanzausgleich und einen einheitlichen Markt für öffentliche Anleihen oder sie kann den Euro abschreiben. Von hilfloser Anti-Krisen-Rhetorik unserer Eliten profitieren nur die angelsächsischen Pleitestaaten.

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