Noch zu retten?

Opel Antwerpen Während Angela Merkel den Verkauf von Opel als Erfolg feiert, macht sich am Antwerpener Standort Fatalismus breit. Der Belegschaft bleibt nur die Hoffnung auf die EU

Man fühlt sich dieser Tage an Franck Vandenbroucke erinnert, den damaligen Arbeitsminister der belgischen Region Flandern. Im Februar nahm seine Regierung Kontakte nach Berlin auf, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Ziel: Die Rettung der Opel-Standorte in den Nachbarländern. Damals hatte General Motors Pläne bekannt gemacht, an den europäischen Niederlassungen zur Rettung des Konzerns eine knappe Milliarde Euro einzusparen. Das Werk in Antwerpen mit seinen 2.700 Beschäftigten galt schon damals als erster Schließungskandidat. "Wenn wir mit den Deutschen keine Front bilden", so der Vandenbroucke, "kann es nur schlecht ausgehen”.

Ein halbes Jahr und einige verworfene Zukunftsmodelle später hat sich an der Perspektive des Standorts nichts geändert. Dass es "schlecht ausgeht" für das mit 80 Jahren älteste, noch bestehende europäische Opelwerk, ist eher noch wahrscheinlicher geworden. John Smith, der Chef-Unterhändler von General Motors, verkündete auf der Pressekonferenz nach dem Verkauf der europäischen Unternehmensteile, das Werk in Antwerpen werde auf absehbare Zeit überflüssig. Während die Medien darauf mit Bildern wie "Totenglocke" und "Sterbebett" den Abgesang begannen, klammern sich Gewerkschafter daran, dass der neue Haupteigner Magna noch keine konkreten Pläne verlauten ließ.

Dennoch hängt das Damoklesschwert der Schließung an keinem anderen Standort so niedrig über den Beschäftigten wie in der Hafenmetropole. Die Arbeitskosten sind hoch, mit dem Astra wird dort nur ein Modell gefertigt, und auch diese Produktion läuft 2010 aus. Für die Produktion eines anderen Typs wären Sanierungskosten von mehreren Hundert Miilionen Euro fällig. Hinzu kommt die Streikfreudigkit der belgischen Automobilindustrie. Genug Gründe, die die Verhandlungsposition Antwerpens nicht gerade stärken.


Doch auch der ausgefallene Schulterschluss mit der Berliner Regierung ist ein bedeutender Faktor. Diese machte schlussendlich ihre eigene 'Front', um die vier deutschen Standorte zu retten. Während sich die Kanzlerin also zu ihrem Coup auf der Wahlkampf-Zielgeraden gratulierte, machte sich in Antwerpen Fatalismus breit. Geschockt ist man hier nicht mehr, zu hoch sind die Standards der Zumutungen. Das Werk erlebt in den letzten Jahren eine gigantische Entlassungswelle. Seit 2007 die Einstellung der Astra-Produktion bekannt wurde, ist die Belegschaft um rund die Hälfte geschrumpft, Kurzarbeit ist in den letzten Monaten gang und gebe. "Die Deutschen haben mal wieder gewonnen", so der launische Kommentar eines Schichtarbeiters. Ein Kollege räumte schulterzuckend ein, natürlich sei der Magna-Deal politisch.

Genau darauf beruht nun die - wieder einmal - letzte Chance für Opel Antwerpen. Während am Tag nach der Entscheidung belgische Politiker Berlin trotzig Protektionismus vorwarfen und ankündigten, die EU- Kommission einzuschalten, keimte am Wochenende leise Hoffnung auf. Gebaut ist sie auf Statistik: die Rentabilität des Werks in Bochum liegt noch unter derjenigen in Antwerpen. So steht es in den Unterlagen, die Magna selbst bei der EU- Kommission einreichte. Dies aber steht im Widerspruch mit der europäischen Gesetzgebung, wonach in Fällen staatlicher Finanzspritzen streng nach wirtschaftlichen Aspekten zu verfahren sei. Zudem liegen die 4,5 Milliarden der deutschen Regierung oberhalb der Lohnmasse - auch das ist eigentlich nicht zulässig.

Neelie Kroes, zuständige EU-Kommissarin, gibt an diesem Wochenende in einer belgischen Wirtschaftszeitung eine Anekdote zum Besten. Demnach fragten Manager von General Motors bei einem Treffen mit europäischen Ministern ganz offen, wie viel ihnen der Verbleib der Opelwerke in ihren Ländern wert sei. Einen Kuhhandel, so die Botschaft Kroes´, werde sie auch jetzt nicht dulden. Der seidene Faden, an dem Opel Antwerpen hängt, ist dieser Tage trotzdem noch etwas dünner geworden.

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