Nur eine Momentaufnahme

Scheinsieg Silvio Berlusconi ist noch einmal davon gekommen, aber eine Mehrheit von drei Stimmen im Abgeordnetenhaus ist kein Faustpfand für seine politische Zukunft

Dieser Premier kann alles: Italien vor dem Kommunismus retten und eine Minderheit in eine Mehrheit verwandeln. Mit einer Kombination aus Druck, Versprechen und Geld gelang es ihm, das Vertrauensvotum im römischen Abgeordnetenhaus zu überstehen. Innerhalb von 48 Stunden wurden so aus 313 zu 311 Stimmen gegen ihn 314 zu 311 für ihn! Einige Oppositionspolitiker, die sich nach außen siegessicher gaben, sahen das Unheil kommen. So verwies etwa Pier Luigi Bersani, Sekretär der Demokratischen Partei (DP), kurz vor der Abstimmung auf das „wirkliche“ Italien außerhalb des Parlaments: „Draußen gibt es ein Land, das es leid ist und Änderungen will.“

Ähnliches hatte er schon Tage zuvor geäußert, da seine Partei mehr als eine Million Menschen für einen Protestmarsch durch Rom gewinnen konnte. Die Besinnung der Opposition auf die Kraft ihrer Anhänger kommt spät, aber vielleicht nicht zu spät. Silvio Berlusconis Abstimmungssieg ist nicht mehr als eine Momentaufnahme. Regierungsfähig ist der Cavaliere mit einer Drei-Stimmen-Mehrheit kaum. Und dass die wachsen könnte, scheint fraglich. Gianfranco Finis Rechtsblock-Sezession Futuro e Libertà steht – abzüglich der von Berlusconi abgeworbenen Parlamentarier – geschlossen in Opposition. Fini hat viel taktiert und sich um den Aufbau einer Front gegen die Regierung bemüht, doch nun ist er durch das Scheitern des Misstrauensvotums erkennbar geschwächt, was durchaus zu begrüßen ist. Nicht nur, weil er 16 Jahre lang mit Berlusconi durch dick und dünn gegangen ist, auch weil er noch kurz vor der Entscheidung die Neuformierung des Rechtsblocks – ohne oder mit Berlusconi – als Ziel ausgab.

Sollte es demnächst zu Neuwahlen kommen, ist vieles möglich, sogar ein erneuter Sieg des jetzigen Regierungschefs. Dessen Gegner haben nur eine Chance, sollten sie eine breite Allianz zustande bringen – auch mit der seit 2008 außerparlamentarischen Linken, die seinerzeit an der Wahlabstinenz des eigenen Anhangs scheiterte. Heute ist der Anteil wahlmüder Italiener auf 40 Prozent gestiegen. Gut möglich, dass die jüngste Intrigen die Politikverdrossenheit noch schüren. Es könnte aber auch die Erkenntnis reifen, um Silvio Berlusconi endlich abzuschütteln, selbst aktiv werden zu müssen.

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