Nur noch Bestseller

Buchmarkt Der bekannte US-amerikanische Verleger André Schiffrin sieht schwarz

Die Fusion zwischen Penguin und dem zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Verlag Random House hat Schockwellen ausgelöst. Dieser neue Leviathan wird ein Viertel aller auf Englisch erscheinenden Bücher verlegen. Es geht um Umsatzzahlen von beinahe vier Milliarden Dollar. Dennoch tun New York Times und andere Medien nun so, als handele es sich um eine routinemäßige, vielleicht gar vorteilhafte Entwicklung. Nehmen wir also an, folgende optimistische Vorhersagen träfen zu: weniger Titel und Lektoren, effizienterer Vertrieb und bessere Deals mit Amazon zumindest für die großen Unternehmen. Wird das reichen, um die Aktionäre zufriedenzustellen?

Bertelsmann hofft offenbar, durch die Fusion die enttäuschenden Gewinne steigern zu können, welche die zehntausend Titel, die Random House jährlich über seine zweihundert „Imprints“ (einst florierende unabhängige Häuser) verlegt, bislang abgeworfen haben. Dabei legen diese Manöver vielmehr nahe, dass Publikumsbücher einfach nicht einträglich genug sind und es auch nie sein werden. Und dass man Häuser, die Bücher herausbringen, überhaupt nicht erst hätte kaufen sollen.

Der Buchhandel schrumpft zusammen

Nein, die Zukunft des Buchs sieht nicht gut aus. Die Ketten haben es geschafft, den Großteil der unabhängigen Buchhändler zu verdrängen. Als ich nach dem Krieg im legendären New Yorker 8th Street Bookshop als Laufbursche arbeitete, gab es 333 unabhängige Buchhändler in der Stadt. Inzwischen sind es noch wenige Dutzend. Und selbst die geraten durch den Onlinehändler Amazon, der die Zwischenhändler eliminieren will, zunehmend unter Druck.

Inzwischen sind sogar die Buchhandelsketten gefährdet – die US-Kette Borders ist bereits pleitegegangen, bei Barnes & Noble sinken die Umsätze. Läden, die den Lesern erlaubten, neue Bücher zu entdecken – und sich von kompetenten Verkäufern beraten zu lassen –, sind weitgehend verschwunden. Amazon hat nicht versucht, diese Rolle zu übernehmen. Es setzt mehr und mehr auf die Publicity für Bücher, die ohnehin schon Bestseller sind. Auf diese verschwendet man ganzseitige Anzeigen in der Times Book Review und im New Yorker. Diese Titel werden sich ganz bestimmt auch in elektronischer Form weiter gut verkaufen, auch wenn die Ketten zur Gegenwehr ansetzen. Es wird berichtet, sie weigerten sich, Bücher aus dem Amazon-Verlag (denn neuerdings ist der Gigant ja auch selbst Verleger) in ihre Regale zu stellen.

Verlust an Vielfalt

Doch wie sich jede Woche den Bestsellerlisten entnehmen lässt, verkauft sich in der Regel immer die gleiche Handvoll Bücher am besten – egal in welchem Format. Die kleineren Titel werden zusehends aus den Programmen der größeren Konzerne verschwinden, die wenigen verbleibenden Verlage werden noch größere Schwierigkeiten haben, das Wenige, was sie herausbringen, in den Verkauf zu bekommen.

Die Times berichtet auch, Literaturagenten und Autoren hätten Befürchtungen geäußert, seien angeblich aber von Beteuerungen der Unternehmenskonglomerate beschwichtigt worden. Dabei sind solche Versprechen eindeutig bedeutungslos.

Die Agenten werden zunehmend weniger Bieter finden, die Autoren zunehmend weniger Verleger. Und die Leser? Selbst die Times hat bei den Konglomeraten keinen Manager finden können, der bereit gewesen wäre, denen zu sagen, die Zukunft sähe vielversprechend aus.

André Schiffrin, geboren 1935, leitete lange den Pantheon Verlag, heute New Press, und ist Autor von „Verlage ohne Verleger“ (Wagenbach)

Und wie kleine Berliner Verlage um ihr Überleben kämpfen, erfahren Sie hier

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