Oh, ein Hund!

Medientagebuch Wie ich unlängst mit meinem Justus zufällig Michael Naumann in der "Cicero"-Redaktion besuchte und einsehen musste, dass das monatliche Magazin besser geworden ist

Ganz wohl war mir nicht, als ich den Auftrag annahm, mich 
kritisch-engagiert mit Michael Naumanns intellektueller Halbjahresbilanz bei Cicero zu beschäftigen. Gerade hatte er auf die Online-Kritik eines 
ehemaligen Cicero-Mitarbeiters mit 
juristischen Sanktionen überreagiert. Wäre es nicht klüger gewesen, das 
Stück Gerüchte-Huberei einfach online stehen zu lassen?
Man hört von großer Eitelkeit und 
allerlei Allüren. Jeder flüstert einem 
etwas zu. Über mich selbst erfuhr ich, dass ich von einem Chefarzt ausgehalten werde. Haha! Verifizieren ließ sich indes eine Irritation über Naumann an der Humboldt-Universität. Dort sorgte ein Interview für Verwunderung, in dem Naumann sich auf praktische Lehrerfahrung an der HU berufen habe. An der HU wartet man allerdings seit Jahren auf die Antrittsvorlesung des Honorarprofessors, von Lehrveranstaltungen ganz zu schweigen.
Was alles zu bedenken ist, wenn man den neuen Cicero rezensieren soll! Ich bat um ein Vorabexemplar, gern als PDF. Die Mail kam nicht. Stattdessen wurde mitgeteilt, Naumann wolle erst mit 
Jakob Augstein reden. Ich fiel fast in Ohnmacht. Was wird denn da für eine Drohkulisse aufgebaut? Wieso hatten die nicht einfach gesagt, dass schon 
gedruckte Exemplare da sind? Nun gut, also ein Heft abgeholt. Aus der erwarteten Abfertigung am Empfang wurde nichts. Ich musste nach oben! Dabei 
hatte ich meinen Hund dabei. Was tun? Muss Justus halt mit. Mehr als rausschmeißen können die uns nicht. Aus irgendeiner Ecke rief eine Stimme: „Nach links“. Ich fragte frech: „Sind Sie sicher?“ Justus rannte schon mal los. Ich hinterher. „Oh, ein Hund!“ Und schon stand ich bei Michael Naumann im Büro. Der schien auf mich gewartet zu haben. Na klar, gern wollte ich mit ihm sprechen.
Ich bot an, den Hund vor der Tür abzulegen. „Nein! Ich liebe Hunde“, sagte er. „Ich hoffe, dass ich meine alle wiedertreffe, wenn ich tot bin.“ Bildete ich mit die Traurigkeit in seinen Augen ein? Wir redeten ein wenig über Justus, so dies und das und dann auch über das Magazin. Er erzählte von seinen Autoren und was er noch so vorhat. Druck baute er nicht auf. Dünkel konnte ich nicht wahrnehmen, spürte aber etwas anderes: Er schien wirklich noch immer fassungslos zu sein über die Diskussion, die in Sachen Linksruck entstehen konnte. „Es geht doch um das, was hier drin steht!“ Er hielt seinen Cicero hoch.
Deshalb war ich ja da! Und um im Bild zu bleiben: Naumann hat ausgemistet. Das Magazin ist von genau 
dem krawalligen Stallgeruch befreit, mit dem der Autor des „Linksruck“-
Vorwurfs kontaminiert scheint. Cicero steht jetzt ziemlich souverän über diesem Lagerdenken. Man mag das Heft von vorne bis hinten komplett durch-lesen. Das Portrait der Miligram-Brüder von Thomas Kielinger habe ich sogar zweimal gelesen. Ein Hochgenuss.
Das Interview mit Paul Auster vermittelt einen schönen Eindruck der 
aktuellen Gestimmtheit eines engagierten US-Intellektuellen. Auch das Ressort "Kapital" bietet echte Geistesblitze. Wem ist in Zeiten des verbreiteten Alarmismus geläufig, dass Spanien seit 1550 schon 13 Mal bankrott war, Griechenland seit seiner Unabhängigkeit durchschnittlich alle zwei Jahre – und dass das früher nie ein großes Problem war? Natürlich fällt auf, dass viel zu wenig Frauen vorkommen und die meisten männlichen Autoren das Pensionsalter erreicht haben. Aber die meisten 
schreiben wirklich gut: gedankenreich, kenntnisreich, geschliffen. Kritik? Das Layout könnte pfiffiger sein.

Und vielleicht klärt Michael Naumann ja auch mal die Sache mit der Humboldt-Uni.

Sabine Pamperrien hat Literaturwissenschaft studiert und ist freie Journalistin

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