Am ersten Augustwochenende wurde ein Kubaner in Cottbus von rechten Schlägern krankenhausreif geprügelt. Unter Rufen "Ausländer raus - Alle Ausländer müssen sterben" hatten die Rechten an einer Tankstelle im Cottbuser Ortsteil Sandow auf den 38-jährigen Rafael A. eingeschlagen. Angriffe wie dieser hatten 1998 Jugendliche aus Brandenburg dazu gebracht, die Aktion Noteingang zu starten. Als im Sommer 2000 der "Aufstand der Anständigen" staatlicherseits ausgerufen wurde, war die Aktion Noteingang eine der Initiativen, die in der überregionalen Presse bejubelt wurden.
Vor Ort jedoch werden die Jugendlichen oft als Unruhestifter und Querulanten angesehen, denn der mittlerweile allseits festgestellte Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft existierte aus
schaft existierte aus Sicht der Verantwortlichen in den jeweiligen Kommunen überhaupt nicht. In Eisenhüttenstadt etwa hat die Stadt Ortsschilder aufgestellt mit der Aufschrift "Kein Platz für Rassismus", doch Bert, der schon lange in der Stadt lebt, hat damit seine Probleme: "Ich glaube, dass es eine Entschuldigung dafür ist, dass sie sich eigentlich mit dem Problem nicht genug beschäftigen." Um dieser Frage genauer nachzugehen initiierte deshalb das "Demokratische Jugendforum Brandenburg" (DJB), das das Netzwerk unabhängiger Jugendgruppen Aktion Noteingang koordiniert, einen antirassistischen Wettbewerb. Seit September vergangenen Jahres haben Jugendliche und selbstorganisierte Jugendgruppen aus elf Städten und Gemeinden Brandenburgs vor Ort zu Rassismus und Rechtsextremismus recherchiert, Aktionsideen entwickelt und deren Umsetzung dokumentiert. Zur Intention dieses antirassistischen Wettbewerbs erklärte Susanne Lang vom DJB: "Wir wollten vier Jahre nach unserer Aktion Noteingang und ein Jahr nach dem Sommer der Zivilcourage eine neue öffentliche Diskussion provozieren." Während des unter dem Label Aktion Analyse firmierenden Wettbewerbs recherchierten Jugendliche des antirassistischen Jugendbündnisses zu drei Themenkomplexen. Gruppen unter anderem aus Eisenhüttenstadt, Frankfurt/Oder und Spremberg konzentrierten sich in ihrer Arbeit auf die Neonazi-Szene vor Ort, die Dominanz rechter und rassistischer Einstellungen und ihre Anstrengungen, sich eigene (soziale) Räume zu erkämpfen. Dem Thema Schule und Rassismus hatten sich Jugendliche aus Hennigsdorf und Neuruppin zugewandt. In den Beiträgen aus Angermünde, Cottbus und Schwedt spielte die Situation von Flüchtlingen in Brandenburg die Hauptrolle. Da sämtliche Beiträge die Jury überzeugten, wurden, entgegen der ursprünglichen Intention, am Ende alle prämiert. Darunter war auch die umfangreiche Analyse zum Thema Rechtsextremismus der "Alternativen Gruppe" aus dem Umfeld eines selbstverwalteten Jugendclubs in Eisenhüttenstadt. Ihre Recherchebroschüre trägt den Titel "Kein Platz für Rassismus?" und stellt das Motto der Ortseingangsschilder, die vor zwei Jahren durch die Stadtverantwortlichen aufgestellt wurden, in Frage. In der Broschüre schildert etwa die 15-jährige Julia, wo überall in der Stadt sich die Rechten treffen. Weniger Resignation als widerständiger Trotz schwingt allerdings dabei mit, wenn sie sagt: "Ich fahre aber keine Umwege mehr. Ich denke, wenn sie mir dann in die Fresse hauen, dann soll das eben so sein." Durch die subjektiven Berichte von kritischen Jugendlichen über ihre Wahrnehmung von Rassismus und Rechtsextremismus in ihrer Stadt entsteht ein Bild, das nicht so recht zum Wunschbild der Stadtväter auf den Ortsschildern passen will. "Dass so viele Jugendliche teilgenommen haben und so gute Ergebnisse herauskamen, ist für uns ein absoluter Erfolg", zieht Robert Richter vom DJB Bilanz. "Und zwar in mehrfacher Hinsicht: Zum einen wurde unsere Basisstruktur gefestigt und es sind neue Gruppen hinzugekommen. Zweitens sind die internen intensiven politischen Auseinandersetzungen positiv zu vermerken und drittens die Wirkung der Aktion in Brandenburg und den Kommunen." Die Jugendlichen hätten durch ihr Engagement Selbstbewusstsein und Beachtung gewonnen, so sein Fazit. "Die Aktion hat neue Handlungsspielräume für die Jugendlichen geschaffen. In Eisenhüttenstadt beispielsweise sind die Rechercheergebnisse, die im Rahmen der Aktion Analyse erstellt wurden, nun Diskussionsgrundlage im lokalen Aktionsbündnis gegen Rechts." Jugendliche, die die rechte Jugendkultur ablehnen oder gar gegen sie aktiv sind, befinden sich in Brandenburg in der Minderheit. Dass sie es nicht leicht haben, liegt nicht nur an der Bedrohung durch die Neonazis. Die Ergebnisse, die im Rahmen der Aktion Analyse zusammengetragen wurden, machen deutlich, mit welchen massiven Schwierigkeiten, Misstrauen und Anfeindungen die Jugendlichen von Seiten der Gemeinden und vielen Einwohnern konfrontiert sind. Ob Bürgermeister, Verwaltungsangestellte, die Lokalpresse - überall wirkt das selbstbestimmte antirassistische Engagement der Jugendlichen suspekt. Zwar wird immer wieder in Sonntagsreden ein Engagement eingefordert, wie es die Brandenburger Jugendlichen vormachen, doch da, wo man nicht nur Symptome bekämpft, sondern auf die gesellschaftlichen Ursachen und Wechselwirkungen zwischen staatlicher Politik und rassistischer Alltagskultur hinweist, wollen viele Rechtsextremismus nicht wahrhaben. Bislang haben sich die Jugendlichen in Brandenburg dadurch nicht entmutigen lassen.Die Ergebnisse des Wettbewerbs sind unter www.aktion-analyse.org dokumentiert.