An diesem Wochenende tritt in Berlin der Vereinigungsparteitag von Linkspartei und WASG zusammen. Ihren Willen zur Fusion haben die Mitglieder beider Parteien in Urabstimmungen deutlich gemacht. Nun werden die Delegierten die neue Linke offiziell gründen. Vorab lautete eine Kritik an den Programmatischen Eckpunkten, es werde auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu wenig Wert gelegt. Über die grüne Seite der Roten sprachen wir mit Wolfgang Methling, acht Jahre lang Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns.
FREITAG: Wie grün muss die neue Linkspartei sein?
WOLFGANG METHLING: Kräftig grün. Ökologen müssen nicht Sozialisten - aber Sozialisten müssen Ökologen sein. Das ist meine Erkenntnis aus der Entwicklung und dem Scheitern der DDR und ihren ökologischen Defiziten.
Was sagen Sie dann zum Ergebnis einer Umfrage jüngst in der "Frankfurter Rundschau", bei der WASG und Linkspartei als "klimapolitischer Totalausfall" bezeichnet werden?
Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es bei solchen Umfragen ähnliche Resultate, obwohl ich dort acht Jahre lang Umweltminister gewesen bin. Das überrascht mich sehr. Ökologisch haben wir mehr zu bieten, als manche meinen. Aber offenbar dauert es lange, bis man ein politisches Profil im Gedächtnis der Öffentlichkeit verankern kann. Wir müssen uns dauerhaft und konsequent ökologisch positionieren und danach handeln. Und wir müssen jemanden finden, der dies öffentlich verbreitet. Beides ist bislang nicht ausreichend geglückt.
Denken Sie, dass die Linkspartei mit einer aktiven Klima- und Umweltpolitik weiter ist als die WASG - ist der Zusammenschluss in dieser Hinsicht sogar von Nachteil?
Nein, das glaube ich nicht. Wir sind als Linkspartei weiter, weil wir eine längere Parteigeschichte haben und bei uns ökologische Gruppierungen bestehen. Wir haben die Ökologische Plattform, wir haben eine Bundesarbeitsgemeinschaft Umwelt, Energie, Verkehr, die ich leite. In dieser arbeiten mehrere WASGler mit und beweisen ökologisches Profil.
Wie will sich die künftige linke Partei ökologisch profilieren? Gegen die Grünen oder indem sie die Gemeinsamkeiten mit ihnen herausstellt?
Die ökologisch Engagierten sollten zusammenarbeiten, außer- wie innerhalb des Parlaments, auch wenn sie zugleich Konkurrenten im Wettbewerb der Parteien sind. Die Linkspartei.PDS ist dafür offener als die Grünen - das habe ich zumindest in Mecklenburg-Vorpommern gemerkt. Ich habe immer zu Kooperationen eingeladen, doch von Seiten der Grünen ist das selten positiv erwidert worden. Ich hoffe, das lässt sich ändern, allerdings gehört dazu eine Schnittmenge in anderen Bereichen.
Im noch gültigen PDS-Programm heißt es, um der ökologischen Verantwortung gerecht zu werden, müssten "Kämpfe um neue Lebensweisen" geführt werden. Das würde Konsumverzicht einschließen. Verträgt sich das mit der geforderten Stärkung der Binnennachfrage?
Konsumverzicht muss nicht heißen, dass man Mangel leidet. Vielmehr muss man aufhören, große Mengen von dem, was erzeugt worden ist, auf den Müllhaufen zu werfen. Wir müssen fragen, wie kann Entwicklung ohne materielles Wachstum gestaltet werden? Auch mit weniger Technik und mit mehr Natur gibt es Entwicklung. Manche Wachstumsprophetie weist in eine Sackgasse, weil Ressourcen endlich sind und wir deshalb ihren Einsatz reduzieren müssen. Klimaschutz heißt immer auch Ressourcenschutz.
Ein rationeller Umgang mit Energie muss nicht Verzicht bedeuten. Der Material- und Energieverbrauch kann verringert werden, ohne dass man Bedürfnisse hintanstellt. Ein typisches Beispiel: Die Stand-by-Schaltung ist ein technischer Fortschritt. Aber ist sie nötig?
In den Programmatischen Eckpunkten der neuen Linken fordern Sie eine "Effizienzrevolution", um den CO2-Ausstoss in Deutschland zu senken. Was verstehen Sie darunter?
Die Kraftwerke müssen effizienter werden und dürfen künftig nicht bloß einen Wirkungsgrad von 20 Prozent erreichen. Die modernsten Gaskraftwerke schaffen 58 Prozent. Wir brauchen Technologien, die mit weniger Aufwand Energie für den Menschen nutzbar machen. Dazu zählen Windkraft- oder Solaranlagen. Die Option, Kohlendioxid freie Kohlekraftwerke zu entwickeln, führt in eine Sackgasse, unter anderem deshalb, weil beim Abscheiden des CO2 zuviel Energie verbraucht wird.
War es auch für Sie ein Durchbruch, worauf sich die G 8 in der vergangenen Woche in Sachen Klimapolitik und Kohlendioxid-Emission verständigt haben?
Der als großer Erfolg gefeierte G 8-Durchbruch beim Klimaschutz ist gemessen an den großspurigen Ankündigungen in Wirklichkeit ein Leistenbruch, denn Frau Merkel hat sich an den Verhandlungen verhoben. Anstatt konkrete Zielvorgaben und eine verbindliche Selbstverpflichtung zu vereinbaren, sind die G 8 über den windelweichen Kompromiss, die Halbierung der Emissionen "ernsthaft in Betracht zu ziehen", nicht hinausgekommen. Die Bereitschaft der USA, sich an Klimaschutzverhandlungen zu beteiligen, schon als Erfolg zu bezeichnen, ist ein Armutszeugnis für die Kanzlerin.
Wie haben Sie in Ihrer Zeit als zuständiger Minister in Mecklenburg-Vorpommern Ökologie als ökonomischen Wachstumsfaktor gefördert?
Dafür muss man Partner in anderen gesellschaftlichen Sektoren gewinnen. Wir haben in unserem Land eine Reihe von Allianzen geschlossen zwischen Wirtschaft, Umweltministerium und -behörden sowie Umweltverbänden - zwischen Nutzern und Schützern. Die regenerativen Energien etwa bieten Chancen für die mittelständische Wirtschaft, aber auch für größere Unternehmen. Das Gleiche gilt für den technischen Umweltschutz bei der Abwasserreinigung und der Abfallverwertung. Auch der Naturschutz - in unserem Falle die Einrichtung von Großschutzgebieten wie Nationalparks, Biosphärenreservaten und Naturparks - eröffnet beachtliche wirtschaftliche Möglichkeiten, zum Beispiel für den Tourismus. Die Herausforderung besteht darin, das Ökologische nicht nur mit dem Ökonomischen, sondern auch dem Sozialen zu verbinden. Eine zentrale Frage lautet: Kann auch in Zukunft eine preiswerte und für jedermann bezahlbare Energieversorgung gesichert werden?
Gibt es Beispiele die über Ihr Bundesland hinaus relevant sein können?
Wir haben bei der Abfallbeseitigung früh eine Abkehr von der reinen Verbrennung vollzogen, bei der zahlreiche Wertstoffe vernichtet werden. Dafür sind wir seinerzeit - vor acht Jahren - noch belächelt worden. Während meiner Amtszeit sind zudem drei Naturparks entstanden, die sowohl dem Umweltschutz als auch der wirtschaftlichen Entwicklung dienen. Die finanzielle Förderung von Pilotprojekten zur Senkung des CO2-Ausstoßes habe ich um das Vierfache erhöht. Mecklenburg-Vorpommern hat seine Klimaschutzziele bislang erfüllt. SPD und CDU als neue Landesregierung setzen andere Akzente, indem sie etwa den Bau eines Steinkohlekraftwerks befürworten, was alle unsere Fortschritte im Klimaschutz zunichte machen wird.
Das Gespräch führte Steffen Vogel
Wolfgang Methling
geboren 1947 bei Rostock, studierte Veterinärmedizin in Leipzig und habilitierte sich 1984 in Tierhygiene. Zwischen 1992 und 1998 lehrte er als Professor in Rostock, bis er als Umweltminister in die rot-rote Regierung unter Harald Ringstorff (SPD) eintrat. Zwischen 2002 und 2006 amtierte er zudem als stellvertretender Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns. Seit 2003 ist Methling stellvertretender Bundesvorsitzender der Linkspartei.
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