Foto: Dmitri Kessel/The Life Image Collection/Getty Images
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Aristoteles Kommt ein Mann in einen Buchladen: „Ich suche ein Buch von einem griechischen Philosophen.“ Der Buchhändler: „Wir haben da eins von Platon.“ Der Mann: „Haben Sie was Zeitgenössischeres?“ Der Buchhändler: „Aristoteles?“ Falls Sie darüber nun nicht gelacht haben, liegt das wahrscheinlich daran, dass das kein Witz war: Aristoteles hat das Wort Oligarchie geprägt. Damit ist er so aktuell wie praktisch schon seit 2.500 Jahren. Oligarchie ist die Herrschaft der Wenigen (Reichen).
Das Wort wird zusammengesetzt aus archē (Herrschaft) und oligoi (wenige). Aristoteles vertritt dabei die These, dass jede „gute“ Herrschaft im Laufe der Zeit durch Korruption der Herrschenden zu ihrem schlechten Gegenst
orruption der Herrschenden zu ihrem schlechten Gegenstück verkommt. In Griechenland (➝ Reeder) kann man diesen Vorgang gut beobachten: Seitdem mit Otto Rehhagel der letzte anerkannte Halbgott Hellas verließ, ist es ganz in die Hand der Oligarchie gefallen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Alexis Tsipras in Wirklichkeit Otto Rehhagel nach einem Facelifting ist. Till Hahn BBling-Bling Ein gängiges Klischee über neureiche Russen besagt, dass sie geschmacklos sind. Alles muss bei ihnen irgendwie glänzen und protzig sein. Teilweise nachvollziehbar: Mit einem eigenen Fußballclub anzugeben, ist in der Tat protzig. Roman Abramowitsch hat seine Yacht extra mal verlängern lassen, damit sie die längste der Welt ist. Eine archaische Form von Gefallsucht und Geltungsdrang. Andererseits ist Bling-Bling ein recht mieses Stigma, mit dem sich westeuropäische Bildungsbürger oft ihre geistig-ästhetische Überlegenheit gegenüber einer aufsteigenden Upperclass bestätigen wollen. Ein guter Reicher hört in seiner Freizeit Bach, liest Platon und hilft armen Lyrikern aus der Not. Bling-Bling kann dagegen auch einen besonderen Reiz haben: Als die ukrainische Oligarchin und Politikerin Julija Tymoschenko (➝ Frauen) aus der Haft entlassen wurde, hielt sie auf dem Maidan eine Rede. Sie saß dabei im Rollstuhl und trug gleichzeitig High Heels. Lukas LatzFFrauen Obschon es auch wenige Oligarchinnen, etwa die Unternehmerin Jelena Baturina, gibt, gilt im stark patriarchalisch geprägten Russland bis heute: „Hinter jedem erfolgreichen Oligarchen steckt eine starke Frau.“ Viele dieser Männer schafften den Aufstieg nach dem Fall der Sowjetunion nur durch die Unterstützung ihrer damaligen Partnerinnen. Da schöne junge Frauen für sie ein Statussymbol (➝ BlingBling) darstellen, wurde manch aufopfernde Gattin alsbald ersetzt.Bekanntester Scheidungsfall ist der von Natalia Potanina, Ex-Frau des Milliardärs Wladimir Potanin, die sich nicht von dessen Anwälten einschüchtern ließ und bis heute in einem Rosenkrieg um ihre Abfindung kämpft. Trotz dieses abschreckenden Schicksals träumen Tausende Russinnen bis heute den Traum vom millionenschweren Märchenprinzen. Sie besuchen Benimm-Schulen für Konversation und Verführungskunst, Sexyness ist das höchste Gebot. Wenige Frauen gehen indes selbst in die Wirtschaft, um reich zu werden. Schade, vielleicht gäbe es dann bald Benimm-Schulen für potenzielle Ehemänner. Sophia HoffmannFußballSpätestens seit Roman Abramowitsch den FC Chelsea zum europäischen Topclub aufgerüstet hat, ist klar, dass Oligarchen ein Lieblingshobby haben: Fußballclubs. Doch nicht nur die englische Premier League, sondern auch die ukrainische Premjer-Liha (➝ Zone) ist ein Bällebad für Milliardäre. Neben den Oligarchen Olexandr Jaroslawskyj, Präsident von Metalist Charkiw, Ihor Surkis, Präsident von Dynamo Kiew, und Hryhorij Surkis, bis 2012 Präsident des ukrainischen Fußballverbands, sticht dabei vor allem Rinat Achmetow, Präsident von Schachtar Donezk, heraus. Durch sein riesiges Firmengeflecht kontrolliert dieser die Kohle- und Stahlindustrie des Donbass und beschäftigt insgesamt rund 300.000 Menschen. Bei einem Vermögen von über sechs Milliarden Euro konnte er das 175 Millionen Euro teure Stadion, das er seinem Heimatverein 2009 gebaut hat, also locker aus der Portokasse bezahlen. Nils MarkwardtMMäzenatentum„Wie so viele Oligarchen hatte Pintschuk lange ein Reputationsproblem“, meinte kürzlich der Maler Daniel Richter im Zeitmagazin übers Mäzenatentum. Heute säßen Künstler wie Ólafur Elíasson, Ai Weiwei und Andreas Gursky im Beirat des von Wiktor Pintschuk gestifteten Preises für Nachwuchskünstler. „Ein Oligarch, der Zugang zur internationalen Hautevolee haben will, geht los und kauft für viel Geld Gegenwartskunst. Dann kommen auch die Beautiful People wie Kate Moss und Kanye West in deinen Event Space, und du wirst auf Oscar-Bälle eingeladen. Ist vielleicht lustiger, als kegeln zu gehen.“ Mit dem Pinchuk Art Centre eröffnete der ukrainische Milliardär in Kiew auch ein privates Museum für moderne Kunst. Er ist als Mäzen, der außerhalb der Stadien den Gönner gibt, nicht allein unter den Oligarchen.Es kann ja nicht jeder ➝ Fußball mögen. Der französische Unternehmer François Pinault hat ebenfalls eine bedeutende Sammlung zeitgenössischer Kunst aufgebaut. 2005 erwarb er den Palazzo Grassi in Venedig und richtete dort ein Museum ein. Jewgeni Lebedew, Sohn des russischen Milliardärs Alexander Jewgenjewitsch Lebedew, inszeniert sich indes als Retter der Pressefreiheit. Er kaufte den britischen Evening Standard und machte ihn zum Gratisblatt. Eine entsprechende Stiftung zur Förderung des investigativen Journalismus wurde aber geschlossen – andere Geldgeber fehlten. Tobias PrüwerOOlli-GarchieIst Ihnen die Dominanz der Ollis im deutschen (Quatsch-)Showbusiness schon einmal aufgefallen? Man muss vielleicht sogar von Olli-Garchie sprechen. Olli Dittrich (Die Doofen, Dittsche) ist schon ein alter Hase. Um Oli P (Gute Zeiten, schlechte Zeiten) wurde es zum Glück ruhiger. Zwischen Olli Schulz (Circus HalliGalli), dem Rapper Olli Banjo und den Comdedians Oli Materlik und Olli Riemann sticht selbstredend Oliver Pocher als Musterbeispiel heraus, wenn es darum geht, aus Scheiße Geld zu machen.Allein dass bei der Google-Suche zu seinem Namen als erstes Stichwort „Größe“ vorgeschlagen wird, zeichnet den Taubnessel-Tausendsassa als Leuchtturm der Olli-Garchie aus. Den satirischen Doppel-Olli gaben unterdessen eine Zeitlang Olli Welke und Olli Kalkofe in der Radio-ffn-Sendung Frühstyxradio. Der eine wurde später mit Kalkofes Mattscheibe und als Sidekick von Achim Mentzel (➝ Zone) berühmt. Der andere moderiert mittlerweile die heute-show. Auch über den deutschen Horizont hinaus hat es der Olli geschafft. „Olli“ heißt der einfache Sprung in die Luft mit dem Skateboard unter den Füßen – Basis vieler Tricks. Mag er in Deutschland eher Windbeutel sein, als Luftikus ist der Olli international. Tobias PrüwerPPalastBis Wiktor Janukowitsch durch den Druck des Euromaidan im Februar 2014 aus dem Land fliehen musste, war er als ukrainischer Präsident, so wie viele seiner Vorgänger, so etwas wie der Schutzherr der Oligarchen – und eiferte auch ihrem Lifestyle nach. Seine Villa in dem Kiewer Vorort Meschihirija, mittlerweile zum „Museum der Korruption“ deklariert, kann heute besichtigt werden. Das Anwesen gehört zu den hässlichsten Objekten der Architekturgeschichte. Ein unkontrollierter Mix aus allen Stilen und Epochen – außer Bauhaus. Von weitem sieht es aus wie eine überdimensionierte Alpenhütte.Die umläufigen Balkone werden von Säulen gestützt, die abwechselnd im klassisch-griechischen, klassisch-römischen, gotischen, barocken und im Renaissance-Stil (➝ Mäzenatentum) gehalten sind. Im Garten steht ein Grill mit riesigem Rauchabzug, er könnte Teil einer kitschigen Fantasy-Filmkulisse sein. Aus dem gleichen Bühnenbild scheinen die über das ganze Anwesen verteilten Laternen zu stammen. Ein überraschendes Highlight ist auch die Statue eines weißen Pferdes. Die Lage direkt am Dnepr scheint aus der Ferne malerisch. Direkt am Ufer ist es aber unerträglich, weil der Fluss stinkt und große Öllachen auf ihm schwimmen. Das Ufer ist wiederum mit einer hohen Mauer und Stacheldraht abgesperrt. Lukas LatzRReeder Formal gesehen, sind Reeder Menschen, die viele Schiffe besitzen und damit viel Zeug von A nach B bringen (die Schiffe, nicht die Reeder, die machen damit viel Geld). Als Klasse ließen sie sich 1974 in die griechische Verfassung schreiben, sodass sie fortan keine Steuern mehr zahlen mussten. Versuche, das zu ändern, scheiterten an den Gegenstimmen der Nea Dimokratia, die sich vor allem als politischer Arm der Oligarchie (sprich: der Reeder) versteht. Das erklärt auch, warum die Homies von Angela Merkel so bereitwillig die Sparprogramme den Armen (sprich: allen Nicht-Reedern) anlasteten.Die Lagarde-Liste, die griechische Steuersünder aufzählt, ist vor allem mit Reedern und deren Geschäftspartnern bestückt. Im Zuge der Lux Leaks kam auch an die Öffentlichkeit, dass Jean-Claude Juncker dafür gesorgt hat, dass sie ihr Geld steuergünstig in Luxemburg anlegen können. Die EU-Reformpläne sehen daher keine Besteuerung von Reedern vor. Reeder wollen keine Steuern zahlen, weil sie Griechenland traditionell als ihr Eigentum sehen (➝ Aristoteles). An Eigentum zahlt man keine Steuern, erst recht nicht, seit es an Fraport verscheuert wurde. Till HahnTTycoon Im Westen nennt man den einen Wirtschaftszweig beherrschenden Großindustriellen zumeist Tycoon. Manchmal auch Mogul, gerne im Zusammenhang mit Medien, wohl wegen der hübschen Alliteration. Das Wort Tycoon leitet sich vom japanischen Taikun ab („Großer Gebieter“). 1858 ging es durch den Amerikanisch-Japanischen Freundschafts- und Handelsvertrag in die englische Sprache ein. Legendäre Tycoons, deren Namen bis heute ein Begriff sind, waren John D. Rockefeller, Henry Ford oder Conrad Hilton. Rupert Murdoch, Michael Bloomberg oder Silvio Berlusconi assoziieren wir heute sowohl mit Medienmacht als auch mit diversen Polit- und Gesellschaftsskandalen.Ein deutsches Beispiel wäre der ebenfalls Schmutzwäsche-gebeutelte Schauspielerinnengatte Carsten Maschmeyer. Doch kein Tycoon schlägt diesbezüglich den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Unterhaltungswert (➝ Olli-Garchie) hat er nicht nur ob seiner goldblond gefärbten Wischmopp-Frisur, sondern auch, weil er vor keinem politischen Fettnäpfchen, nicht zuletzt dank seiner Twitter-Aktivität, zurückschreckt. Den Titel „unterhaltsamster Tycoon“ hat er sich allemal verdient, solange man ihn bloß nicht ernst nimmt. Sophia HoffmannZZone Auch wenn manch arabische oder westliche Magnaten (➝ Tycoon) sich kaum von ihren osteuropäischen Pendants unterscheiden, besteht das Spezifikum der Oligarchen dennoch darin, dass sie Produkte einer konkreten historischen Situation, der postsowjetischen Anarchie, sind. Ihr Geschäftsmodell bestand zumeist darin, sich die industrielle Konkursmasse des Kommunismus unter den Nagel zu reißen, um damit riesige Energie-, Stahl-, Aluminium- oder Chemiekonzerne aufzubauen. Wobei man aber auch mit ganz anderen Sachen reich werden konnte. Roman Abramowitschs erste Firma „Ujut“ („Gemütlichkeit“) stellte beispielsweise Gummi-Enten her. Julija Tymoschenko machte ihre erste Million wiederum mit einem Videoverleih, dessen Erfolg sich vor allem darin begründete, dass er auch Pornos im Programm hatte. Nils Markwardt
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