Olmerts Outing

Atompoker Der Premierminister leitet den Wandel der israelischen Nuklearstrategie ein

Dass Israel Atommacht ist, weiß die Welt nicht erst seit gestern. Ungeachtet dessen galt die 1969 zwischen Golda Meir und Richard Nixon abgestimmte Formel, dass "Israel nicht als erstes Land in der Region Atomwaffen einführen wird". Das hinter dieser so genannten "Strategie der Ambiguität" steckende Kalkül bestand darin, einerseits die Feinde Israels abzuschrecken, andererseits dank dieser Mehrdeutigkeit nicht mit Forderungen nach Kontrolle oder gar Abrüstung von Waffen konfrontiert zu sein, die man angeblich gar nicht im Arsenal hatte. So konnten Vorschläge für eine nuklearwaffenfreie Zone Nah- und Mittelost, wie sie etwa von Ägypten kamen, regelmäßig vom Tisch gefegt werden. Als der Irak schließlich versuchte, mit einer eigenen Nuklearoption zu reagieren, zerbombte die israelische Luftwaffe 1981 kurzerhand den Reaktor von Osirak.

Nun aber ist mit dem Iran und dessen atomaren Ambitionen ein Gegner ganz anderen Kalibers aufgetaucht. Zwar verfolgt Teheran ebenfalls eine Politik der Ambiguität, indem die Regierung dort nicht müde wird zu behaupten, ihr Nuklearprogramm diene allein friedlichen Zwecken. Doch hat bereits der israelisch-niederländische Militärhistoriker Martin van Creveld an der Hebräischen Universität von Jerusalem darauf hingewiesen, "der Iran müsste verrückt sein, nicht nach der Bombe zu streben". Weil damit die Denkmuster der iranischen Regierung ziemlich exakt beschrieben sein dürften, plädieren amerikanische und selbst israelische Analysten seit geraumer Zeit dafür, Israel solle nach dem Muster der NATO im Kalten Krieg einen Schwenk hin zu einer eindeutig deklarierten nuklearen Abschreckungsstrategie vollführen. Die Widerstände dagegen sind freilich enorm, wie die Entrüstung zeigt, mit der israelische Zeitungen Olmerts angeblich unbedachte Äußerung während seiner Deutschlandvisite quittieren.

Indes hat der Premierminister seine Karten im Atompoker äußerst geschickt aufgedeckt - offenbar aufs Engste koordiniert mit dem neuen US-Verteidigungsminister Gates, der kurz zuvor während der Anhörung im Kongress ein gewisses Verständnis für das iranische Streben nach Kernwaffen zu erkennen gab. Teheran suche nach einer wirksamen Abschreckungsoption, da man von Nuklearwaffenstaaten umzingelt sei. Namentlich nannte Gates Pakistan im Osten, Russland im Norden, die USA im Persischen Golf und eben Israel im Westen. Damit besaß Olmert quasi die Rückendeckung der Garantiemacht, um postwendend auf deutschem Boden den zweiten Schritt zu tun und Israel als offizielle Nuklearmacht zu outen - ohne das deutsch-israelische Sonderverhältnis zu gefährden. Aus israelischer Sicht ist es von existenziellem Gewicht, sich auch künftig Deutschlands vorbehaltloser Unterstützung zu versichern - auch wenn die nun einer Atommacht gilt. Israels Regierungschef war insofern besonders auf die Zusage von Kanzlerin Merkel bedacht, dass es an den umfangreichen deutschen Rüstungslieferungen keine Abstriche gibt. Ganz oben auf der Transferliste stehen dabei die beiden in Deutschland bestellten U-Boote der Klasse 212a, die als Trägersysteme für Israels seegestützte Atomwaffen in Betracht kommen. Keinesfalls sollte es passieren, dass vielleicht die Regierung Merkel mit Verweis auf geltende Gesetze, die Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete klar verbieten, und auf völkerrechtliche Verbindlichkeiten des Nicht-Kernwaffenstaates Bundesrepublik Deutschland ein Embargo über den Export von Trägersystemen für Kernwaffen verhängt. Gleichfalls dürfte Olmert sich vergewissert haben, dass Berlin auch für den Fall eines Waffengangs gegen den Iran auf Seiten Israels steht.

Dass Angela Merkel und ihr Außenminister mit einer solch abenteuerlichen Nibelungentreue jegliche Abrüstungs- und Friedensbemühungen für den Nahen und Mittleren Osten unterlaufen, dürfte außer Zweifel stehen.

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.


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