Olymp männlicher Kameradschaft

Sexismus-Clickbaiting Zur Debatte über die Verschärfung des Sexualstrafrechts wendet sich unser Autor an Bundesrichter und Zeit-Online-Kolumnist Thomas Fischer – von Mann zu Mann
Ausgabe 27/2016
Fishing for Compliments auf Kosten von Frauen: Thomas Fischer
Fishing for Compliments auf Kosten von Frauen: Thomas Fischer

Foto: Star Media/Imago

Lieber Bundesrichter Thomas Fischer, na, sind die Fingerchen inzwischen schon ganz wund vom vielen Händereiben? Sie wissen schon, was ich meine: Dieser sagenhafte Einfall von Ihnen, in Ihrer Rechtskolumne „Fischer im Recht“ auf Zeit Online nicht nur gegen die anstehende Verschärfung des Sexualstrafrechts zu argumentieren, sondern das Ganze zusätzlich mit paternalisierender Herablassung und übergriffigem Sexismus zu schmieren. Damit es dem einen oder der anderen runtergeht wie Öl. Gemeinhin nennt man das eine ordinäre Clickbait-Strategie. „Wie dieser Bundesrichter mit nervigen Feministinnen und ihren albernen Forderungen umspringt, ist UNFASSBAR!!!111!!!!!“

Das ist diskursiv zwar nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit, hat ja aber ganz gut funktioniert. Dutzende Kommentare, in denen Männer sich darüber freuen konnten, dass der Herr Bundesrichter den Frauen endlich mal sagt, was Sache ist, weil sie so komplizierte juristische Sachverhalte sowieso nicht verstehen.

Lieber Herr Fischer, jetzt mal von Mann zu Mann. Sie bringen da leider einiges durcheinander. Dass Sie bei der anstehenden Verschärfung des Sexualstrafrechts eine andere Rechtsauffassung vertreten als die Befürworter der „Nein heißt nein“-Regelung, sei Ihnen unbenommen. Es ist begrüßenswert, wenn Sie Ihre Expertise in die Debatte einbringen, weil eine Veränderung der geltenden Rechtslage möglichst breit und kompetent besprochen werden sollte. Dass Deutschland die Istanbulkonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt unterschrieben, aber nicht ratifiziert hat, müssen Sie nicht erwähnen. Auch nicht die Tatsache, dass ungesicherter Besitz bislang offenbar ein höheres Rechtsgut darstellt als sexuelle Selbstbestimmung. Dann erwähnen das eben andere.

Dass Sie aber eine Diskussion um die Bewertung und die Folgen von sexualisierter Gewalt zum Anlass nehmen, um schwärmerisch in sexistischen Klischees zu schwelgen, der Gegenseite jede juristische Befähigung abzusprechen und ganz allgemein für Zeit Online den personifizierten Altherrenzeigefinger zu geben, ist eine andere Sache – und das eigentliche Problem.

Sie betreiben Fishing for Compliments, und zwar auf Kosten von Frauen. Diese wähnen Sie gern „mit irgendwie gestützter Brust“, „honigblond“ und „in Spitzenkleidchen“. Das hat mit der Sachlage ungefähr so viel zu tun wie meine Vorstellung von Ihnen als stattlichem, intellektuell bebrilltem Mann mit lichtem Haupthaar und irgendwie gestütztem Bauch, der sonntags wollüstig an seiner Kolumnenfeder leckt.

Oder mit der Vermutung, Sie könnten in all den einsamen Jahren auf dem juristischen Olymp männliche Kameradschaft und Volksnähe so sehr vermisst haben, dass Sie jetzt unbedingt herausfinden wollen, wie onkelhaft-herablassend Mann über Frauen wohl schreiben muss, um mal so richtig gefeiert zu werden.

Diese Vermutungen haben natürlich überhaupt nichts mit der Sache zu tun. Genauso wenig wie all ihre kleinen Seitenhiebe. Die gequälten Seufzer bei dem Gedanken, man würde Ihnen mit einem Verbot von sexistischer Werbung die „liebesglühenden Stewardessen“ und „Fliesenputzerinnen in kürzestmöglichen Kittelschürzen“ Ihrer Jugend wegnehmen, entlarven Sie als einen, der nicht wirklich zur Sache sprechen möchte. All das Feixen über Forderungen von Frauen mit „lukrativen Posten“ lässt tatsächlich Sie und nicht diese Frauen schlecht aussehen: einen Mann mit besagtem lukrativen Posten, der sich mit seinen juristisch verbrämten Übergriffigkeiten längst nicht mehr im Recht, sondern im Rechthaberischen verliert.

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