Disziplin „Schlitten tragen“

Olympia Neue Sport-Kategorien in immer kreativeren Formationen: Da kann man schon mal den Überblick verlieren – ein Vorschlag für mehr Ordnung
Ausgabe 06/2022
Knappe Kiste: Viererbob bei den Winterspielen in Peking
Knappe Kiste: Viererbob bei den Winterspielen in Peking

Foto: Wang Zhao/AFP/Getty Images

Ein fürs große Kinoformat produzierter Film hat in Erinnerung gerufen, wie die Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot 2018 in Pyeongchang „Die Kür ihres Lebens“ ablieferten und die Welt verzauberten. In Deutschland kamen sie damals bei der Wahl der Sportler des Jahres auf Platz zwei. In der Kategorie Mannschaft.

Nur Zweiter, das fühlte sich ungerecht an. Aljona Savchenko, diese unbeugsame Kämpferin auf dem Eis und im Leben, hätte man sich gut als Sportlerin des Jahres vorstellen können, also solo bei den Damen. Das wäre aber eine Herabsetzung ihres Partners Bruno Massot, denn auch wenn dieser weniger für den Glamour zuständig war – sie brauchte ihn wie zuvor Robin Szolkowy. Paarlauf ist kein Individualsport. Doch ist er schon Mannschaftssport?

Das ist etwas, worüber in einem winterolympischen Jahr nachzudenken sich lohnt. Denn erfahrungsgemäß wird man sich bei der Wahl der Besten im November und Dezember an die Helden aus dem Februar erinnern. Und sie werden nicht nur als Einzelstarter auf den Nominierten-Listen stehen, sondern auch bei den Mannschaften. Das olympische Programm wächst und wächst, weil innerhalb der Sportarten neue Disziplinen erfunden werden.

Rodeln in Staffel

Nichts gegen Staffeln. Da teilen sich mehrere Starter eine Gesamtstrecke auf. So wird eine bessere Zeit erzielt, das ist praktisch und wie aus dem Leben gegriffen. Der Zauber dabei: Man ist ein bisschen besser, als man einzelkämpfend wäre. Albern aber wird eine Staffel beim Rodeln. Da werden einfach drei Rasereien (Mann, Frau, Doppelsitzer) addiert. Zwar gibt es so etwas wie eine virtuelle Übergabe des Staffelholzes über eine Kontaktmatte, die im Ziel überfahren wird und oben den nächsten Start einleitet – doch glaubhafter wäre es, würde der Schlitten erst wieder den Hügel hinaufgetragen werden.

Auch der Teamwettbewerb im Eiskunstlauf ist etwas verstörend. Es ist ja nicht so, als ob Herr, Dame, Paar und Eistänzer gemeinsam aufs Eis gehen und eine schöne Gemeinschaftschoreografie darbieten würden. Nein, jeder zeigt sein Programm, die Wertungen werden addiert.

Aber das ist wiederum der Vorteil an einem künstlichen Wettbewerb wie dem Eiskunstlauf-Team: Es ist ein Mixed und passt daher in die Zeit. Die Geschlechter, vereint in einem gemeinsamen Bestreben. Wertet das Tun der Frauen auf, die in manchen Sportarten deutlich weniger Beachtung finden. Es ist die spezielle Art des Sports, zu Gendergerechtigkeit zu finden.

Was macht eine Mannschaft aus?

Dennoch sind all die Mixed-Staffeln und Teamwertungen nicht vergleichbar mit dem, was sich in unseren Köpfen als Mannschaftssport verankert hat. Was wir als entscheidendes Kriterium anbieten können: Mannschaftssport beginnt dort, wo nicht mehr die einzelnen Namen genannt werden. Der Viererbob (man kennt den Piloten, die Anschieber sind nahezu anonym), der Ruder-Achter, die Eishockey-Truppe. Mannschaftssport ist auch immer etwas, das man riecht. Mannschaftssportler schwitzen intensiver.

Vielleicht sollte es neben Einzelsportlerinnen, Sportlern und den klassischen Mannschaften noch eine vierte und fünfte Kategorie geben: Mikro-Teams (Paare wie im Zweierbob, beim Rodeln, Eiskunstlauf, beim Tennis-Doppel, Beachvolleyball, Synchron-Wasserspringen) und Einzel-plus-Teams für die mathematischen Schicksalsgemeinschaften.

Oder man sollte auch ein Werk des Jahres wählen dürfen – unabhängig davon, ob es von einer Mannschaft,einem Duo oder einem Einzelnen vollbracht wurde. Die Paarlauf-Kür von Savchenko und Massot wäre nicht zu schlagen gewesen. Auf Jahre hinaus.

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