Ottfried Fischer vs. Bild

Medientagebuch Ottfried Fischer verliert seinen Prozess gegen einen Ex-"Bild"-Reporter, dem er Erpressung vorwirft. Oder auch: Über die Intrige, lange Zeit nach Shakespeare

Hier ist er mal wieder, der Sieg der Pressefreiheit. In diesem Fall schmeckt er allerdings etwas bitter, weil die Bild ihn errungen hat: Ein Ex-Reporter des Blatts wurde in zweiter Instanz freigesprochen, nachdem die Anklage wegen Nötigung in erster Instanz Erfolg gehabt hatte. Der Schauspieler Ottfried Fischer und die Staatsanwaltschaft behaupten, der Journalist habe Fischer mit dem Hinweis auf ein pikantes Video zu einem Exklusiv-Interview gedrängt. Nur nachgewiesen werden konnte das nicht, auch weil solche Drohungen ohne viele Worte auskommen. Außerdem habe der Reporter nach eigener Aussage mehrmals darauf hingewiesen, dass er eine Veröffentlichung des Videos keinesfalls in Betracht ziehe. Man mag ihm das sogar glauben.

Dass Fischers Agentin wohl gerade deshalb genau das Gegenteil verstand, ist allerdings ebenso verständlich – schließlich kennt jeder die gespaltene Zunge, mit der das Boulevard-Blatt zu sprechen gewohnt ist. Das Missverständnis könnte also kalkuliert gewesen sein, andernfalls müsste man den Mann der Naivität zeihen, und das wäre kein besseres Zeugnis seiner beruflichen Fähigkeiten. Allein, was wäre ihm übrig geblieben, sofern er wirklich ernst gemeint hat, was er da sagte? Es hätte ihm ja doch keiner vertraut. Die Justiz freilich kann und darf nicht anders, als den bloßen Worten Glauben zu schenken.

Was in dieser Verwicklung vor Gericht landete, hätte zu Shakespeares Zeiten jedenfalls eine gute Tragödie abgegeben. Denn der Fall ist geradezu vorbildlich, nimmt man die Kategorien des Literaturwissenschaftlers Peter von Matt zu Hilfe, welcher der Intrige vor ein paar Jahren ein Buch widmete: Da gibt es die Notsituation des Prominenten, die Vorstellung einer Lösung, dann das Theater im Theater, und sogar ein ordnungsgemäßes Intrigenrequisit hat dieser Fall aufzuweisen, auf dem an­geblich mehrere Prostituierte zu sehen sind. Nur weiß man nicht zu entscheiden, wem die Rolle des Anstifters zu­zuschreiben ist und wer dagegen bloß wissentlich oder unbewusst das Helferlein spielte.

Intrige am Vorabend

Im Verfahren wurde festgestellt, dass nicht der Reporter, sondern Fischers Agentin ihren Klienten zum Interview mit der Bild-Zeitung drängte, weil sie meinte, die Botschaft des Bild-Autors ganz richtig verstanden zu haben. Die Richterin schrieb folglich ihr das Amt der Fädenzieherin zu: Ottfried Fischer sei das Opfer geworden, sagte sie, jedoch nicht des Reporters, sondern seiner Agentin. Dass diese vermutlich niemals tätig geworden wäre, hätte nicht die Bild ein Video in Händen gehalten und um eine Stellungnahme dazu gebeten, darf man vernachlässigen: Die angemessene Reaktion auf derlei Annäherungen sollte eine PR-Beraterin tatsächlich kennen.

Das englische intrigue meint im Übrigen nicht nur das Komplott, sondern auch die heimliche oder gar verbotene Affäre – womit das Verhältnis von PR und Presse trefflich beschrieben wäre: Offiziell widersprechen deren Ansinnen einander, Erstere soll für positive Öffentlichkeit sorgen, Letztere just daran Kritik üben. Inoffiziell aber sind die zwei liebevollst verbandelt, und zwar auf Kosten des jeweils Dritten. Ob die Justiz solche Verwicklungen lösen kann, bleibt bis zur nächsten Instanz dahingestellt. Shakespeare wiederum, nun, der ist schon lange tot, und die Intrige scheint leider kein Thema mehr für die Literatur, sondern wird stattdessen im Vorabendfernsehen auf banalste Weise abgehandelt. Und da bleibt die Prostitution, die ja die eigentliche, die heimliche Hauptdarstellerin der Fischer-Bild-Intrige ist, selbstverständlich außen vor.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

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