Flut in Pakistan: Diese Katastrophe scheint kaum der Beachtung wert zu sein

Klimakatastrophe Pakistan droht in einer Jahrhundertflut unterzugehen. Die Überschwemmungen müssen als Warnung vor den Folgen eines universellen Klimakollaps verstanden werden. Warum interessiert das den Rest der Welt nicht?
Ausgabe 38/2022
In Pakistan erfahren die Menschen unendliches Leid. Im Westen interessiert das die Wenigsten
In Pakistan erfahren die Menschen unendliches Leid. Im Westen interessiert das die Wenigsten

Foto: Fida Huassain/AFP via Getty Images

Ein seit Wochen kaum nachlassender Monsunregen und das Schmelzen der Gletscher haben in Pakistan für eine Flut gesorgt, die ganze Landstriche verwüstet. Allein in der Provinz Sindh sind 90 Prozent der Ernte vernichtet. Das heißt, wer bisher nicht in den Fluten gestorben ist, der droht zu verhungern – ein Versorgungsnotstand ist unausweichlich. Die Frage lautet, wie schnell der eintritt, wenn 50 Millionen Menschen zu Binnenvertriebenen werden. Satellitenbilder zeigen die schockierende Entstehung eines 100 Kilometer breiten Binnensees in Sindh, der durch das überlaufende Wasser des Indus gespeist wird.

Wir werden um eine Generation zurückgeworfen, da so viele Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in den Fluten versinken. Doch scheint unser Leben für die übrige Welt entbehrlich zu sein. Welchen Anteil nimmt sie, wenn 880 Millionen Dollar für Notre-Dame gesammelt werden, aber ein ertrinkendes Land um Hilfe betteln muss? Was den Eindruck verstärkt, dass wir dieser Tragödie wie einem Alptraum unterworfen sind. Der Rest der Welt will nicht in Betracht ziehen, wie sehr das epische Ausmaß dieser Katastrophe den Blick in eine apokalyptische Zukunft gestattet.

Keine Nation muss Pakistan gegenüber besondere Gefühle hegen, aber der Schrecken, dem dieses Land ausgesetzt ist, muss als klare Warnung vor den Folgen eines universellen Klimakollaps verstanden werden. Menschen haben unseren einen und einzigen Planeten zerstört; Pakistan ist ein Beweis dafür. Die unersättliche Missachtung der natürlichen Umwelt und ein krimineller Konsum bedeuten, dass kein Land – egal, wie reich es ist – immun gegen die globale Erwärmung sein kann. Heute ist es Pakistan, morgen Kalifornien, übermorgen Australien.

Niemand interessiert sich für Pakistan

Entmutigend ist das Schweigen internationaler Persönlichkeiten und westlicher Medien, wenn auch nicht überraschend. In der Woche, als die Flut zuschlug, waren mehr Zeitungsspalten einer finnischen Premierministerin gewidmet, die gern feiert, als der Tatsache, dass ein Drittel Pakistans unter Wasser stand. Dies ist keine Frage der Katastrophenmüdigkeit. In Europa unterhalten die gleichen Länder, die syrische Flüchtlinge in Schlauchbooten zum Sterben aufs Meer treiben, kostenlose Airbnb-Unterkünfte und Willkommenskabinen für Ukrainer auf ihren Flughäfen. Und es ist wohl so, dass Pakistan viel zu gefährlich ist, um es zu besuchen? Erst kürzlich stolzierte Bernard-Henri Lévy, der französische Pop-Intellektuelle, durch Odessa, und Präsident Selenskyj dankte öffentlich Ben Stiller und Angelina Jolie, „die uns trotz Gefahr besuchen“.

Was passiert, geschieht uns nicht das erste Mal, schon 2010 wurde Pakistan von katastrophalen Überschwemmungen heimgesucht. Damals sagte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, das Ausmaß eines solchen Unglücks sei größer als alles, was er je zuvor gesehen habe. „Täuschen wir uns nicht, dies ist ein globales Inferno“, sagte Moon. Pakistan stehe „vor einem Tsunami in Zeitlupe, dessen zerstörerische Kräfte mit der Zeit noch wachsen“. 2010 flossen 400.000 Kubikmeter Wasser den Indus hinunter, jetzt 700.000.

Ich erinnere mich, dass ich 2010 verzweifelt war und verzweifelt versuchte, die Aufmerksamkeit auf dieses Desaster zu lenken. Vergeblich, für Pakistan gab es keine Fernsehkonzerte, die von Hollywoodstars bevölkert wurden, die Marken-T-Shirts trugen und Geld sammelten, keine Tweets großer internationaler Persönlichkeiten, mit denen der Durchhaltewille der Menschen in Pakistan gelobt wurde. Seinerzeit kümmerte es niemanden, genau wie es heute niemanden kümmert. Der jetzige UN-Generalsekretär António Guterres beklagt, dass die Welt durch Pakistans verheerende Flut „schlafwandelt“. Er hat recht. Wenn man den Klimawandel ernst nimmt, wie kann man da Pakistan gegenüber blind sein?

Fatima Bhutto ist eine pakistanische Journalistin und Schriftstellerin

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Geschrieben von

Fatima Bhutto | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden