Nun also doch deutsche Panzer. Was monatelang als unverantwortliche Eskalation galt, wird heute als sinnvolle Unterstützung der Ukraine verkauft. Die Lieferung von deutschen, amerikanischen und französischen Schützenpanzern ist insofern ein Tabubruch – dem vermutlich weitere folgen werden. Nicht nur aus der Ukraine wird gefordert, jetzt nicht nur westliche Schützenpanzer wie Marder, Bradley oder AMX-10 zu schicken, sondern dem die Lieferung von echten Kampfpanzern wie Leopard II folgen zu lassen. Eine Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland ist dabei ebenso eingepreist, wie die nachhaltige Lieferung von Munition, der Aufbau einer belastbaren Logistikkette und Wartungen des Geräts. Denn in der Tat sind Schützenpanzer ohne Kampfpanzer wie Fußb
mpfpanzer wie Fußball ohne Stürmer oder wie Nägel ohne einen Hammer. Wer also einer rein militärischen Logik folgt, der kann oder muss zu diesem Ergebnis kommen.Und wenn man schon dabei ist, dann dürften auch Kampfflugzeuge, Kampfdrohnen oder Kriegsschiffe – so jedenfalls die schon lange geäußerte Forderung der Ukraine – nicht mehr tabuisiert werden. Und der Resonanzbogen für solche Forderungen in der deutschen Debatte nimmt zu. „Wer von der Sorge fabuliert“, es werde mit bestimmten Waffenlieferungen „eine rote Linie gegenüber Russland überschritten“, der erzähle „die Geschichte des Aggressors, nicht die der Opfer“, behauptete etwa die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Stehen zu bleiben ist falsch“, sekundiert die grüne Vizepräsidentin des Bundestages, Göring-Eckardt.In dieser Logik ist es dann wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Forderungen nach einer Flugverbotszone oder womöglich auch der Einsatz von westlichen Bodentruppen ins Spiel gebracht werden. Denn genau das wäre die Konsequenz, der Ukraine alles an Unterstützung zu geben, was möglich ist: Whatever it takes! Die Fokussierung auf das Vermeiden eines Dritten Weltkrieges, so etwa der Sicherheitsexperte Joachim Krause, dürfte die Ukraine bald in eine unhaltbare Lage bringen und deshalb müssten vermeintliche Tabus fallen. Mit dieser Salamitaktik sind mithin heute Dinge möglich, die zu Beginn des Krieges als ausgeschlossen galten. Zeitenwende als Wurstprodukt.Der Preis für einen Kompromiss in der UkraineBundeskanzler Scholz betonte, die Entscheidung zur Lieferung der Schützenpanzer sei in enger Abstimmung mit den USA und anderen westlichen Partnern getroffen worden. „Wir werden – so wie in der Vergangenheit – immer vorne dabei sein, wenn es um den Umfang und auch die Qualität der Lieferungen geht, die wir organisieren.“ Zugleich bekräftigte er, dass dieser Krieg nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato werden dürfe.Über das politische Ziel erfährt man hingegen wenig. Will man wirklich die Ukraine ertüchtigen, ihr Territorium inklusive der Krim zurückzuerobern? Wer etwa die Rede von Selenskyj im amerikanischen Kongress gehört hat, der kann keinen Zweifel daran haben, dass es der Ukraine nicht um einen tragfähigen Kompromiss, sondern um Sieg gegen Russland geht. Das mag aus ukrainischer Perspektive sogar verständlich sein. Verantwortliche Politik überlegt aber, zu welchem Preis das möglich wäre.So verständlich die Unterstützung der Ukraine ist, so unverantwortlich ist es, der Ukraine bedingungslos in ihrer „Sieges-Rhetorik“ zu folgen und das mit zunehmenden Waffenlieferungen zu befeuern. Wie etwa jüngst Ivo Daalder und James Golgeier in Foreign Affairs schrieben, wird der Abzug russischer Truppen aus dem gesamten Territorium der Ukraine selbst mit größerer westlicher Militärhilfe äußerst schwierig sein. Ein solches Ergebnis zu erzielen, riskiere zudem, einen direkten Krieg zwischen der Nato und Russland zu beginnen, ein „Weltuntergangsszenario“.Westliche Waffenlieferungen sind also weiterhin ein Ritt auf der Rasierklinge und die Gratwanderung zwischen militärischer Unterstützung der Ukraine und dem Willen zum Nichteintritt in den Krieg wird damit schrittweise schwieriger. Wer eine komplette Niederlage Russlands zum Ziel bzw. als Voraussetzung für eine Friedenslösung erklärt, der landet letztlich im Krieg mit Russland – gewollt oder ungewollt. Solidarität mit der Ukraine ist keine Frage von möglichst vielen und schweren Waffenlieferungen, sondern eine Frage des Grades der diplomatischen Initiativen, mit unpopulären, aber realistischen Gedanken diesen Krieg zu beenden. Die Panzerdebatte geht also in eine falsche Richtung.