FREITAG: 2006 sind Sie in Österreich als Kommandant der Mission "Austromar" bekannt geworden. Worum ging es dabei?
NORBERT FRISCHAUF: Das war eine simulierte Marsmission in der Wüste Utah in den USA. Wir lebten zu sechst in einem von der Umwelt abgeschlossenen Habitat und haben dort Technologien und Prozeduren getestet, wie sie in 20 bis 30 Jahren bei einer echten Mission einmal vorkommen könnten. Dieses Verfahren nennt man Analogwissenschaft, und das war in diesem Fall so lebensecht, dass wir am Ende fast selber glaubten, auf dem Mars zu sein. Bei Außeneinsätzen haben wir Raumanzüge getragen. Weil wir 20 Projekte zu betreuen hatten, standen meist wir meist um sechs Uhr auf und kamen erst nachts um zwei ins Bett. Nach ungefähr zehn Tagen ist man da kaputt. Das Ganze ist sehr realistisch und wird dementsprechend auch von staatlichen Raumfahrtagenturen verwertet. Das Gros dieser Untersuchungen wird aber in der Regel von privaten Initiativen betrieben.
Was haben Sie empfunden in der Abgeschiedenheit, angewiesen auf einen Raumanzug, was verändert sich da beim Menschen?
Die kleinen Details, die man im normalen Leben hat, der kleine Luxus wird immens wichtig. Also etwa die Möglichkeit, in jedem beliebigen Augenblick aufs Klo zu gehen und sich zehn Minuten unter die Dusche zu stellen. Oder jemanden anzurufen, um sich später in einem Café in der Stadt zu treffen - also die Grundbedürfnisse und sozialen Kontakte fehlen einem. Andererseits kann auch die ständige Nähe zu den Kollegen zu einer Belastung werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Teilnehmer psychologisch zueinander passen. Doch bei suborbitalen Raumflügen, die höchstens zwei Stunden dauern, ist dieser Punkt natürlich belanglos.
Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Deutschen und Österreicher, die sich einen Weltraumflug vorstellen könnten?
Zunächst richten sich die Angebote ja nur an sehr wohlhabende Leute, die gleichzeitig auch abenteuerlustig sein sollten. Da rechne ich in Deutschland vielleicht mit 100, in Österreich mit zehn Kunden.
Ist das die Klientel für SpaceShipTwo?
Am Anfang schon. Richard Branson hat behauptet, bei Ticketpreisen von 200.000 Dollar angeblich schon 7.000 Interessenten auf der Warteliste zu haben, die willens sind, das zu bezahlen. Also warum sollte er so dumm sein und die Preise senken? Das Gleiche gilt für Rocketplane XL, den zweiten ernstzunehmenden Anbieter. Doch Konkurrenz belebt das Geschäft. Eine US-Studie geht davon aus, dass 2010 der Preis zwar immer noch bei 200.000 Dollar liegt, danach aber graduell runtergeht, so dass er 2016 schon bei 100.000 wäre. Bis zum Jahr 2020 dürfte er auf circa 50.000 Dollar fallen.
Das ist immer noch viel Geld.
Ja, aber bedenken Sie: Wenn man heute auf den Mount Everest rauf will, zahlt man 65.000 Dollar und mehr. Und trotzdem machen das über 100 Leute im Jahr.
Schauen wir weiter nach vorn: Wird ein Flug ins All im Jahr 2050 so selbstverständlich sein wie heute ein Linienflug?
Das ist schwer zu sagen. Denn vielleicht hat bis dahin auf der Erde schon ein sozio-ökonomischer Paradigmenwechsel stattgefunden. So ist etwa vorstellbar, dass es dann eine ganz andere Gesellschaft gibt, wo größtenteils Roboter die Arbeit machen, und der Mensch kontrolliert nur und ist ansonsten künstlerisch oder im Dienstleistungssektor tätig. Wir werden permanent vernetzt sein, die Autos werden wir kaum wiedererkennen, wahrscheinlich gibt es dann auch schon Fusionsenergie, kurz: langfristige Prognosen zum Weltraumtourismus sind schwierig, weil die Welt vielleicht schon bald ganz anders ausschaut.
Dennoch: Wie sieht Ihre persönliche Zukunftsvision aus?
Es wird weiterhin nationale Raumfahrtagenturen geben, die Wissenschaft und Forschung betreiben. Diese werden in den nächsten Jahren zum Mond zurückkehren, von da weiter zum Mars. In spätestens 30 Jahren werden wir wahrscheinlich dort sein. Parallel dazu kommt der Weltraumtourismus, beschäftigt sich aber zunächst mit Suborbitalflügen. Und wenn das funktioniert, dann werden bald die nächsten Aktionen kommen. Die Raumfahrtagenturen bereiten dafür den Weg, und der Tourismus wird ihm folgen. Wenn erst einmal eine wissenschaftliche Raumstation auf dem Mond steht, könnte man auch an ein Hotel dort denken. Das kann sich gegenseitig befruchten und unterstützen. Mehrere Privatfirmen werden um den Markt konkurrieren und sich gegenseitig immer weiter nach vorn treiben, und irgendwann haben wir dann die Welt, wie sie sich Science-Fiction-Autoren erträumt haben.
Können wir für die geistige Entwicklung der Menschheit Fortschritte erwarten, wenn immer mehr Menschen die Zerbrechlichkeit der Erde vom Weltraum aus sehen?
Da bin ich mir sicher. Schon die Bilder, die die Apollo-Astronauten vom Mond aus gemacht haben, haben sich sehr stark in das kollektive Gedächtnis eingebrannt: Die blaue Erdkugel vor dem Hintergrund des endlosen schwarzen Weltalls. Die Verletzlichkeit des Globus ist uns seither viel bewusster geworden. Früher hat man das nicht so wahrgenommen, weil es noch niemand gesehen hatte.
Sehen Sie die Gefahr, dass die Reichen eines Tages von der Erde flüchten könnten, wenn es hier zu ungemütlich wird?
Erstens hoffe ich, dass die Menschheit nicht so dumm ist, die Erde zu vernichten, Stichwort: globaler Klimawandel. Dass wir deswegen auswandern müssen, glaube ich nicht unbedingt. Aber wir werden über kurz oder lang sicher zum Vergnügen ins Weltall fliegen. Studien prognostizieren einen Markt von 13.000 Passagieren im Jahr 2020, erwartet wird ein Umsatz von 676 Millionen Dollar - wenn nur körperlich geeignete Personen bis 65 Jahre fliegen. Aber dabei wird es nicht bleiben: Richard Branson hat schon angekündigt, seinen 91-jährigen Vater mitnehmen zu wollen.
Würden Sie selbst gern ins All starten?
Da ich begeisterter Kunstflieger bin, würde ich am liebsten als (Co-)Pilot mitfliegen - leider fehlt mir momentan noch das nötige Kleingeld.
Das Gespräch führte Jens Müller-Bauseneik
Norbert Frischauf ist Berater der ESA und Geschäftsführer der Firma Qasar in Wien, die ein Patent auf einen neuartigen Plasma-Antrieb für Satelliten besitzt.
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