Paris Was a Woman

Ausstellung Mit erdmännchenfarbenen Pastellbildern eroberte Ida Gerhardi manchen Mäzen und schockte die männlichen Künstlerkollegen mit Milieustudien aus Montparnasse

Sie kam aus Hagen und wollte nach Paris. Um Malerin zu sein. Ende des 19. Jahrhunderts war das ein närrischer Berufswunsch für eine Arzttochter aus dem Westfälischen, die nach dem Tod ihres Vaters in einem wenig begüterten Haushalt aufwuchs. Wie Ida Gerhardi ihre Familie überzeugte, sie 1890 zum Studium an eine Damenakademie nach München ziehen zu lassen und im Jahr darauf ohne Anstandswauwau an eine private Schule in der französischen Metropole, ist nicht überliefert. Gerhardi wurde, was sie werden wollte: „eine Malerin aus Paris”.

Anlässlich ihres 150. Geburtstags zeigt eine Ausstellung in Lüdenscheid eine Retrospektive. Diese setzt Gerhardis Werk in den historischen Kontext und verknüpft ihren Werdegang mit acht deutschen Künstlerinnen in Paris, einem über die Jahre reifenden Netzwerk aus Allianzen, Differenzen und Mäzenen. Wer es noch nicht einmal bis nach Lüdenscheid schafft, kann auf den ausgezeichneten Katalog zurückgreifen, der künstlerische Freiheit, gesellschaftliche Zwänge und Erwerbsarbeit in dieser Epoche beleuchtet.

Pointiert in der Nuance

Landschaftsmalerei in Erdmännchenfärbung oder Pastellbilder wie der hübsche „Spielplatz im Jardin du Luxembourg” stehen am Beginn von Gerhardis Schaffen. Eines ihrer ersten Ölporträts, „Attaché Schwarzkoppen”, das sie 1896 in der Öffentlichkeit präsentierte, soll wegen seiner „ungewöhnlichen Farbigkeit” auf Ablehnung gestoßen sein. Es ist ein Bild, an dem man nicht einfach vorbeigeht: Rot ziert den Hintergrund sowie Elemente der Uniform, und auch die Lippen des Diplomaten glitzern pointiert in dieser Nuance. Der anmutige „Mädchenakt” von 1903 und die Körperstudien auf Papier, die in der Ausstellung unter anderem neben denen von Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker zu sehen sind, stellten für die damalige Zeit, die Frauen vom Studium ausschloss, ein exotisches Thema dar.

Mit den „Tanzbildern” betritt Gerhardi – und mit ihr Kollwitz – in der Motivwahl Neuland: Das Amüsement in der Subkultur von Montparnasse und Montmartre hatten bis dahin nur männliche Künstler festgehalten. Faszinierend wie die kapriziöse Tanzserie, die in der Qualität der Einzelwerke variiert, ist Gerhardis Porträt einer gealterten Chanteuse aus diesem Milieu, die mit ihrer körperlichen Präsenz das gleichnamige Bild ausfüllt.

Erlaubte Prostitution

Selbstgewiss wirkt die bürgerliche Klientel auf Porträts, der die Künstlerin versuchte, in Auftragsarbeiten gerecht zu werden und die sich des öfteren nicht angemessen repräsentiert fühlte. Nörgelige Kunden gefährdeten aber Gerhardis Existenzgrundlage: Malen war für sie nicht Zeitvertreib, sondern Notwendigkeit. Von den Porträtaufträgen ernährte sich die ledige Frau und sie verteufelte diese einmal voller Bitterkeit als „erlaubte Prostitution”. Das „Selbstbildnis“ Maria Slavonas, das um 1910 entstand, illustriert in der Ausstellung, wie kraftraubend freies Kunstschaffen sein konnte. Die Selbstporträts Gerhardis wiederum, die ab 1904 auch als Kunstvermittlerin und -händlerin arbeitete, unter anderem für die Erstgründung des Folkwang-Museums in Hagen, lassen trotz ihres zunehmend lichter werdenden Farbauftrags über einen Zeitraum von über 20 Jahren eine Strenge erkennen und Erschöpfung erahnen, die über den Alterungsprozess hinausgeht.

Ida Gerhardi Deutsche Künstlerinnen in Paris um 1900

. Bis 15. Juli in der Städtischen Galerie in Lüdenscheid; der Katalog gleichen Titels ist im Hirmer-Verlag erschienen. www.ida-gerhardi.de

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