Seit dem ersten Juli gilt in Brandenburg das Paritätsgesetz, die Parteien müssen Listenplätze für Landtagswahlen abwechselnd mit Frauen und Männern besetzen. Der Deutsche Frauenrat twitterte: „Ein historischer Moment für mehr Geschlechtergerechtigkeit.“ In patriarchalen Strukturen werden Männer unabhängig von ihrer Leistung bevorzugt, mit der paritätischen Besetzung der Listenplätze kann dem teilweise begegnet werden.
Die Parteien werden sich nun mehr Mühe geben müssen, Frauen zu gewinnen und zu fördern, die sie bisher oft eher abgeschreckt haben – das ist gut. Mit mehr Frauen in den Parlamenten und an entscheidenderen Stellen in den Parteien ist die Hoffnung verbunden, dass verkrustete Gefälligkeitsstrukturen aufgebrochen werden und andere Perspektiven Einzug halten. Gerade die Coronakrise hat gezeigt, dass Frauen neben Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf der Krankheit als erstes aus der Öffentlichkeit verschwanden. Messbar war etwa, dass Frauen deutlich weniger wissenschaftlich publizierten. Viele ließen sich in der Krise freistellen, um sich um die Kinder zu kümmern. Die Perspektive von Menschen, die Kinder bekommen können und die den übergroßen Teil der gesellschaftlichen (bezahlten und unbezahlten) Sorgearbeit verrichten, kam bei den politischen Maßnahmen, die zur Bewältigung der Krise beschlossen wurden, nur am Rande vor.
Wenn es mehr Frauen in den Parteien und den Parlamenten gäbe, wären solche Aspekte präsenter – das ist eine berechtigte Hoffnung. Die Hoffnung wäre noch größer, wenn auch andere strukturelle Ungerechtigkeiten adressiert würden: Solange sich die politischen Strukturen nicht grundlegend ändern, ist es wahrscheinlich, dass die Frauen, die in der nächsten Legislaturperiode vermehrt in den brandenburgischen Landtag einziehen, eher keine Kinder haben, dafür weiß und aus einem mittelständischen Milieu sind, keine Beeinträchtigung haben und heterosexuell sind.
Ein Paritätsgesetz kann nur ein erster Schritt sein. Mehr und unterschiedliche Perspektiven sind nicht nur eine Frage von Identitäten. Weil eine Person weiblich ist, erkennt sie nicht automatisch Sexismus oder solidarisiert sich mit anderen Frauen. Ein kritischer Blick auf Gesellschaft ist hier entscheidend. Sollten demnächst durch Paritätsgesetze mehr Frauen in die Parlamente einziehen, wäre das Anfang. Ein historischer Moment wird daraus, wenn die Politik dadurch tatsächlich diverser, sozialer und emanzipatorischer würde.
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