Partei von unten

Partei und sozaile Bewegung Kein Anbiedern an die Macht, sondern Dialog mit sozialen Bewegungen

Über die Ursachen der Wahlniederlage der PDS wird noch lange nachzudenken und zu beraten sein. Gera ist ein Auftakt und sollte ein Signal geben für die Öffnung der PDS - hin zu den sozialen Bewegungen, weg von der Anbiederung an SPD und Mächtige. Wir müssen weg kommen vom Hofieren der Konzerne, Regierungen und Machtapparate.

Auch Arroganz und Abschottung gegenüber anderen Linken und sozialen Bewegungen sind Gründe für unsere schwere Krise. Die Partei muss sich weit öffnen zu den sozialen Bewegungen und zum gesellschaftlichen Widerstand. Dazu gehört mehr Einfluss für Ehrenamtliche ebenso wie mehr Einfluss sozialer Bewegungen in der Partei. Im Westen wird das schon lange gefordert und auch praktiziert, vor allem dort, wo die PDS kommunale Positionen errungen hat. Die "Regenbogenkoalition" in den USA - BürgerrechtlerInnen, MigrantInnen, UmweltschützerInnen, Schwule und Lesben, Gewerkschaften - kann da Vorbild sein. In einer imperialistischen Gesellschaft mit ihren vielen verschiedenen Milieus ist eine kluge Bündnispolitik, ein solidarischer Umgang mit solchen Bewegungen, unverzichtbar.

Taktische Spielchen mit Grundsätzen dagegen, das "Vor-den-Kopf-Stoßen" von Mitgliedern und Basisinitiativen sind katastrophal. Ich erinnere noch, wie nach der Entschuldigungsarie für die SED-Vergangenheit in der Zuwanderungsdebatte die strikte Ablehnung der Abschiebung von Flüchtlingen in Frage gestellt wurde. Kurz danach entdeckten einige an Geheimdiensten gute Seiten. So etwas unterminiert jede Glaubwürdigkeit und bestätigt die negative Erfahrung West-Linker mit den Grünen. Das Einknicken im Bundesrat bei Steuerreform und Zuwanderung, die Entschuldigung bei Bush, der soziale Crash-Kurs in Berlin haben enorm geschadet. "Ihr seid wie die anderen", "ihr ändert auch nichts" - das höre ich immer wieder.

Ich bin dagegen, wenn schon wieder in Hinterzimmern Posten verteilt werden. Auch die rot-roten Regierungsbeteiligungen müssen endlich offen in der gesamten Partei debattiert werden und auf den Prüfstand. Am besten wäre, der Parteitag setzte einen vorläufigen Vorstand ein, der die jetzt notwendige öffentliche Diskussion organisiert. Am Ende sollte eine inhaltliche, aber auch personelle Erneuerung stehen - mit neuen, linken, kritischen Kräften aus Ost und West, die glaubwürdig für eine andere Politik stehen. Wenn dieses Signal nicht kommt, werden sich noch mehr Menschen von der PDS abwenden.

Auch die PDS als "Partei von unten", als "Partei für den Alltag" im Osten ist verschwunden. Warum eigentlich? Das Eintreten für sozial Schwache, für Opfer von Repression und Diskriminierung hat offenbar für viele keine Priorität mehr. Stattdessen drängen (allzu) wendige und selbstgefällige Funktionäre in den Vordergrund, werden Parteitagsergebnisse wie die von Münster offen bekämpft. Wer sich dagegen links positioniert, wird gemobbt, ausgegrenzt und abgesetzt. Innerparteilich muss dringend für mehr Demokratie gesorgt werden. Die PDS hatte nie zu viel, sondern zu wenig Pluralismus.

Zur Erneuerung der PDS zu einer alternativen, sozialistischen Opposition brauchen wir auch eine Programmdebatte, die den Dialog mit sozialen Bewegungen und anderen Linken sucht. Zu diesem Dialog gehört auch Kritik. Schließlich haben sich soziale Bewegungen teilweise selbst in Abhängigkeit von Machtstrukturen und Geldgebern wie Grünen und SPD begeben und zu deren Wahl aufgerufen.

Richtige Forderungen wie nach Stärkung kommunaler Selbstverwaltung, nach gleichen Rechten für alle, die hier leben, nach Grundsicherung und öffentlichem Beschäftigungssektor verkommen zur Phrase, wenn die Partei jedes Mal, wenn es darauf ankommt, vor den Mächtigen einknickt - eine solche Partei wäre überflüssig.

Ulla Jelpke war Innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion.

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