Party im Stall!

Ernährung Froh, fröhlicher, am fröhlichsten: Endlich wissen wir, wie glücklich die Tiere waren, die wir essen
Ausgabe 37/2019
Hatte das Tier auch genug Platz, bevor es getötet wurde?
Hatte das Tier auch genug Platz, bevor es getötet wurde?

Foto: Imago Images/photothek

Endlich können wir glückliche Tiere essen! Zu verdanken haben wir das CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die der deutschen Öffentlichkeit nun stolz ein Tierwohlkennzeichen vorgestellt hat, das künftig auf abgepacktem Fleisch kleben soll. In drei Stufen sollen wir bald erkennen, ob das zu verzehrende Tier zu Lebzeiten fröhlich, fröhlicher oder am fröhlichsten war. Und alle Stufen gehen über die Anforderungen des gesetzlichen Mindeststandards hinaus. Na, da ist ja wohl Party im Stall angesagt, oder doch nicht?

Gut, erst mal gilt es nur für Schweine. Und man könnte stutzig werden, wenn das Landwirtschaftsministerium als Ziel für das Tierwohlkennzeichen nicht etwa mehr Tierwohl angibt, sondern bessere Vermarktungschancen für die Bauern. Folgerichtig sind für eine mehrjährige Informationskampagne auch 70 Millionen Euro vorgesehen und für die Unterstützung der Bauern bei der Umsetzung der höheren Anforderungen – nichts.

Aber das macht ja nichts, denn die millionenschwere Kampagne wird über die Unzulänglichkeiten des Kennzeichens hinwegtäuschen. Sie und ich werden schnell vergessen, dass es kein verpflichtendes, sondern ein freiwilliges Label ist, dessen Einhaltung von privaten Stellen kontrolliert werden soll. Geblendet von lachenden Schweinen auf sonnenbeschienenen Wiesen werden wir uns bald schon nicht mehr daran erinnern, dass die drei Stufen sich bei vielen Kriterien gar nicht unterscheiden. Und verzückt von atmosphärischen Imagefilmen, in denen sich kleine Schweinchen genüsslich im Matsch suhlen, wird es uns wieder entfallen, dass der gesetzliche Mindeststandard gegen das geltende Tierschutzgesetz verstößt. Demnach dürfen Tiere nämlich nicht so in ihrer artgemäßen Bewegung eingeschränkt werden, dass ihnen vermeidbare Leiden und Schäden zugefügt werden.

Gehen wir mal beim Platzangebot ins unangenehme Detail (die Kampagne wird das dankenswerterweise bald wieder aus Ihrem Kopf löschen, auf dass es Sie nicht beim Einkauf belaste): Gesetzlicher Standard sind 0,75 Quadratmeter pro Schwein, die erste Stufe des neuen Labels verspricht 0,9 Quadratmeter. Das ist immer noch zu wenig, als dass sich alle Schweine etwa gleichzeitig hinlegen könnten oder als dass sie aufhören würden, sich gegenseitig die Schwänze abzubeißen. Schwierig zu vermarkten, aber nicht unmöglich. Was würden Sie zu mit kleinen Glitzerwesten bekleideten, schwanzlosen Schweinchen sagen, die sich heiter glucksend in Pyramiden übereinanderstapeln? Schon viel besser, oder?

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